2022 war ein Rekord-Jahr für Energiekonzerne wie Shell, ExxonMobil, Chevron und TotalEnergies: Während die Verbraucher:innen unter hohen Preisen fürs Heizen und Tanken ächzten, verdiente sich die Ölindustrie im vergangenen Jahr eine goldene Nase. Milliardengewinne – eingefahren auf dem Rücken der Menschen.
Der Grund: Die infolge des Ukraine-Kriegs in die Höhe geschossenen Öl- und Gaspreise sorgten für horrende Gewinne bei den sogenannten "Big Five" in der Energiebranche.
Womit hängt es zusammen, dass die Ölkonzerne in einem Jahr der multiplen Krisen Rekordgewinne eingefahren haben? Und was bedeutet das für uns Menschen – und die Klimakrise? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen hat watson für euch recherchiert.
Entscheidend für die horrenden Gewinne der Firmen waren die gestiegenen Energiepreise. Der Preisschock durch Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine machte Rohöl im Frühjahr so teuer wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Zeitweise kostete das Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent knapp 140 Dollar. Allerdings fiel der Preis auch nach einiger Zeit wieder, derzeit liegt das Barrel bei etwa 80 Dollar.
Die hohen Energiepreise sind aber nicht der einzige Grund für die Mega-Profite. Auch niedrige Produktionskosten sind ein wichtiger Faktor. So hat die Branche teure Förderanlagen wegen des Nachfrageeinbruchs in der Pandemie stillgelegt und noch nicht wieder vollständig in Betrieb genommen. Und das, obwohl die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Krise den weltweiten Ölbedarf wieder erhöht hat und das Angebot durch den Ukraine-Krieg und Sanktionen gegen Russland beschränkt wurde.
Dass in Zeiten hoher Inflation und steigender Leitzinsen, vor allem aber auch der globalen Erwärmung und Klimakrisen ausgerechnet der Öl- und Rohstoffsektor gestärkt aus der Krise hervorgeht, sorgt bei vielen Menschen für Empörung.
Immerhin gehören Unternehmen wie ExxonMobil, BP und Shell zu jenen 20 Unternehmen, die zusammen für ein Drittel der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich sind. Sie zählen also zu den größten Treibern der Klimakrise.
Dazu kommt noch: Erst kürzlich wurde öffentlich, dass Ölkonzerne den Klimawandel bereits seit den 1970er-Jahren erforschten – mit beachtlichen Ergebnissen. Die von ExxonMobil und anderen Ölkonzernen in Auftrag gegebenen Prognosen sagten die heutige Erderhitzung sehr genau voraus. Doch anstatt Verantwortung für ihren horrenden CO₂-Ausstoß zu übernehmen, vertuschten sie die Ergebnisse aus ihrer Klimaforschung mit dreisten Lügen.
Die daraus resultierenden Folgen machen sich heute in zahlreichen Krisen überall auf der Welt bemerkbar.
Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, und die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu beschränken, ist ein grundlegender Systemwandel notwendig. Einer der wichtigsten Hebel dafür ist unter anderem die Energiewende – weg von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas, hin zu den Erneuerbaren Wind, Solar und Wasser.
Für die Begrenzung der weltweiten Erhitzung auf zwei Grad ist die derzeit geplante Fördermenge an Kohle, Öl und Gas bis 2030 um rund 50 Prozent zu hoch, zur Begrenzung auf 1,5 Grad gar um 120 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt der "Production Gap Report", der von führenden Forschungseinrichtungen in Zusammenarbeit mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen erarbeitet wurde.
Der Druck, die Energiewende zu schaffen, ist also hoch. Auch und vor allem, weil sich die EU zum Ziel erklärt hat, bis zum Jahr 2050 kein klimaschädliches CO₂ mehr auszustoßen. Europäische Ölkonzerne wie etwa Shell und BP suchen daher nach Alternativen und investieren beispielsweise in Offshore-Windkraft zur Erzeugung von grünem Wasserstoff.
Anders sieht das in den USA aus: Öl-Riesen wie etwa Chevron haben in diesem Jahr sogar ihr Milliarden-Budget erhöht, um neue Öl- und Gasfelder zu erschließen.
Der Großteil der horrenden Gewinne der "Big Five" in Höhe von rund 30 Milliarden Euro fließt allerdings in Aktien-Rückkaufprogramme, das letztlich Aktionär:innen zugutekommt.
Zur Energiewende trägt dieser Vorgang ganz sicher nicht bei.
Im Oktober bezeichnete US-Präsident Joe Biden Unternehmen wie Exxon öffentlich als "Kriegsgewinner", die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkämen. Die Verbalattacke erfolgte bereits im US-Wahlkampf, zeigt jedoch, wie sehr die Branche die Gemüter erhitzt. So kündigte Biden etwa an, Optionen prüfen zu lassen, um die Ölindustrie in die Pflicht zu nehmen.
Europa war da schon einen Schritt weiter. Die EU beschloss im September 2022, die horrenden Profite von Energiefirmen mit einer sogenannten Übergewinnsteuer zu belegen. Für die Wirtschaftsjahre 2022 und 2023, in denen der Durchschnittsgewinn der Konzerne im Vergleich zu den Vorjahren um 20 Prozent gestiegen ist, müssen die Firmen 33 Prozent Steuern auf ihre Gewinne zahlen.
Mit dem Geld aus der Übergewinnsteuer sollen Entlastungen für Bürger:innen und Firmen finanziert werden. Allerdings hat Exxon bereits angekündigt, die Steuer juristisch anfechten zu wollen.
Einzelne Konzerne verdienen meist zu wenig, um das globale Öl-Angebot stark beeinflussen zu können. Preismacht hat dadurch vor allem die Öl-Allianz "Opec+". Der Einfluss des von dem großen Förderstaat Saudi-Arabien angeführten Kartells, das 2016 um zehn Nicht-Opec-Länder – darunter Russland – erweitert wurde, ist mit einem weltweiten Marktanteil von etwa 40 Prozent erheblich.
Entscheidend ist zudem der weltweite Ölbedarf, der von der Konjunktur abhängt. So mussten die Konzerne während der Wirtschaftsflaute in der Corona-Krise zeitweise weit unter ihren Produktionskosten verkaufen. Im Jahr 2020 machte Exxon so 22,4 Milliarden Dollar Verlust. Daher sehen sich die Konzerne auch zu Unrecht an den Pranger gestellt.
(Mit Material der dpa)