Das Jahr 2023 ist aktuell noch nicht das von Eintracht Frankfurt. 2022 sorgten die Hessen mit ihrem Europa-League-Sieg und dem Einzug ins Champions-League-Achtelfinale noch für eine unglaubliche Euphorie rund um den Klub. Aktuell herrscht Tristesse.
Seit neun Bundesliga-Spielen ist die SGE sieglos, den letzten Dreier konnten sie am 18. Februar gegen Bremen holen. Danach gab es lediglich einen weiteren Erfolg: den Sieg im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Union Berlin Anfang April.
Gelingt der Eintracht nun am Mittwochabend im Halbfinale gegen den VfB Stuttgart der nächste Finaleinzug nach dem Triumph 2018, könnte das Jahr jedoch noch eine positive Note bekommen. Wenn man die Frankfurter in den vergangenen Wochen jedoch auf dem Platz gesehen hat, fragen sich Beobachter und Anhänger, wie das funktionieren soll. Die Offensive ist völlig außer Form, die Abwehr fehleranfällig und unkonzentriert.
Martin Daxl, Potenzial- und Persönlichkeitstrainer bei der SGE, hatte bereits im Januar eine Vorahnung, warum die Rückrunde der Eintracht deutlich holpriger werden könnte, als das Erfolgsjahr 2022.
"Wir haben in der Hinrunde performt und tolle Ergebnisse erzielt. Aber das ist Geschichte, Fußball ist ein Tagesgeschäft. Die unterbewusste Erwartungshaltung könnte ein Störfaktor sein", sagte er im vereinseigenen Podcast "Eintracht vom Main".
Obwohl Daxl keinerlei Einfluss auf die sportlichen Entscheidungen von Trainer Oliver Glasner hat, hat er im Hintergrund einen großen Anteil am Erfolg des vergangenen Jahres.
Sportvorstand Markus Krösche holte Daxl im Sommer 2021 als Potenzial- und Persönlichkeitstrainer zur Eintracht. Er kannte den 62-Jährigen aus ihrer gemeinsamen Zeit beim SC Paderborn als Krösche dort noch als Spieler aktiv war. Daxl zog es zwischenzeitlich auch zur TSG Hoffenheim und zum Hamburger SV, ehe ihn Krösche bei seinem Amtsantritt 2021 zu den Hessen lotste.
Im Umgang mit den Spielern gehe es laut eigenen Aussagen darum, "was ich maximal noch besser machen kann, was stört mich und wie kriege ich das umgesetzt?"
Auf den Alltag übersetzt bedeutet das grob gesagt: Die Stars der Eintracht sollen den Spaß am Fußball nicht verlieren, denn ohne könne kein Spieler die maximale Qualität erreichen. Daxl sagte im Vereinspodcast: "Die Quelle der Leichtigkeit ist der Spaß. Wenn wir uns freuen, haben wir eine andere Handlungsgeschwindigkeit, eine andere Mimik und Gestik."
Einen konkreten Plan hat er sich dafür nicht erarbeitet. Bei Neuzugängen gebe es Einzelgespräche oder eine Präsentation für eine größere Gruppe, "damit sie wissen, dass ich nicht der Greenkeeper bin." Stattdessen ist er drei bis vier Tage die Woche und während der Spiele bei der Mannschaft.
In Rücksprache mit Trainer Glasner führe er dann auf dem Platz oder bei einem Spaziergang Gespräche mit den Spielern für das Reflexionscoaching. Dort gehe es vor allem darum, den Spielern Feedback für ihr menschliches Verhalten in bestimmten Situationen zu geben.
Einer seiner Leitsätze an die Spieler ist dabei: "Immer im Plus bleiben." Das würde im Spitzensport bedeuten, immer an seine Stärken zu denken, während des Spiels bei sich zu bleiben und "meinem Mitspieler sagen: 'Das war ein guter Ball, den nächsten machst du noch besser'."
Alles zu analysieren und nur zu sagen, was nicht gut lief, sei laut Daxl nicht zielführend.
Wirklich viele gute Bälle gab es in den vergangenen Wochen bei der Eintracht aber nicht zu bestaunen. "Uns gelingt es nicht, derzeit unsere Offensivspieler in glasklare Abschlusspositionen zu bringen", sagte Trainer Oliver Glasner nach dem ernüchternden 1:1 gegen den FC Augsburg am Samstag.
Dennoch zeigte er auf der Pressekonferenz vor dem Stuttgart-Spiel große Vorfreude auf das Halbfinale, auch die Stimmung im Team sei gut. Der Euro-League-Sieg 2022 und der Pokaltriumph 2018 hätten sich bei den Spielern im Herzen eingeprägt. "Wenn man das miterlebt hat, macht es einen schon etwas süchtig", erklärte Glasner.
Nachfragen zu seiner Zukunft schmetterte er hingegen ab. "Vor zwei Wochen ist noch gesagt worden, dass ich zu Real Madrid oder dem FC Chelsea gehe, und nun musste ich beantworten, ob ich Angst habe, dass ich Frankfurt-Trainer bleibe." Das sei nicht nachvollziehbar. Auch Platz neun in der Liga sei kein "Volldesaster".
Doch nicht nur die Zukunft des Trainers wurde in den vergangenen Wochen diskutiert, sondern auch die von zahlreichen Spielern. Die Gerüchte nerven Daxl, da sie sich negativ auf die Leistungen der Spieler auswirken können.
Bei der Eintracht ist bisher lediglich offiziell klar, dass Daichi Kamada den Verein im Sommer verlassen wird. Zusätzlich gelten jedoch Evan N'Dicka, Djibril Sow, Jesper Lindström und allen voran Stürmerstar Randal Kolo Muani immer wieder als Wechselkandidaten. Sie werden fast wöchentlich mit Top-Klubs in Verbindung gebracht.
Das könnte mit ein Grund für den Leistungseinbruch der Eintracht in der Rückrunde sein. Bereits im Wintertransferfenster erklärte Daxl den Einfluss auf Spieler, die sich mit Wechselgerüchten konfrontiert sehen:
Optimal wäre es, wenn der jeweilige Spieler mit seinem Berater einen festen Termin ausmache, an dem er sich konkrete Gedanken zu seiner Zukunft macht. Ein konkretes Datum und eine Uhrzeit seien wichtig für das Unterbewusstsein, damit die Zukunftsfragen, die man in dem Moment sowieso nicht beantworten könne, keine Energie verschwenden würden.
Einen festen Tag gibt es aber bereits für das Pokal-Finale in Berlin: der 3. Juni um 20 Uhr. Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann appelliert daher an seine Mannschaft: "Es ist klar und notwendig, dass wir uns rechtzeitig straffen und diese riesige Chance erkennen, auch die Spieler."
Mit einem Sieg würde sich die Eintracht wieder für das internationale Geschäft qualifizieren – ein Ziel, dass sie durch ihre schlechten Leistungen in der Bundesliga wohl verpassen werden.
"Die Kompetenz im Umgang mit der Niederlage ist für mich der nächste Schritt zum großen Sieg. Das wird für mich unter der Führung vom Oli im gesamten Trainerteam hervorragend umgesetzt", lobte Daxl Trainer Glasner bereits im Winter.
Nach den Enttäuschungen der vergangenen Wochen sollte es diesen großen Sieg am besten am Mittwochabend und anschließend nochmal Anfang Juni im Berliner Olympiastadion geben.