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Waldbrand am Brocken: Flammen greifen auf Moor über – warum das fatal sein kann

ARKHANGELSK REGION, RUSSIA - SEPTEMBER 7, 2020: A view of Kirichmokh Moor at Vodlozersky National Park in the north of Russia. Spanning across a total area of 0.5 mln ha in Pudozhsky District of the R ...
50 Prozent der Moorflächen in Nord- und Mitteleuropa befinden sich in Nutzung. Bild: TASS / Ilya Timin
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Waldbrand am Brocken: Flammen greifen auf Moor über – gerade das ist fürs Klima wichtig

05.09.2022, 10:5805.09.2022, 11:29
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Seit Samstag brennt es unterhalb des Brockengipfels – bis zu 150 Hektar Wald stehen in Flammen. Trotz intensiver Löscharbeiten ist das Feuer auch weiterhin nicht unter Kontrolle. Landrat Thomas Balcerowski (CDU) hatte am Sonntagvormittag den Katastrophenfall ausgerufen.

Mittlerweile ist auch ein Moor von den Flammen betroffen. Ein weiterer Rückschlag im Kampf gegen die Klimakrise.

Denn Moore sind einzigartige Ökosysteme, die früher in ganz Nord- und Mitteleuropa verbreitet waren. In Deutschland machten sie ursprünglich mehr als vier Prozent der Gesamtfläche aus – heutzutage sind jedoch 95 Prozent der hiesigen Moore entwässert und in Nutzung. Teilweise werden die trockengelegten Flächen als Weideland genutzt, vor allem aber dienen sie dem Torfabbau.

Warum Moore unverzichtbare Kohlenstofflager – und damit essenziell für den Klimaschutz – sind, wie sie renaturiert werden und die Landwirte mit dem Flächenverlust umgehen können, hat watson für euch zusammengefasst.

Diese Moorlandschaft in Schleswig-Holstein wurde renaturiert.
Diese Moorlandschaft in Schleswig-Holstein wurde renaturiert.bild: imago

Warum sind Moore so wichtig für den Klimaschutz?

Moore sind eine natürliche Kohlenstoffsenke, sie speichern also emittierten Kohlenstoff – und zwar insgesamt doppelt so viel, wie alle Wälder der Welt zusammengenommen. Laut dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) enthält eine 15 Zentimeter mächtige Torfschicht auf gleicher Fläche in etwa so viel Kohlenstoff, wie ein 100-jähriger Wald. Somit haben Moore eine nicht zu unterschätzende klimakühlende Wirkung.

Aber: Um die Flächen besser nutzen zu können, wurden in Deutschland rund 95 Prozent der Moore trockengelegt. Bei der Trockenlegung oxidiert nicht nur der gespeicherte Kohlenstoff und entweicht als klimaschädigendes Kohlendioxid in die Atmosphäre. Insbesondere in nährstoffreichen Niedermooren entsteht außerdem Distickstoffmonoxid, also Lachgas.

Und das ist für die Erderwärmung 298 Mal schädlicher als CO2.

Sieben Prozent der Emissionen entstammen trockengelegten Mooren

Aus der ehemaligen Kohlenstoffsenke wird so ein CO2-Emittent – also ein Verursacher. Pro Hektar und Jahr werden durch trockengelegte Moore drei bis sechs Tonnen CO2-Äquivalente freigesetzt. Das entspricht dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausstoß von 2000 bis 4000 Personen.

Sieben Prozent der deutschen CO2-Emissionen entstammen allein aus trockengelegten Mooren. Damit ist Deutschland der größte Emittent von Treibhausgasen aus trockengelegten Mooren in der EU. Klimaforschende sind sich daher einig: Will Deutschland seine Klimaziele erreichen, müssen Moore großflächig renaturiert – also wiedervernässt – werden.

Wie können trockengelegte Moore renaturiert werden?

Idealerweise erfolgt die Wiedervernässung der Moore durch die Schaffung von Bedingungen, unter denen sich das Ökosystem von allein wieder erholen kann.

Alle Maßnahmen für die Renaturierung müssen moorspezifisch, also in Abhängigkeit von Klima, Wasserverfügbarkeit und Topographie vor Ort gewählt werden. Ziel ist es, dass die Moore in regenreichen Zeiten so viel Wasser speichern, dass sie in trockenen Zeiten auf Reserven zurückgreifen können. In den meisten Fällen spielt die Entwässerung nämlich eine Hauptrolle bei der Zerstörung von Mooren. Diese Entwässerung war allerdings nötig, um die Moore wirtschaftlich nutzen zu können.

Wie werden Moore wirtschaftlich genutzt?

Moore waren lange Zeit für Menschen nicht nutzbar, weder als Bau- oder Ackerland, noch als Weidefläche. Die Möglichkeit, Moorflächen trockenzulegen, stellte zunächst einen Gewinn für die Menschen dar. Viele Landwirte nutzen die entwässerten Gebiete als Weideland. Vor allem für den Torfabbau wurden die Moore jedoch benötigt. Früher wurde mit der lehmigen Erde geheizt, heute wird Torf vor allem für den Gemüseanbau genutzt.

38 Prozent der deutschen Moorflächen befinden sich in Niedersachsen

In Deutschland nimmt der industrielle Torfabbau zwar seit Jahren ab, gleichzeitig nimmt er im Baltikum aber zu. Vor allem beim industriellen Gemüseanbau kommt Torferde zum Einsatz und wird dafür teilweise durch ganz Europa transportiert. Der Vorteil von Torf gegenüber Kompost ist, dass er viele Nährstoffe enthält und gleichzeitig keimfrei ist. So müssen weniger Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen.

Rund 38 Prozent der deutschen Moorflächen und sogar 73 Prozent der Hochmoore befinden sich in Niedersachsen. Genauso wie 95 Prozent der Torfabbaugebiete.

Wie können Landwirte mit Flächenverlusten durch wiedervernässte Moore umgehen?

Bei der Fachtagung zum Thema Moor im Juli 2022 äußerten niedersächsische und bremische Landwirte ihre Sorgen. Niedersachsens Landvolkspräsident Holger Hennies warnte, dass Landwirte nicht "kalt enteignet" werden dürften. Er fürchtet, dass landwirtschaftliche Betriebe schleichend aus den Moorgebieten "heraus geekelt" werden könnten. In Niedersachsen seien circa 5000 bis 8000 Betriebe betroffen.

Lassen sich Moore auch nass landwirtschaftlich nutzen?

Die Wiederverwässerung der Moore stellt jedoch nicht das Ende der wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Nutzung dar. Moore sollen in Zukunft auch nass genutzt werden können. Dieses Konzept der nachhaltigen Nutzung von Mooren wird auch als Paludikultur bezeichnet. Diese sieht gleich mehrere Punkte vor, wie Moorflächen auch nass genutzt werden können.

  1. Aus der Biomasse von Gräsern und anderen Pflanzen kann mithilfe von Biogasanlagen Energie gewonnen werden.
  2. Es gibt Tiere, die auf den feuchten Moosflächen weiden. In Mecklenburg-Vorpommern kommen beispielsweise Wasserbüffel gut auf dem feuchten Terrain zurecht.
  3. Bestimmte Bäume, zum Beispiel Schwarzerlen, wachsen gut auf den feuchten Moorböden. Auch Forstwirtschaft ist also möglich.
  4. Schilf und Rohrkolben, die in moorigen Gebieten wachsen, können für Reetdächer oder als Dämmmaterial verwendet werden.

Auch Cem Özdemir schaute sich im Rahmen des Fachtags Zukunft Moor im Juli dieses Jahres Paludikulturen an. In diesem Fall werden auf den nassen Flächen Mutterkühe gehalten und Heu angebaut. Das Heu soll als nachwachsender Rohstoff für das klimaneutrale Bauen verwendet werden.

(Mit Material von dpa)

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