Die Begeisterung im vergangenen Sommer war riesig. Der FC Bayern hatte zwar Robert Lewandowski zum FC Barcelona gehen lassen, doch verstärkte sich mit Sadio Mané vom FC Liverpool. An der Säbener Straße wurde über einen "Weltstar" frohlockt, der nun statt Lewandowski die wichtigen Tore erzielen sollte.
Ähnlich groß war die Begeisterung, als die Münchner zum Ende der Transferphase im Winter João Cancelo per Leihe von Manchester City holten. Als absoluter Wunschspieler von Julian Nagelsmann geholt, sollte er die rechte Seite vor allem in der Offensive mit seinen Flanken beleben und für Flexibilität im Spielaufbau sorgen.
Der Anfang lief bei beiden gut. Mané traf in den ersten drei Spielen dreimal. Cancelo stand nur wenige Stunden nach seiner Verpflichtung im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Mainz in der Startelf und bereitete direkt einen Treffer vor.
Doch die Euphorie um die beiden Top-Spieler, die aus der Premier League nach München kamen, ist mittlerweile verflogen. Julian Nagelsmann wechselte Cancelo zwei Partien lang gar nicht ein und begründete das mit taktischen Mängeln. Mané verletzte sich Mitte November am Wadenbeinköpfchen und fiel drei Monate aus.
Beide haben in München noch nicht zu ihrer Form gefunden, was Neu-Trainer Thomas Tuchel vor dem DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den SC Freiburg am Dienstagabend vor einige Probleme stellt.
Denn Tuchel ist sich der aktuellen Lage der Münchner bewusst. Das K.O.-Spiel gegen Freiburg muss gewonnen werden, um weiterhin Chancen auf den DFB-Pokalsieg zu haben. Auch das direkte Liga-Duell gegen die Breisgauer am Samstag darf nicht verloren werden, sonst könnte der BVB in der Tabelle wieder vorbeiziehen. "Unsere Ausgangslage in der Bundesliga erlaubt uns nicht, da irgendwas zu managen", sagte Tuchel auf der Pressekonferenz am Montag.
Dabei ist es offensichtlich, wie sehr die vermeintlichen Top-Stars Cancelo und Mané mit ihren Rollen als Einwechselspieler fremdeln.
Schon unter Nagelsmann hatte Angreifer Mané nicht immer eine große Bindung zum Spiel, kam bis zu seiner Verletzung in insgesamt 29 Spielen aber auf elf Treffer. Gegen den BVB wurde er nach 70 Minuten eingewechselt, hatte jedoch keine auffällige Aktion.
"Er sucht sich beim FC Bayern immer noch selbst", musste auch Vorstandsboss Oliver Kahn am Sonntagabend beim Fußball-Talk "Sky90" feststellen. Und meint, den Grund zu kennen: "Wie jeder Spieler in diesem Kader ist er in einer Konkurrenzsituation. Das kennt er so nicht." Das bezog Kahn auf die Qualitäten auf der Außenbahn und im Sturmzentrum, für das Mané eigentlicht geholt wurde.
Aber dort brilliert seit Wochen Eric Maxim Choupo-Moting. Er steht mittlerweile bei 17 Toren in 27 Pflichtspielen. Werte, die man sich von Mané erhofft hatte.
Nach Tuchels Stationen bei Paris Saint-Germain und dem FC Chelsea ist der Umgang mit solchen "Weltstars", die laut Oliver Kahn viel Zuspruch brauchen, für den neuen Bayern-Trainer keine Seltenheit mehr.
Daher hat Tuchel eine etwas andere Erklärung, warum es bei Mané aktuell nicht läuft:
Das Potenzial des 30-Jährigen stünde laut Tuchel außer Frage. Was es jetzt braucht, seien Vertrauen und Geduld, um in einen Flow zu kommen: "Meist geht es mit einem Tor. Da sind wir gerade dran, es ist eine Frage der Zeit."
Das funktioniert jedoch nur, wenn er spielt. Doch Experimente oder formschwache Spieler kann der Neu-Coach aktuell nicht von Anfang an spielen lassen.
Für den portugiesischen Außenverteidiger João Cancelo hatte Tuchel emotionalere Worte parat, die an Pep Guardiolas Zeit beim FC Bayern erinnerten. "Ich liebe Cancelo. Ich liebe João", sagte der Bayern-Coach euphorisiert am Montag.
Ähnliche Worte hatte Guardiola in seiner Zeit in München gewählt, um über seinen damaligen Verteidiger Danté zu sprechen. Er wünschte sich den Brasilianer sogar tausendmal im Team – nur um ihn wenige Tage nach der Aussage zu verkaufen.
Ganz so dramatisch ist die Lage bei Cancelo aus Bayern-Sicht nicht, zumal er von Manchester City ausgeliehen ist. Dennoch versteckt der 28-Jährige seine Unzufriedenheit nicht. Im Top-Spiel gegen den BVB wurde er gemeinsam mit Mané eingewechselt, verschwand jedoch direkt nach Abpfiff in der Kabine, statt mit dem Team und den Fans zu feiern.
"Das sind die Emotionen nach dem Spiel. Das ist kein Problem. Es ist normal für einen Spieler, dass er enttäuscht ist, wenn er nicht spielt", versuchte Sportvorstand Hasan Salihamidžić noch am Samstagabend zu beschwichtigen. "Er wird seine Spielzeit bekommen."
Das verdeutlichte Tuchel auch am Montagmittag und geriet bei Cancelos Qualitäten ins Schwärmen: "Er besitzt höchste individuelle Qualität im Spielverständnis, im linken Fuß, im rechten Fuß, im Passspiel und in der Kreativität. Das ist ganz außergewöhnlich."
Zudem lobte er Cancelos vielseitige Einsetzbarkeit auf der rechten und linken Abwehrseite und vor der Abwehr. "Die absolute Stärke ist die Präzision beim Flanken, die Präzision beim Flugball und der Torabschluss", führte Tuchel aus.
Doch ähnlich wie bei Mané will Tuchel auch Cancelo noch Zeit zur Anpassung geben. Schließlich seien die Prinzipien, die Trainingsintensität, die Sprache, das Spielsystem und die Mitspieler anders als bei Manchester City.
"Man wünscht sich immer, dass es klickt, und manchmal schaut es am Anfang so aus, als hätte es schon geklickt, aber dann ist es plötzlich nochmal ein bisschen zäh. Das ist absolut normal. Wir werden ihn bald brauchen", ist sich Tuchel sicher.