Seit einigen Jahren fliegt der FC Bayern ins Winter-Trainingslager nach Katar – dafür und den Sponsorenvertrag mit dem Emirat wird der Rekordmeister immer wieder kritisiert.Bild: IMAGO / MIS / IMAGO / MIS
Analyse
Der Profi-Fußball und Katar sind sich in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahre sehr oft in die Quere gekommen. Zuletzt bei der umstrittenen Weltmeisterschaft im November und Dezember im Emirat, das für die schlechte Menschenrechtslage immer wieder kritisiert wurde.
In den vergangenen Tagen rückte Katar erneut in den Vordergrund. Dieses Mal, weil der FC Bayern dort sein Wintertrainingslager abhielt und weil Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender des deutschen Rekordmeisters, zu Verhandlungen über einen neuen Sponsoren-Vertrag mit "Qatar Airways" ins Emirat flog. Seit nun viereinhalb Jahren wirbt der deutsche Rekordmeister für die katarische Fluggesellschaft und bekommt dafür schätzungsweise zwischen 17 und 25 Millionen Euro pro Jahr.
Oliver Kahn kündigt Gespräche mit Qatar Airways an
Im kommenden Sommer läuft dieser Vertrag aus. Deshalb gibt es immer wieder Diskussionen darüber, ob der deutsche Rekordmeister die Zusammenarbeit mit dem katarischen Staatsunternehmen fortsetzen soll. In einem Interview mit der "Bild" kündigte Kahn vor dem Abflug ins Trainingslager nach Katar Gespräche an.
Kritik wurde erneut laut. Menschenrechtsorganisationen bemängelten, dass die Bayern dadurch indirekt Menschenrechtsverletzungen unterstützen würde. Das Gegenargument der Vereins-Bosse ist oft gleich: Die Partnerschaft mit Katar würden positive Entwicklungen in Sachen Menschen- und Arbeitsrechte fördern.
Michael Ott kann diese Argumentation nicht verstehen. Er ist Bayern-Fan und Mitglied. 2021 initiierte er einen Antrag zur damaligen Jahreshauptversammlung im November, sorgte damit für Aufsehen. Ziel des Antrags war es, dass Sponsoringverträge mit Qatar Airways oder anderen Unternehmen, die im Besitz des Emirats Katar sind, auslaufen gelassen und nicht verlängert oder neu abgeschlossen werden.
Michael Ott während der Mitgliederversammlung 2022.Bild: www.imago-images.de / imago images
Zu den aktuellen Gerüchten, nach denen der Sponsorenvertrag mit Katar verlängert wird, hat Ott eine klare Meinung. Gegenüber watson erklärt er: "Der FC Bayern macht es sich zu leicht, wenn er sagt, er könnte zu Veränderungen in Katar beitragen. Der Sponsorenvertrag ist darauf ausgerichtet, dem Emirat ein positives Image zu verschaffen, das von den Problemen ablenkt. Dadurch unterstützt man ein bestehendes menschenrechtsverletzendes System."
Ein weiteres Argument für die Verlängerung der Zusammenarbeit zwischen Emirat und Klub lässt sich oft sehr einfach herunterbrechen: Geld sei wichtig, um erfolgreich zu sein – besonders in der Champions League, die für den FC Bayern an erster Stelle steht. Im November 2021 hatte der ehemalige Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge im WDR2-Podcast "Der Fußball gehört vielen" den Vertrag mit "Qatar Airways" aus seiner Vorstandszeit zuletzt gerechtfertigt: "So bleibt man wettbewerbsfähig gegen Klubs wie Manchester City mit Abu Dhabi, Chelsea mit Abramowitsch, PSG mit Katar oder Manchester United mit Amerikanern."
Ott kritisiert Geld-Argument
Ein Argument, das für Ott allerdings nicht zählt: "Trotzdem dürfen wir uns es nicht erlauben. Der Rahmen unserer Handlungsmöglichkeiten ist durch die Menschenrechte gesetzt. Deshalb kann der FC Bayern sich nicht an der Imagewäsche eines menschenrechtsverletzenden Regimes beteiligen – egal, wie viel Geld dafür fließt."
Dazu käme, dass Klubs wie Manchester City, Newcastle United oder Paris St. Germain noch ganz andere Voraussetzungen haben – sie alle sind im Besitz einer Herrscher-Familie und würden dadurch in anderen finanziellen Sphären sein. "Der FC Bayern hingegen bekommt 'nur' für ein Ärmelsponsoring Geld." Gleichzeitig würden viele Fans es bevorzugen, sich noch weniger an ein solches Regime zu verkaufen.
"Auch die Mitgliederschaft wird gespalten."
Bayern-Mitglied Michael Ott
Eine mögliche Lösung, die Ott sieht, wäre ein strengeres Financial Fairplay, damit der Einfluss von Regimen auf den Fußball geringer werde. Der FC Bayern setze sich dafür ein. "Aber gleichzeitig Geld von Katar zu nehmen ist dann in einer gewissen Weise schizophren und ineffektiv", ordnet Ott ein.
Erst im Sommer setzte die Uefa eine neue Regelung in Kraft. Ab der Saison 2025/26 dürfen Vereine nur noch 70 Prozent ihrer Einnahmen für Spieler- und Trainergehälter, Ablösen und Agenten-Zahlungen nutzen. Damit der Schritt nicht zu drastisch auf einmal wirkt, gibt es in den nächsten Jahren Übergangsregelungen. In der Saison 2023/24 dürfen es noch 90 Prozent sein, 2024/25 nur 80 Prozent.
Ott ist allerdings nicht der einzige Bayern-Fan, der die enge Partnerschaft seines Klubs mit dem arabischen Land kritisiert. Allerdings sehen das nicht alle Mitglieder so. Ott erklärt gegenüber watson: "Auch die Mitgliederschaft wird gespaltet. Es gibt durchaus auch Fans, die die Linie der Vereinsführung unterstützen und auf maximale Profitgier ausgerichtet sind. Das finde ich sehr schade, aber das ist ein Fakt."
Bayern-Präsident Herbert Hainer hatte einen engeren Dialog zu den Fans und den Mitgliedern angekündigt.Bild: dpa / Angelika Warmuth
Was sich im Zuge der Diskussion um das Katar-Sponsoring beim FC Bayern allerdings gebessert hat, ist der Austausch der Vereinsbosse mit den Fans. Präsident Herbert Hainer hatte das nach der Jahreshauptversammlung 2021 angekündigt. Laut Ott habe sich danach der Dialog auch verbessert. "Das finde ich auch ausdrücklich gut", betont Ott. Der 30-Jährige fügt aber auch an: "Offen ist aber, inwiefern das aufrichtig ernst gemeint ist oder ob die Meinung der Vereinsführung sowieso schon vorher feststand und der Austausch nur gefördert wurde, um überhaupt irgendeine Handlung vorweisen zu können."
Ein Indiz für die These sei, dass Oliver Kahn nach Katar flog, um dort auch zu verhandeln. Man habe sich "offensichtlich intern schon seine Meinung gebildet", findet Ott.
EU legt Flugabkommen mit Katar auf Eis, Bayern verhandelt weiter
Bei den Verhandlungen zwischen Katar und dem FC Bayern verwundert den Rechtsanwalt auch eine andere Sache: das Verhältnis zwischen der EU und dem Emirat. Nachdem der Korruptionsskandal um die griechische Politikerin Eva Kaili im Europäischen Parlament und die Verstrickung mit Katar bekannt wurden, ging die Politik auf Distanz zu einem Verkehrsabkommen, das noch ratifiziert werden muss. Dadurch können Airlines aus Katar mehr Flüge in die EU durchführen.
Ott ist deshalb stutzig: "Selbst die EU ist hier also vorsichtig, was eine Partnerschaft mit Katar angeht und gleichzeitig verhandelt aber der FC Bayern munter weiter. Das finde ich höchst fragwürdig."
"Die Frauen-Mannschaft hat sich in Katar beispielsweise für Frauen-Rechte eingesetzt. Es ist wichtig, Ähnliches auch mit der Männer-Mannschaft zu tun."
Bayern-Mitglied Michael Ott
Das langjährige Bayern-Mitglied findet auch die Durchführung der jährlichen Winter-Trainingslager problematisch. Zwar haben die Münchner Stars dort gute sportliche Bedingungen, um sich auf die Rückrunde vorzubereiten, andererseits kommt Ott das politische Engagement während dieser Zeit zu kurz. Er erklärt: "Da gibt der FC Bayern dem Emirat Katar eine schöne Bühne, um sich mit den Stars zu schmücken. Das könnte auch anders genutzt werden: Die Frauen-Mannschaft hat sich in Katar beispielsweise für Frauen-Rechte eingesetzt. Es ist wichtig, Ähnliches auch mit der Männer-Mannschaft zu tun, da diese noch ungleich viel mehr Aufmerksamkeit bekommen würde."
Sollten die Bayern den Vertrag mit Katar dennoch verlängern, würde Ott aber weiterhin Mitglied bleiben. Im Gespräch mit watson stellt er klar: "Man muss trotzdem noch das Beste geben, damit sich der FC Bayern in dieser schlechten Situation ein bisschen anständiger verhält. Die Probleme müssen öffentlich angesprochen werden. Das bleibt eine Notwendigkeit und es braucht Leute, die das einfordern."