Rund zehn Milliarden Menschen werden Schätzungen zufolge im Jahr 2050 auf der Erde leben. Gleichzeitig sind Hunderttausende von Tier- und Pflanzenarten durch den täglichen Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln, durch die die Ernteerträge auf ein Maximum gesteigert werden sollen, vom Aussterben bedroht. Die globale Landwirtschaft stellt das vor eine große Herausforderung: Wie kann man die Menschen ernähren, ohne dabei der Natur zu schaden?
Das Julius-Kühn Institut (JKI) hat dafür in Zusammenarbeit mit Agrarwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Universität Hohenheim und der Georg-August-Universität Göttingen sowie mit wirtschaftlichen Unternehmen - unter anderem der John Deere GmbH - einen neuen Ansatz für nachhaltige Anbausysteme erarbeitet. Ihr Ziel: Ökologischen und konventionellen Landbau mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) sinnvoll zu vereinen.
Um das in ihrem gemeinsamen Projekt NaLamKI (Nachhaltige Landwirtschaft mittels Künstlicher Intelligenz) zu realisieren, setzen sie auf eine Landwirtschaft 4.0 - automatisierte und über Cloudservices vernetzte Technologien auf Basis biologischer Prinzipien. "Ein wichtiges Werkzeug dazu ist Künstliche Intelligenz, also selbstlernende Systeme, und auch die Data-Cube-Technologie“, erklärt Dr. Heike Gerighausen vom Forschungszentrum für Landwirtschaftliche Fernerkundung des JKI. Mit Data-Cubes werden in Cloudsystemen Daten dargestellt, die zu komplex sind, um durch eine Tabelle mit Spalten und Zeilen beschrieben zu werden – sie können innerhalb der Cloud viele weitere Dimensionen umfassen.
Dank Einbindung von Cloudtechnologie und Künstlicher Intelligenz können damit alternative Vorgehensweisen in mehreren Bereichen der Landwirtschaft in die Tat umgesetzt werden, zum Beispiel beim Düngen. Hier verzichten die Wissenschaftler vollständig auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln. Stattdessen nutzen sie mineralischen Dünger, um die Bodenfruchtbarkeit zur Erzeugung der erforderlichen Erträge zu gewährleisten.
Die gebietsweise benötigte Zusammensetzung des Mineraliendüngers basiert dabei auf den Auswertungen von Big Data, das großflächig durch Bodensensoren, Wetterstationen und landwirtschaftliche Maschinen gesammelt wird. Die Datenmengen werden dann in einer Cloud zusammengeführt und von einer KI ausgewertet. Wie das JKI in einem Pressestatement erklärt, könnten Landwirte den Mineraliendünger dadurch gezielt nur an bestimmten Stellen einsetzen, was Kosten einspare und zu weniger Umweltbelastung führe.
Auch Ingmar Wolff, Gründer vom Start-up heliopas.ai, betrachtet den Einsatz von KI in der Landwirtschaft als eine große Chance – vor allem mit Blick auf den Klimawandel. Sein Unternehmen entwickelt eine KI, die Landwirten dabei hilft, die Pflanzenbestände genauer großflächig zu überprüfen und Veränderungen schneller nachzuvollziehen.
"Über KI-basierte Satellitenbildanalysen können bereits heute wertvolle Feld- und Pflanzenparameter gewonnen werden. Das sind zum Beispiel die Erkennung der Biomasseentwicklung, Pflanzengesundheit, Bodenbeschaffenheit oder auch Bodenfeuchte", sagt Wolff.
Gerade jetzt, wo sich die Anbaubedingungen aufgrund des Klimawandels sehr stark verändern, könnten die durch KI erhobenen Ergebnisse in der Lebensmittelproduktion essenziell werden – und gleichzeitig realistische Alternativen zu Pestiziden aufstellen. Und somit die deutsche Landwirtschaft nachhaltiger gestalten.
(mcm)