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Letzte Generation: Warum Aktivisten jetzt auf die Reichen losgehen

Um auf den "unverhältnismäßigen Überkonsum" der Reichen aufmerksam zu machen, haben Aktivist:innen der Letzten Generation eine Yacht in Schleswig-Holstein mit Farbe besprüht und das Wasser grün gefärb ...
Um auf den "unverhältnismäßigen Überkonsum" der Reichen aufmerksam zu machen, haben Aktivist:innen der Letzten Generation eine Yacht in Schleswig-Holstein mit Farbe besprüht und das Wasser grün gefärbt.bild: dpa
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Farbattacken auf Privatjets und Yachten: Warum die Letzte Generation jetzt Reiche ins Visier nimmt

25.06.2023, 16:0926.06.2023, 16:45
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In den vergangenen Wochen mussten Symbole des modernen Reichtums reihenweise dran glauben: Aktivist:innen der Letzten Generation besprühten einen Privatjet mit Farbe, ein Luxushotel, eine Boutique, eine Yacht. Und vieles mehr. Das Wasser im Yachthafen von Neustadt in Holstein färbten sie mit einem (nicht umweltschädlichen) Farbstoff grün ein.

Die Reichsten treiben nach Ansicht der Aktivist:innen die Klimakrise durch ihren Emissionsverbrauch weiter an.
Die Reichsten treiben nach Ansicht der Aktivist:innen die Klimakrise durch ihren Emissionsverbrauch weiter an.bild: dpa

Die Botschaft hinter all ihren Aktionen: Die Aufmerksamkeit der Menschen auf die "rücksichtslose Verschwendung der Reichen" zu lenken.

Denn laut einer Studie der Hilfsorganisation Oxfam, die auf Untersuchungen des Instituts für Europäische Umweltpolitik (IEEP) und des Stockholmer Umweltinstituts (SEI) aus dem Jahr 2021 beruht, treibt eine nur kleine Elite die Klima-Zerstörung vehement voran. Demnach würden die Pro-Kopf-Emissionen der zum reichsten ein Prozent der Weltbevölkerung gehörenden Menschen 2030 um ein 30-Faches über dem Wert liegen, der mit dem 1,5-Grad-Ziel verträglich ist.

"Es ist vollkommen klar, dass Klimaschutz nur funktioniert, wenn auch die Reichsten mitmachen."
Klimaaktivist Joel Schmitt

Dieses Wissen nutzen die Aktivist:innen der Letzten Generation, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen.

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Protest-Aktionen sollen Dringlichkeit der Lage widerspiegeln

"In Deutschland gibt es keine Debatte darüber, wie krass viel mehr die Reichsten die Klimakatastrophe befeuern", sagt Joel Schmitt im Gespräch mit watson. Er ist Aktivist bei der Letzten Generation.

Weil er das Gefühl hatte, dass die Demonstrationen von Fridays for Future nicht länger ausreichen, um auf die Vehemenz der Klimakrise aufmerksam zu machen.

Er sagt:

"Damals wie heute bin ich davon überzeugt, dass die Dringlichkeit der Lage auch in der Protestform widergespiegelt werden muss. Und in der Lage, in der wir uns befinden, ist es einfach nicht mehr angemessen, sich nur mit bunten Schildern in die Innenstadt zu stellen. Wir müssen deutlich machen: Halt, stopp! So geht es nicht weiter! Der aktuelle politische Kurs ist tödlich! Wir sind gerade dabei, alles zu verlieren, das uns lieb ist."

Also begann Joel, sich mit anderen Aktivist:innen der Letzten Generation auf die Straße zu kleben. Und seit Anfang Juni mit gezielten Aktionen auch auf den Einfluss der Reichsten im Hinblick auf die Erderhitzung aufmerksam zu machen.

Joel Schmitt (24) ist davon überzeugt, dass die Letzte Generation mit ihren Protesten das Richtige tut.
Joel Schmitt (24) ist davon überzeugt, dass die Letzte Generation mit ihren Protesten das Richtige tut. bild: letzte generation

Kaum ein Journalist thematisiere, dass die "Superreichen" trotz der Notwendigkeit der Emissionsreduktion immer mehr CO2 in die Luft pusten würden. Durch ihre Privatjets. Durch ihre Yachten. Durch ihren Überkonsum. "Darüber wird einfach nicht geredet", ereifert Joel sich. "Dabei ist es vollkommen klar, dass Klimaschutz nur funktioniert, wenn auch die Reichsten mitmachen."

Die Regierung aber nehme weder die Reichsten in die Pflicht, ihre eigenen Emissionen zu senken. Noch nehme sie die notwendige ökologische Transformation vor, betont Joel.

Er sagt: "Unser Ziel ist es, dass die Menschen sehen, dass es politisch falsch läuft in Deutschland. Es kann doch nicht sein, dass die breite Bevölkerung über Duschzeiten streitet, während die Reichen über unsere Köpfe hinwegfliegen."

Ungleichheit: Reiche können sich von Klimaschutz "freikaufen"

Das Problem, das die Aktivist:innen der Letzten Generation sehen: Wenn über Verzicht gesprochen wird, geht es immerzu um den kollektiven Verzicht. "Nie wird differenziert, wer verzichten muss – nämlich die Reichsten. Und nicht die untere Hälfte der Bevölkerung", sagt Joel.

Riesige Luxus-Villen, Privatjets und Yachten seien nicht mit dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen vereinbar.

Er betont:

"Aber die Krankenpflegerin, die mit ihrer Familie in einer Wohnung wohnt, mit dem Auto zur Arbeit fährt und einmal im Jahr Urlaub in Italien macht – sie muss in einer klimaneutralen Welt auf nichts verzichten."

Vor allem, weil die Politik die Verantwortung dafür trägt, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass die klimafreundlichen Entscheidungen auch günstiger sind. Und einfacher.

Heute sei genau das Gegenteil der Fall, ereifert Joel sich. "Und das führt dazu, dass sich die untere Hälfte der Bevölkerung immer mehr Dinge nicht mehr leisten kann, während die Reichsten das Geld haben, teure Preise zu bezahlen – sich also freikaufen können."

Auf Sylt hat die Letzte Generation den Luxus-Laden Dior mit orangener Farbe besprüht.
Auf Sylt hat die Letzte Generation den Luxus-Laden Dior mit orangener Farbe besprüht. bild: IMAGO / localpic

Um bei dem Beispiel der Krankenpflegerin zu bleiben: Die energetische Sanierung ihrer Wohnung – also die Umstellung von beispielsweise einer Gasheizung auf eine Wärmepumpe – müsse finanziert werden.

"Wenn sie auf dem Land lebt, muss es ihr möglich sein, weiter mit dem Auto – einem E-Auto dann – rumzufahren. In den Städten brauchen wir besseren ÖPNV, sodass ein Auto dort überflüssig ist", sagt Joel. Und in den Italienurlaub würde sie in einer klimaneutralen Welt mit dem Nachtzug statt des Flugzeuges kommen. Er ergänzt: "Das wäre ja kein Verzicht. Heute ist der Zug aber viel teurer als das Flugzeug – da läuft offensichtlich etwas falsch."

Mehr Klimaschutz von der Gesellschaft für die Gesellschaft

Auch wenn die Aktivist:innen ihre Proteste in diesem Sommer vermehrt gegen Symbole des Reichtums richten, mit den Straßenblockaden wollen sie dennoch nicht aufhören. Denn dadurch könnten sie den "größten politischen Druck" ausüben. Joel sagt:

"Privatjets zu blockieren oder mit Farbe zu besprühen ist zwar richtig, löst aber keinen politischen Druck aus."

Auch ihre Forderungen ändern sich nicht. Es bleibt dabei, dass die Letzte Generation die Regierung unter anderem dazu auffordert, einen Gesellschaftsrat einzuberufen.

Dieser würde Entscheidungskompetenzen rund um das Thema Klimaschutz in die Hände zufällig ausgeloster Bürger:innen legen, die für die Entscheidungsfindung von wissenschaftlichen Gremien beraten würden. Die Absicht hinter dem Vorschlag: Wenn Gesetze und Klimaschutzmaßnahmen aus der Mitte der Gesellschaft entstehen, stoßen sie auch auf größeren Zuspruch.

Ein Aktivist der Letzten Generation fordert bei einer Straßenblockade die Einführung eines Gesellschaftsrates.
Ein Aktivist der Letzten Generation fordert bei einer Straßenblockade die Einführung eines Gesellschaftsrates.bild: jonas gehring

Dass dieses Konzept funktioniert, wurde etwa in Irland deutlich: Dort konnte mithilfe eines Bürgerrates die strenge Regelung, dass Abtreibungen in fast allen Fällen verboten sind, geändert werden. Die dortige Regierung hatte sich lange Zeit vor einer Entscheidung gedrückt – aus Angst, Wähler:innen zu verlieren. Stattdessen wurde eine zufällig ausgewählte "Citizen Assembly" einberufen, die dafür stimmte, das Gesetz zu verändern. Mit Erfolg: Der Wille des Volkes wurde umgesetzt.

Die Aktivist:innen der Letzten Generation sind davon überzeugt, dass dieser Erfolg in Deutschland wiederholt werden könnte. Und endlich schneller und effektiver Klimaschutz von der Gesellschaft für die Gesellschaft durchgesetzt werden könnte.

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