Dass die sozialen Medien für den Klimaaktivismus eine entscheidende Rolle spielen, davon ist Sophia Kianni überzeugt.
Sie ist Studentin, Klimaaktivistin, Gründerin und vertritt die USA als jüngstes Mitglied in der Jugendberatungsgruppe der Vereinten Nationen zum Klimawandel. Das Forbes-Magazin hat sie kürzlich auf die Liste der "30 under 30" gewählt. "Business Insider" ehrte sie als eine der "Top 30 globalen Leader", die an der Lösung des Klimaproblems arbeiten, "Vice" kürte sie zum "Human of the Year" und die "Vogue" ehrte sie für ihr Engagement mit dem "Renaissance Award". Sie ist die Luisa Neubauer der Vereinigten Staaten.
Nur mit ein bisschen mehr Glitzer und Glamour.
Sophia Kianni (21) war gerade einmal zwölf Jahre alt, als sie realisierte, dass die Erderwärmung die Welt verändert. Dass Wetterextreme zunehmen, der Meeresspiegel steigt und die Eismassen schmelzen würden. Und: Dass ihre Verwandten im Iran, der Heimat ihrer Eltern, kaum etwas über die Klimakrise wussten.
Der Grund: Informationen zur Klimakrise gibt es größtenteils auf Englisch, ihre Familie aber spricht Farsi, die iranische Landessprache. Wie Sophias Verwandten geht es vielen: Denn ein Großteil der Weltbevölkerung spricht kein Englisch, und wird damit von vornherein von Informationen zur Klimakrise ausgeschlossen.
Sophia war schockiert. Das wollte sie ändern, unbedingt.
Und damit war ihre Idee für "Climate Cardinals" geboren – eine internationale, gemeinnützige Organisation, die durch Freiwillige Studien und Informationen zur Klimakrise in verschiedenste Sprachen übersetzt. Um Menschen aufzuklären, mitzunehmen – und ihnen zu zeigen, dass sie etwas verändern können.
Aber wie nur könnte man so viele Freiwillige erreichen – und für die Übersetzungsarbeit gewinnen, fragt sich Sophia, die damals noch zur Schule ging.
Sie nimmt ein Video auf, postet es bei Tiktok. Noch am gleichen Tag meldeten sich über 1000 junge Menschen, die helfen wollen.
Seitdem haben mehr als 9000 Freiwillige für "Climate Cardinals" über 750.000 Worte in über 100 Sprachen übersetzt. Die Organisation ist ein voller Erfolg. Auch und mithilfe von Social Media.
"Bildung ist der erste Schritt, um die Menschen für die Klimakrise zu sensibilisieren und ihnen auch die Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie brauchen, um das Gefühl zu haben, dass sie etwas tun können", erzählt Sophia im Gespräch mit watson.
Und genau das ist ihre Mission: Menschen aufklären und mitnehmen, "damit sie sich angesprochen fühlen und dadurch auch engagieren".
Dass sich dafür nichts besser eignet, als die sozialen Medien, weiß Sophia für sich zu nutzen. Auf Tiktok und Instagram nimmt sie ihre Follower mit in ihren Alltag: Sie teilt Videoclips und Bilder von ihren Reden bei der COP, auf Panels oder Klimastreiks.
Dazwischen postet sie Bilder von sich im Urlaub, mit Freunden oder bekannten Persönlichkeiten wie UN-Generalsekretär António Guterres – mit einem inspirierenden Spruch wie "One voice can turn into a chorus" (auf dt.: Eine Stimme kann zum Chor werden) oder "Our future is worth fighting for" (auf dt.: Unsere Zukunft ist es wert, zu kämpfen) darunter.
"Durch die sozialen Medien ist es für einen jungen Menschen wie mich möglich, auf Tiktok und Instagram ein kurzes Video zu teilen, das von Millionen von Menschen in einer fesselnden und ansprechenden Weise angesehen werden kann", sagt Sophia. Noch vor zehn Jahren sei das so überhaupt nicht möglich gewesen. "Ich glaube, dass die sozialen Medien einen Teil dazu beigetragen haben, dass das Klima zu einer so großen Priorität geworden ist."
Denn dass der Klimawandel eine der größten Prioritäten für junge Menschen sei, könne man schon anhand der Größe von Fridays for Future feststellen, erklärt Sophia. "Immer mehr junge Menschen leiden unter Klimaangst, weil sie Angst vor der Zukunft haben." Das liege unter anderem daran, dass viele von ihnen noch nicht wählen oder an den politischen Prozessen teilnehmen dürften – weil sie zu jung sind. "Dabei wird unsere Generation unverhältnismäßig stark von der Klimakrise betroffen sein, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden."
Auf die Frage, ob sie jemals das Gefühl habe, nicht ernst genommen zu werden, denkt sie nur einen kurzen Moment nach und sagt: "Ich denke, wenn ich jemals nicht ernst genommen werde, weil ich die einzige Frau und vielleicht die Jüngste im Raum bin, dann bin ich wahrscheinlich im falschen Raum."
Sie ergänzt:
Diese Tatsachen würden deutlich zeigen, wie wichtig es sei, dass junge Menschen wie sie – aus eben jenen Bevölkerungsgruppen – an den Diskussionen und Entscheidungstischen vertreten seien.
"Angefangen hat das mit dem Klimaschutz bei mir mit Streiks und Protesten", erzählt Sophia. "In der elften Klasse an der Highschool habe ich sogar mal an einem Hungerstreik teilgenommen." Durch Fridays for Future – und auch deren Erfolg auf Instagram – habe das Thema an immer mehr Relevanz gewonnen, auch in den USA. "Dabei sind die Vereinigten Staaten in Fragen rund um den Klimawandel stark polarisiert."
Auf der einen, zum Glück schrumpfenden Seite, stehen die Klimawandelleugner. Auf der anderen all diejenigen, die die Heftigkeit, mit der sich die Folgen der Erderhitzung entladen, erkannt haben. "Ich glaube, dass gewaltloser Ungehorsam eine große Rolle dabei spielt, die Menschen für die Klimakrise zu sensibilisieren, aber auch Druck auf die Behörden auszuüben, damit sie Maßnahmen ergreifen", sagt Sophia. "Ähnlich wie damals bei der Frauenrechtsbewegung und der Bürgerrechtsbewegung."
Von ihren Followern bekommt Sophia Zuspruch.
Und auch die Presse lobt ihr Engagement und ihre Ideen. Sie wird zu immer mehr Panels, Diskussionen und Konferenzen eingeladen, hält einen TED-Talk über die Wichtigkeit von Klimabildung.
Und wird mit Ehrungen überhäuft.
Für die Verleihung der "Renaissance Awards" der "Vogue" reist sie nach Florenz, für die COP27 nach Scharm el-Scheich in Ägypten, im Urlaub geht es mal nach Amsterdam, mal in die Heimat ihrer Eltern, den Iran.
Bei einigen ihrer Follower sorgt das für Unverständnis. Dürfe sie als Aktivistin, die für mehr Klimaschutz kämpft, doch nicht so viele Flugreisen unternehmen. Sophia weiß um diesen Widerspruch. Im Gespräch mit watson sagt sie dazu: