Bei den Gastronomen Großbritanniens schrillen derzeit alle Alarmglocken. Denn kurz vor der Weihnachtszeit droht in britischen Wirtshäusern und Bars ein unerwarteter Engpass. Die Lage ist denkbar ernst. Denn mehrere Irish Pubs in England, Schottland und Wales mussten in den letzten Tagen berichten, dass ihre Guinness-Vorräte erschöpft sind.
Für das beliebte irische Dunkelbier wird dabei ein Segen zum Fluch. Denn der Grund für den Mangel ist eine von Guinness-Hersteller Diageo verhängte Lieferbegrenzung, die aufgrund "außergewöhnlicher Konsumentennachfrage" eingeführt wurde. Die Maßnahme gilt ausschließlich für Großbritannien und nicht für Irland, wo Guinness einer kulturellen Ikone gleicht.
Für viele Pubs ist Guinness ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Angebots – und die Knappheit trifft einige Betreiber besonders hart. Im Liverpooler Irish Pub "The Liffey", in dem Guinness üblicherweise das meistverkaufte Getränk ist, waren die Fässer bereits am Mittwoch aufgebraucht, wie die Londoner Zeitung "The Sunday Times" recherchierte.
Besitzer Steven Crosbie schilderte die Herausforderungen eindrücklich: "Es ist ein einziges Chaos im Moment und ruiniert mein Geschäft." Normalerweise erhält er wöchentlich zwölf 50-Liter-Fässer. In der vergangenen Woche war jedoch nur eines verfügbar – und selbst die nächste Lieferung bleibt ungewiss.
Auch größere Pub-Ketten wie "Katie O'Brien's" spüren die Folgen. In ihren Filialen in Durham und Leicester sei Guinness zwei Tage lang nicht verfügbar gewesen. Shaun Jenkinson, Betriebsleiter der Kette, erklärte, dass die Nachfrage bisher keinen starken Einfluss auf die Gesamtumsätze hatte. Dennoch musste das Team improvisieren und Bestellungen in täglichen Zeitfenstern organisieren, um das Schlimmste zu vermeiden.
Einige Pubs versuchen, die Situation mit Humor und Einfallsreichtum zu meistern. Kate Davidson, Besitzerin des Old Ivy House in London, führte eine Art "Rationskarte" für ihre Gäste ein: Guinness wird nur serviert, wenn dazu mindestens zwei andere Getränke gekauft werden.
"Es ist ein kleines Gesprächsthema geworden", gibt Davidson zu. Trotz der Einschränkungen bleibt sie optimistisch, dass ihre Kundschaft andere Getränke als Alternativen akzeptieren wird.
Andere Betriebe wie das Marquis in Covent Garden hatten ebenfalls kurzfristige Lieferprobleme, konnten jedoch nach einer Nacht ohne Guinness wieder beliefert werden.
Die von Diageo eingeführte Rationierung zielt darauf ab, Hamsterkäufe in der Vorweihnachtszeit zu vermeiden. Das Unternehmen erklärte, man habe die Lieferkapazitäten maximiert und arbeite eng mit Kunden zusammen, um eine möglichst effiziente Verteilung sicherzustellen.
Die Nachfrage nach Guinness ist in Großbritannien in den letzten Monaten stark gestiegen. Laut dem Marktforschungsunternehmen CGA wuchs der Konsum von Guinness-Fassbier zwischen Juli und Oktober um über 20 Prozent, während der Bierkonsum insgesamt leicht zurückging. Beobachter führen diesen Trend teilweise auf den Einfluss von Social-Media-"Guinnfluencern" zurück, die das Getränk bei Frauen und jungen Leuten populär gemacht haben.
Bierknappheit ist im Vereinigten Königreich selten, doch die aktuelle Krise trifft die Pub-Branche zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Nach pandemiebedingten Rückschlägen und steigenden Betriebskosten setzen viele Betreiber auf das Weihnachtsgeschäft, um ihre Umsätze zu stabilisieren. Für Pubs wie das "Liffey" stellt die Guinness-Knappheit daher nicht nur ein logistisches Problem, sondern auch eine wirtschaftliche Belastung dar.
Ob sich die Liefersituation rechtzeitig vor den Feiertagen entspannt, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch: Für viele Briten gehört ein Pint Guinness zur Weihnachtszeit wie Plätzchen und Tannenbaum – und das Warten auf Nachschub wird in den betroffenen Pubs sehnsüchtig verfolgt.