Wer weiß, ob David Alaba ohne Pep Guardiola überhaupt in diesem Champions-League-Halbfinale stehen würde.
Es ist gut möglich, dass Alaba ohne Guardiolas Einfluss im Viertelfinale mit dem FC Bayern München am FC Villarreal gescheitert wäre, anstatt am Dienstagabend nun im Halbfinale der Königsklasse mit Real Madrid auf Manchester City zu treffen.
Für David Alaba ist die Partie im Etihad ein Wiedersehen mit seinem alten Coach und Förderer. Am Dienstagabend gastiert Real Madrid bei Manchester City, dabei wird Alaba auf Guardiola treffen, seinen ehemaligen Trainer beim FC Bayern München.
Guardiola hatte an Alabas Karriereentwicklung entscheidenden Anteil – und somit sicherlich auch an seinem Wechsel im vergangenen Sommer vom FC Bayern München zu Real Madrid. Dem Verein, bei dem er in dieser Saison so auftritt, als hätte er schon viele lange Jahre das weiße Trikot des spanischen Rekordmeisters getragen.
Denn Pep Guardiola war es, der David Alaba im Herbst 2014 als Innenverteidiger aufstellte. Davor spielte das österreichische Bayern-Eigengewächs erst im zentralen Mittelfeld, wurde später als Linksverteidiger eingesetzt – bis ihn Guardiola vor allem aus der Not heraus bei den Bayern als Innenverteidiger aufstellte. Peps FC Bayern hatte Probleme in der Innenverteidigung, der katalanische Mastermind musste improvisieren – er machte aus der Not eine Tugend und aus Linksverteidiger Alaba einen Innenverteidiger von Weltformat. Damit veränderte Guardiolas Alabas gesamte Karriere – bis hin zum Wechsel nach Madrid.
Guardiola sei "sehr wichtig" für ihn gewesen und habe ihn "auf ein neues Level gehoben", sagte Alaba vor einiger Zeit im Interview mit dem Fußballmagazin "FourFourTwo". "Er ist schnell, kann gut aufbauen, ist immer hundertprozentig konzentriert", konstatierte Guardiola über Alaba zu dieser Zeit, erklärte damit die Umfunktionierung des Österreichers und prophezeite schon damals: "Er kann ohne Zweifel einer der besten Innenverteidiger der Welt werden." Nun spielt Alaba bei Real Madrid: als etatmäßiger Innenverteidiger.
Just als solcher wurde er im Sommer auch geholt, um eine riesengroße Lücke einer Vereins-Ikone bei den Madrilenen zu füllen. Sergio Ramos, Real Madrids legendärer und berühmt-berüchtigter Innenverteidiger mit der Nummer 4, war im Sommer zu PSG abgewandert, weil ihm die Pariser einen lukrativen und längeren Vertrag als die Königlichen anboten. Alaba ist nun Ramos' Nachfolger. Nicht nur auf dessen Position, sondern auch mit dessen Nummer auf dem Rücken seines Trikots – der 4.
"Was die Rückennummer betrifft, wollte ich meine 27 haben", verriet Alaba in einem Interview mit der österreichischen Zeitung "Kurier" unlängst. "Aber in Spanien haben die Profis die Nummern 1 bis 25. Zum einen waren keine anderen Nummern mehr frei, zum anderen wollte auch der Verein, dass ich die Nummer 4 trage. Sie hat eine spezielle Geschichte im Klub. Vor Ramos hatte sie Fernando Hierro, beide waren Kapitän. Ich trage sie mit Stolz und sehe es als zusätzlichen Ansporn. Dass die Erwartungen damit nicht schmäler werden, war mir bewusst", sagt Alaba über sein Ramos-Erbe.
Die Erwartungshaltung der Madrilenen war also sicherlich enorm, doch Alaba hat diese mehr als erfüllt. In seinem ersten Clásico gegen den Erzrivalen FC Barcelona schoss er sogar ein Tor, es war das wichtige 1:0 beim 2:1-Auswärtssieg in der Hinrunde im Camp Nou. Ein wunderschöner Distanzschuss ins lange Eck, bei dem Alaba zeigte, dass eben weit mehr in ihm steckt als nur ein gewöhnlicher Innenverteidiger.
Denn genau das ist er als umgeschulter Mittelfeld- und Außenbahnspieler gerade nicht und das macht ihn auch so wichtig für Real Madrid. Seine spielerische Stärke war sicherlich auch ein Hauptgrund, warum ihn die Blancos ablösefrei von den Bayern holten, um ihn zum Abwehrchef ihrer Defensive zu machen. Alaba ist mit seiner Spielintelligenz und Passstärke enorm wichtig für das Aufbauspiel der Madrilenen, die neben respektive hinter Barça traditionell den höchsten Ballbesitz der spanischen Liga haben (60 Prozent).
Alaba ist zumeist erster Aufbauspieler aus der Abwehr heraus – und dabei eine sichere Bank. Nur Regisseur und Pass-Maschine Toni Kroos (95 Prozent) hat eine bessere Passquote als Alaba (93 Prozent) vorzuweisen. Doch Alaba bringt natürlich auch andere Qualitäten mit – Routine, Fußball-IQ und Führungsqualitäten. Diese setzt er nun nicht mehr für die Bayern ein, sondern für die Blancos – was der frisch gebackene deutsche Meister gerade in der Champions League beim Knockout gegen Villarreal bitter vermisst haben dürfte.
"Beruflich gesehen habe ich im Klub und in der Mannschaft ein Standing gehabt, bin zu einem Führungsspieler gereift", hatte Alaba im Winter dem Kurier über seine Zeit beim FC Bayern gesagt. Als Neuzugang habe er sich bei Real Madrid daher natürlich "irgendwo anpassen" müssen.
Die Führungsspieler bei Real, das sind eigentlich andere – beispielsweise Mittelfeldabräumer Casemiro, der den Taktgebern Toni Kroos und Luka Modrić den Rücken freihält, während ganz vorne Goalgetter Karim Benzema von den Ideen der beiden Mittelfeldkoryphäen profitiert.
Alaba schickt sich an, mehr und mehr in die Führungsspielerriege reinzuwachsen. Dass Real Madrid in Liga und Champions League 16-mal ohne Gegentor geblieben ist, liegt auch am Österreicher, der seit Saisonbeginn so spielt, als habe es nie Anpassungsprobleme gegeben.
"Ich kann mich schon sehr gut unterhalten innerhalb der Mannschaft, wo nur Spanisch gesprochen wird. Sehr viele können auch kein Englisch, was mich zu Spanisch verpflichtet", ließ Alaba gegenüber dem Kurier wissen, dass er sich schon auf Spanisch mit seinen nicht mehr ganz so neuen Mitspielern austauscht und die Abwehr von hinten dirigiert. Und dies wie erwähnt so tut, als würde er das schon seit einigen Jahren machen und nicht erst seit gut acht Monaten.
Auch Trainer Carlo Ancelotti hält offensichtlich große Stücke auf Alaba, den er schon von seiner Station beim FC Bayern München kennt. Nur zwei Spieler haben bei Real Madrid mehr Pflichtspiele als Alaba absolviert, der auf 30 Einsätze kommt: Torhüter Thibaut Courtois (33 Spiele) und Abwehr-Kollege Eder Militao (31 Spiele). Drei Spiele hat Alaba aber krankheits- und verletzungsbedingt in dieser Saison verpasst, sonst wäre er möglicherweise der Spieler mit den meisten Einsätzen bei Los Blancos.
Ob er nun aber auch im Hinspiel gegen Manchester City die Abwehrreihe der Madrilen dirigieren wird, das steht final noch gar nicht fest. Denn Alaba klagt seit dem Spiel bei CA Osasuna vor einer Woche über Adduktorenbeschwerden. "Alaba macht uns noch Sorgen, nach dem, was wir gestern im Training gesehen haben", erklärte Ancelotti am Montagabend auf der Pressekonferenz.
Es wäre bitter für Real und für Alaba selbst, das Duell mit Pep Guardiola zu verpassen. Denn der Österreicher freut sich schon richtig auf das Wiedersehen mit dem Katalanen, wie er der "Sport Bild" vorab verraten hat. "Es wird schön, Pep wiederzusehen. Wir hatten eine super Zeit zusammen bei Bayern. Dieses Mal geht es aber darum, ihn zu ärgern." Und ihm zu zeigen, dass er Recht behalten hat mit der Prophezeiung, dass Alaba einer der besten Innenverteidiger der Welt werden würde.