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United-Healthcare-CEO erschossen: Woher kommt der Hype um den Tatverdächtigen?

Das soll der mutmaßliche Schütze sein.
Das soll der mutmaßliche Schütze sein.Bild: NYPD / via REUTERS
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Mord an United-Healthcare-Chef – Tatverdächtiger gefasst: Was steckt hinter dem Fall?

10.12.2024, 09:52
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Es war Mittwochmorgen (4. Dezember), als Brian Thompson vor einem großen New Yorker Hotel hinterrücks erschossen wurde. Der Chef des Versicherungsunternehmens United Healthcare starb noch vor Ort. Die Polizei konnte kürzlich einen Verdächtigen fassen: den 26-jährigen Luigi M.

Während Schlagzeilen die Schwere des Falls zum Thema machen, handelt es sich doch um Mord auf offener Straße, findet online mitunter auch eine Heroisierung des mutmaßlichen Täters statt. Einige Social-Media-User:innen heißen den Mord gut, begründen das mit dem umstrittenen Geschäftsgebaren des Unternehmens.

Die Sympathiebekundungen gipfelten sogar in einem absurden Lookalike-Contest. Was ist da los? Was ist über das Motiv des Täters bekannt? Und was hat es mit dem Hype auf sich?

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Wer ist der Verdächtige?

Nicht einmal eine Woche hat es gedauert, bis Ermittler:innen mit Luigi M. einen Verdächtigen ausmachen konnten. Sie haben den Mann im Bundesstaat Pennsylvania festgenommen. Noch am Abend der Festnahme führte die Polizei ihn vor Gericht vor, wo ihm die Anklage verlesen wurde. Sie lautet Mord. Angeklagt wird er auch wegen des unrechtmäßigen Besitzes einer geladenen Schusswaffe sowie eines Schalldämpfers.

Ein Zeugenhinweis führte zu ihm. Ermittler:innen fanden ihn in einer McDonald's-Filiale der Stadt Altoona. Seine Waffe habe er möglicherweise mithilfe eines 3D-Druckers hergestellt, mutmaßen die Beamt:innen. Der Verdächtige passe "auf die Beschreibung der Person, nach der wir gesucht haben", sagte der New Yorker Bürgermeister Eric Adams. "Außerdem ist er im Besitz mehrerer Gegenstände, von denen wir glauben, dass sie ihn mit diesem Vorfall in Verbindung bringen."

Was steckt hinter dem Mord an Brian Thompson?

Der mutmaßliche Täter trug bei der Verhaftung ein handgeschriebenes Manifest bei sich, schreibt die "Dailymail". Die Zeitung hat auch Informationen über den Inhalt des Manifests. In dem drei Seiten langen Dokument greife der Autor die Gesundheitsbranche dafür an, dass sie angeblich Profite über Patienten stelle.

"Diese Parasiten haben es verdient", heiße es darin laut einem hochrangigen Polizeibeamten, der das Dokument gesehen hat. Weiter hieß es: "Ich entschuldige mich für jeglichen Streit und jedes Trauma, aber es musste getan werden."

Nach dem Mord fand die Polizei um den Tatort zudem Patronenhülsen mit Inschriften, die Anlass zu Spekulation bieten.

Darauf standen die Worte: "deny", "defend" und "depose", also leugnen, verteidigen und loswerden. 2010 erschien ein Buch mit dem Titel "Delay Deny Defend", welches sich kritisch mit der Praxis von Versicherungsunternehmen auseinandersetzt. So analysiert es, wie Zahlungen an Patient:innen zurückgehalten und Ansprüche verweigert werden.

United Healthcare, mit 48 Millionen Kund:innen einer der größten US-Versicherer, wird immer wieder vorgeworfen, bei Behandlungen nicht die Kosten zu übernehmen oder Zahlungen im Nachhinein zu verweigern – auch bei lebensnotwendigen Behandlungen. Thompson selbst arbeitete 20 Jahre bei dem Unternehmen, bekam auch Drohungen, wie seine Frau dem Sender "NBC" erzählte.

Hinsichtlich des Hintergrunds deuten viele Social-Media-User:innen den Fall als großes Heldenepos, der Täter wird darin zum Dunklen Rächer, ein Kämpfer für die Gerechtigkeit. Kurz nach Thompsons Tod setzt United Healthcare einen Beileidspost auf mehreren Social-Media-Plattformen ab. 79.000 Nutzer:innen reagierten bei Facebook – mehr als 73.500 mit einem lachenden Emoji. Nachdem der mutmaßliche Täter gefasst wurde, stürmten Zehntausende sein X-Profil, schreibt "TMZ". Die Begeisterung lässt nicht nach.

Die offizielle Stellungnahme der United Health Group auf Facebook.
Die offizielle Stellungnahme der United Health Group auf Facebook. Bild: facebook

Online-Nutzer zeigen sich begeistert

Alex Goldenberg, Experte für Drohungen im Internet am Network Contagion Research Institute, untersuchte die Reaktionen zu dem Mord auf der Plattform X. Sechs der zehn erfolgreichsten Post zu dem Angriff drückten Unterstützung für die Tat aus oder verunglimpften das Opfer.

Goldenberg sagt gegenüber der "New York Times", der Mord werde als "eine Art Startschuss für einen größeren Klassenkampf" dargestellt. Es ist seine Interpretation. Fakt ist, dass viele den Mord gutheißen aufgrund des Geschäftsgebarens des Unternehmens.

Aktuell läuft ein Gerichtsverfahren gegen mehrere Versicherer, United Healthcare befindet sich unter ihnen. Der Vorwurf: das Unternehmen habe eine KI genutzt, die über die Anträge der Patient:innen entschieden hat. Diese hatte eine Fehlerquote von 90 Prozent. Wider besseres Wissen kam diese dennoch zum Einsatz. Es gab eine hohe Ablehnungsquote, was die Kosten für United Healthcare senkte.

Insofern bekommt der Fall Thompson eine starke emotionale Aufladung. Eine Heroisierung des Täters wirkt da fast naheliegend, wenngleich dieser die systemimmanenten Probleme mit einem Mord nicht löst. Eine absurde Note bekommt der Heldenkult wegen eines Lookalike-Contests. Menschen verkleiden sich als der mutmaßliche Täter, dessen Bilder kurz nach dem Mord online die Runde machten, "Dailymail" berichtete.

Der Jubel um den Tatverdächtigen dürfte vorerst nicht verstummen. Auch wenn er bisher nicht schuldig gesprochen ist, die Heldenrolle ist fürs Erste übergestülpt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Verhandlungen noch entwickeln und welche Reaktionen folgen.

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