Am Sonntag haben die Verhandlungen auf dem 27. Weltklimagipfel (COP27) in Scharm el-Scheich begonnen, der immer mehr zur Persiflage verkommt. Anstelle sich inmitten von Krieg, weltweiter Inflation und vertiefenden geopolitischen Spannungen für die internationale Klimazusammenarbeit zusammenzusetzen, ghosten viele Regierungschefs das weltweit wichtigste Klimaevent – was besonders China in die Hände spielt.
Dieses Mal sind die Regierungschef:innen von nur 125 Staaten anwesend. Und das meist nur für kurze Zeit oder mit Gesandten als Vertretung. Nachdem der neue britische Premierminister Rishi Sunak seinen COP-Besuch zunächst abgesagt hatte, weil er, wie die "BBC" berichtete, "too busy" sei, machte er auf den letzten Drücker eine Kehrtwende. Augenscheinlich aus Angst vor einer Brüskierung auf internationaler Ebene. Aber immerhin.
Doch zahlreiche Industrienationen – und die damit Haupt-Schuldigen der Klimakrise – scheinen sich um die persönliche Anwesenheit ihrer Staatschef:innen nicht gerade zu bemühen.
So ist auch US-Präsident Joe Biden mit den Midterms im eigenen Land wohl zu beschäftigt und kommt erst Ende der Woche persönlich nach Ägypten. Bis dahin lässt er sich von einer Delegation unter der Führung von John Kerry vertreten.
Anders ist das bei Kanadas Premierminister Justin Trudeau und dem indischen Premierminister Narendra Modi – sie werden sich gar nicht auf der COP27 blicken lassen. Anstandshalber senden sie aber Delegationen, die dann stellvertretend für sie mit der Lösung der weltweit größten Krise klarkommen müssen.
Das ist unverantwortlich und feige von Politiker:innen, die extra dazu gewählt wurden, die drängendsten Probleme für ihre Bürger:innen zu lösen. Und immerhin ist die Klimakatastrophe die wohl größte und weitreichendste Krise unserer Zeit – und die COP27 das wichtigste Klimaevent.
Wer aber noch nicht mal einen Ansatz zur Verbesserung seiner Klimaziele zeigt, ist China. Das Land mit den weltweit größten Emissionen von Treibhausgasen ist zwar durch eine Delegation von 50 Gesandten vertreten, doch auch Staatschef Xi Jingping fehlt in Scharm el-Scheich.
Seine Gesandten aber werden die Klimaziele, die bereits auf dem letzten kommunistischen Parteitag beschlossen wurden, keineswegs ändern. Dabei war China explizit dazu aufgefordert, die eigenen Klimaziele nachzuschärfen, da das 1,5 Grad-Ziel sonst nicht erreichbar ist. Im Rahmen des Parteitags wurde stattdessen angekündigt, in den kommenden Jahren noch mehr Kohle zu fördern, den Bau neuer Kohlekraftwerke inklusive.
So werden die CO2-Emissionen in China noch bis zum Ende des Jahrzehnts Jahr für Jahr weiter zunehmen. Für das 1,5 Grad-Ziel ein No-Go. Denn der Emissions-Peak soll so erst 2030 erreicht werden, um die Emissionen anschließend – zumindest laut Plan – wieder zu senken, um 2060 die Klimaneutralität zu erreichen.
Das Fehlen von Chinas wirklichem Entscheider am Verhandlungstisch der COP ist strategisch asozial. Denn die COP27 ist die erste Konferenz, bei der es klar um die Finanzierung des internationalen Klimaschutzes und Ausgleichszahlungen von Schäden und Verlusten gehen soll: Geschätzte 500 bis 700 Milliarden Dollar im Jahr.
Auf China würde dafür die fetteste Rechnung warten. Doch das Land, das sonst wirtschaftlich an allem interessiert scheint, zieht sich leichtfertig aus der Affäre. Und alle anderen Staaten schauen betreten dabei zu.
Die Kommunistische Partei entpuppt sich als Nutznießer für alle übriggebliebenen Länder, die ihre Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien vorantreiben – und zwangsläufig in die Arme von China laufen. Das Land profitiert von der internationalen Energiekrise und Hinwendung zu den erneuerbaren Energien, heizt aber gleichzeitig die Klimakrise noch stärker an.
Denn in puncto erneuerbare Energien hat China einen Wettbewerbsvorsprung: Hier befinden sich die aktuell besten Produzenten zur Herstellung von Solarpanels oder Equipment für Windkraftanlagen.
Außerdem hat die Volksrepublik in den vergangenen Jahren so viel in erneuerbare Energietechnik investiert, dass seine Umweltindustrie jetzt floriert und sich das Land dank seiner Erneuerbaren beim eigenen Energiebedarf zu einem großen Teil versorgen kann. Lediglich bei der Kohle ist China von Importen abhängig. Das ist praktisch für China und beschissen für jedes andere Land dieser Erde: Hier gegen muss es endlich einen Zusammenschluss der anderen Nationen geben, um ein Gegengewicht zu Chinas Alleinherrschaft zu bilden.
Natürlich wird für den Bau der erneuerbaren Energie-Anlagen auch nochmal mehr CO2 in die Atmosphäre geblasen, was schnellere und heftigere Klimafolgen für bereits betroffene Länder im globalen Süden bedeutet. Doch das einzugestehen und finanzielle Verantwortung für die Folgen des eigenen Tuns zu übernehmen und Reparaturzahlungen an die ärmsten Staaten zu zahlen, verweigert die Regierung hinter "The Great Wall" mit ihrem Nichterscheinen auf der COP komplett.
Dieses Verhalten Chinas, als auch das aller anderen Staaten, die halbherzig nur Delegationen auf den Weltklimagipfel schicken, gehört abgestraft. Denn um die weltweite Klimakrise abzumildern, müssten alle gemeinsam an einem Strang ziehen, und nicht jeder für sich eigene Deals aushandeln.