Es ist gerade einmal Anfang Mai und schon leben wir auf Pump. Wir Deutschen haben heute so viele Ressourcen verbraucht, wie unsere Erde in einem Jahr ausgleichen kann. Ab jetzt geht also alles, was wir tun, essen und verbrauchen – zulasten unseres Planeten (und ärmerer Länder). Deswegen auch Earth Overshoot Day.
Und doch macht es den Anschein, als sei dieser Tag einer wie jeder andere. Alles geht normal vonstatten. Der Kühlschrank ist voll, die Supermärkte auch. Das Licht brennt, die Heizung läuft. Alles scheint gut.
Dabei ist eigentlich überhaupt gar nichts "gut".
Wenn die Menschen auf der ganzen Welt leben würden wie wir hier in Deutschland, bräuchten wir drei Planeten, um uns alle zu versorgen. Aber ups, die haben wir ja überhaupt nicht.
Und dennoch passiert genau: nichts. Oder zumindest bei Weitem nicht genug. Dabei sollte dieser Tag heute – der Erdüberlastungstag – ein Alarmsignal für uns alle sein.
Und das Schlimmste an der ganzen Sache: Auch wenn Deutschland seinen Overshoot Day so früh im Jahr erreicht, sind wir Deutschen keineswegs die Ersten. Schon am 10. Februar erreichte Katar als erstes Land den Earth Overshoot Day, vier Tage später folgte Luxemburg. Am 13. März schließlich Kanada, die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate. Das ergeben Berechnungen des Global Footprint Networks.
Angesichts der Ignoranz der reichen Länder gegenüber den armen kann man nur den Kopf schütteln. Was fällt einem dazu noch ein, außer: Was bitte stimmt nicht mit uns?
Wie können wir als klitzekleines Deutschland der fünftgrößte Rohstoffverbraucher der Welt sein – und 99 Prozent unserer Mineralien und Metalle aus Ländern des globalen Südens importieren? Aus Ländern, die bei Weitem nicht die gleiche Menge an Rohstoffen verbrauchen, dafür aber die Kosten für unseren Über-Konsum tragen?
Die Folge: Umweltzerstörung, Verlust der Biodiversität, Verletzung der Menschenrechte – die Liste geht endlos weiter.
Der Earth Overshoot Day ist nur ein weiterer Punkt in einer endlos langen Liste, der deutlich macht: Deutschland ist weit davon entfernt, internationales ökologisches Vorbild zu werden.
Denn hauptverantwortlich für das Erreichen dieses traurigen Meilensteins ist, dass wir das natürliche Ressourcenbudget unseres Planeten überschreiten. Immer und immer wieder – und das schon seit Jahren.
Vor einem halben Jahrhundert sah das noch anders aus: Damals langte die biologische Leistungsfähigkeit locker aus, um unseren jährlichen Bedarf an Ressourcen zu decken.
Aber was hat sich seitdem verändert?
Ja, klar: die Bevölkerung ist gewachsen. Allem voran aber ist unser Wohlstand gestiegen – unsere Häuser und Autos wurden immer größer, der Kühlschrank immer voller, der Kleiderschrank ebenfalls. Das Resultat: Die CO₂-Emissionen sind immer weiter gestiegen.
Und wie eigentlich immer beim Thema Klimaschutz sind auch hier die CO₂-Emissionen der springende Punkt: Wir müssen runter damit. Und zwar schnell.
Bringen wir die Emissionen nicht schnell und drastisch nach unten, bedeutet das nicht nur, dass wir das 1,5-Grad-Ziel – und höchstwahrscheinlich auch das 2-Grad-Ziel – reißen. Nein, es bedeutet auch, dass wir unseren Planeten immer schneller, immer weiter ausbeuten. Bis er irgendwann unter dieser Belastung zusammenbricht.
Einfach gesagt: Machen wir weiter wie bisher, leidet auch unsere Erde bald unter einem Burnout – und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen, weil die "Anforderungen" anscheinend immer weiter steigen, unsere Erde immer mehr und immer schneller Ressourcen geben soll. Zum anderen, weil es immer heißer wird.
Die Devise lautet also: Runter mit den Emissionen, runter mit dem Konsum. Klingt abstrakt, ist schwierig – aber leider nicht verhandelbar. Das versuchen uns Forschende bereits seit Jahren unmissverständlich klarzumachen.
Nur so richtig angekommen ist die Botschaft bei vielen von uns wohl noch nicht. Vor allem nicht in der Politik, denn dort werden Klimaschutzmaßnahmen seit Jahren immer wieder fahrlässig vertagt, geschmälert oder gänzlich eingestampft.
Aber zurück zu unserer Erde, unserem Zuhause.
Und auch wenn es im ersten Moment merkwürdig erscheint, stellt euch einmal Folgendes vor: Wäre die Erde ein Mensch, sagen wir mal unsere beste Freundin, hätten wir uns längst mit ihr auf die Couch gesetzt.
Dort hätte sie uns unter Tränen erzählt, dass sie einfach nicht mehr kann. Dass sie nicht weiß, wie sie noch weitermachen soll. Dass ihr die Kraft fehlt. Wir hätten sie tröstend in den Arm genommen und versucht, eine Lösung für das Dilemma zu finden. Vielleicht hätte sie eine Therapie angefangen, gemeinsam mit ihrer Therapeutin versucht zu ergründen, woran es liegen könnte, dass sie so erschöpft ist. Und sie hätte lernen müssen, dass ihre Ressourcen endlich sind.
Unsere Erde ist Patientin. Und auch, wenn sie kein Mensch ist, sind ihre Ressourcen endlich. Irgendwann kann sie nicht mehr. Und wenn sie nicht mehr kann, bedeutet das nicht, dass sie eben für sieben, acht oder neun Wochen im Bett liegen bleibt. Wenn unsere Erde nicht mehr kann, hat das Konsequenzen für uns alle. Und die spüren wir schon jetzt. An manchen Orten mehr, an anderen, etwa in Deutschland, weniger. Noch.
Das aber macht es nicht besser. Nur gefährlicher.
Lasst uns den Warnschuss nicht länger ignorieren. Lasst uns die Hilfeschreie unserer Erde, die sich durch schmelzende Gletscher, Hitze und Dürre, Überflutungen und steigende Meeresspiegel äußern, erhören – und endlich reagieren.
Noch ist es nicht zu spät. Noch können wir unsere Erde – und damit unsere Heimat – wieder aufpäppeln. Die Patientin Erde hat eine Chance, aber nur wir sind diejenigen, die dafür sorgen können, dass sie diese auch bekommt.