Der Streit zwischen Trainer Hansi Flick und dem FC Bayern ist nach seiner Abschiedsankündigung am vergangenen Samstag in Wolfsburg nun endgültig eskaliert. Die Bayern-Bosse waren überrascht vom Flick-Vorstoß und "missbilligten" die Äußerungen ihres Trainers.
Dabei zeigen diese sechs Punkte, dass der Bayern-Trainer schon früh viel Macht forderte und er schrittweise seinen Abschied einleitete.
Es war der Ausgangspunkt des Streits zwischen Hansi Flick und Hasan Salihamidžić: Im Januar 2020 bereitete sich der FC Bayern im Trainingslager in Katar auf die Rückrunde vor. Flick war eineinhalb Monate zuvor nach der Entlassung von Niko Kovac vom Co-Trainer zum Chefcoach befördert worden. Er sollte interimsmäßig übernehmen und rund um den Rekordmeister kursierten Namen wie Pochettino, ten Haag oder Nagelsmann, die den Trainerposten antreten könnten.
Flick äußerte sich dennoch auf einer Pressekonferenz im Trainingslager zur aktuellen Kadersituation und forderte einen Defensivspieler und einen Spieler für die Außenbahn. Das letzte Mal, dass ein Trainer beim FC Bayern öffentlich einen Neuzugang gefordert hatte, war Pep Guardiola bei seinem Amtseintritt 2013. Da erklärte er: "Thiago, oder nix!". Kurze Zeit später holten die Münchner den spanischen Mittelfeldstrategen. Doch Guardiola war oder ist der beste Trainer der Welt und eben nicht wie Flick zur Zeit seiner Forderung nur eine Interimslösung.
Zumal der Trainer kurze später in einem "Sport Bild"-Interview nachlegte. Flick erklärte, der Trainer müsse bei Transfers immer ein Veto-Recht haben. Auch da war noch lange nicht klar, dass Flick überhaupt über den Sommer in München bleiben würde. Zur großen Verwunderung des Vereins strebte Flick schon früh nach mehr Einfluss.
Schlussendlich entschieden sich die Münchner dazu, dem 56-Jährigen einen Vertrag bis 2023 anzubieten. Doch bereits damals soll Flick laut Informationen des Portals "spox" mit dem Gedanken gespielt haben, das Angebot nicht anzunehmen. Er soll vom Projekt FC Bayern nicht vollends überzeugt gewesen sein.
Und ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass der Erfolgscoach der Münchner selten seine Verträge erfüllt. Als DFB-Sportdirektor legte er sein Amt 2017 trotz eines Fünf-Jahres-Vertrags nach zweieinhalb Jahren nieder. Er soll das Gefühl gehabt haben, bei seinen Visionen von älteren Funktionären gebremst zu werden. Bei der TSG Hoffenheim unterschrieb er im Sommer 2017 erneut einen Vertrag über fünf Jahre, verließ den Klub nach acht Monaten aufgrund mangelnder Gestaltungsmöglichkeiten aber wieder.
Doch trotz der mangelnden Mitsprache bei Transfers entschied er sich, das Angebot der Bayern anzunehmen. Die schwierige Corona-Lage und die gute Beziehung zur Mannschaft brachten ihn zum Umdenken.
Ein Schritt, den er im Nachhinein vermutlich bereut haben dürfte. Trotz der erfolgreichsten Saison des Vereins litt sein Verhältnis zu Sportvorstand Hasan Salihamidžić immer mehr. Eigentlich sollten Trainer und Sportvorstand in einem gewissen Vertrauensverhältnis eng zusammenarbeiten.
Während der Trainer den eher kurzfristigen Erfolg im Blick hat, muss der Sportvorstand die grundsätzliche Ausrichtung des Klubs im Auge behalten. Das funktionierte bei Flick und Salihamidžić überhaupt nicht.
In Transferfragen herrschte selten Einigkeit. Salihamidžić konnte Flicks Wünsche an Neuzugängen nicht erfüllen. Gerüchten zufolge soll Flick sich unter anderem Timo Werner, Kai Havertz, Emre Can und Mario Götze gewünscht haben. Flick kontaktierte seine Wunschspieler zum Missfallen des Klubs auch angeblich selbst und mischte sich somit in Salihamidžićs Arbeit ein.
Doch nicht nur das Personalproblem, auch der dauerhafte Erfolgsdruck und Corona-Infektionen innerhalb der Mannschaft sorgten beim Trainer für ungewohnt emotionale Aussetzer. Auf einer Busfahrt fuhr er Sportvorstand Salihamidžić lautstark mit den Worten "Jetzt halt endlich mal das Maul" an. Ein Satz, für den er sich später öffentlich entschuldigte, der jedoch eine gute künftige Zusammenarbeit fast unmöglich machte.
Beide hätten sich aber danach ausgesprochen. "Wir haben uns mit dem Blick in die Zukunft gesagt: Wir haben vielleicht im Moment die erfolgreichste Zeit von Bayern München und die Spieler und der Staff haben es verdient, dass wieder Ruhe einkehrt", so Flick.
Doch statt tatsächlich einfach in Ruhe zu arbeiten, bereitete Flick mit der einen oder anderen Aussage seinen Abschied langsam vor. Immer wieder gab es auf den Pressekonferenzen versteckte Spitzen gegen Sportvorstand Salihamidžić.
So bezeichnete Flick den Kader der vergangenen Saison als "qualitativ besser". Nachdem bekannt wurde, Salihamidžić habe Ersatztorwart Alexander Nübel zehn Pflichtspiele versprochen, machte Flick deutlich, dass er sich nicht reinreden lassen will. "Meine Aufgabe als Trainer ist, dass ich die Spieler spielen lasse, die die beste Mannschaft sind", kommentierte er. Hinzu kam Flicks Unzufriedenheit mit den ausbleibenden Verlängerungen von David Alaba und Jérôme Boateng. Auf den Pressekonferenzen betonte er immer wieder, wie gerne er mit beiden weiterarbeiten will und wie sehr er sie schätzt. Gerade zur Boateng-Entscheidung sagte er, dass er "ein bisschen schauspielern muss."
So soll Flick laut Informationen des "kicker" bereits vor sechs Wochen seinen beratenden Anwalt kontaktiert haben, um ihm mitzuteilen, dass er den Klub verlassen möchte. Demnach teilte er auf der Reise zum Spiel bei Lazio Rom Präsident Herbert Hainer und Vorstandsboss Ende Februar bereits mit, dass er und Salihamidžić einfach nicht zusammenpassen.
Nach dem Aus im Champions-League-Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain am vergangenen Mittwoch hielt Flick beim TV-Sender Sky einen viel beachteten viereinhalb minütigen Monolog, der von vielen bereits als Abschiedsrede gesehen wurde und im Nachhinein auch so wirkt. Flick hielt ein Plädoyer auf den Trainerjob und erklärte auch:
"Meine Familie, egal was ich machen würde, die würde mich immer unterstützen und wird immer hinter mir stehen. Ob ich jetzt da beim DFB bin, dann vielleicht einen anderen Rhythmus hätte – das ist für sie vollkommen egal."
Der Erfolgscoach sprach erstmals selbst über den DFB und verplapperte sich somit, dass er Interesse am Job des Bundestrainers ab Sommer hat. Lothar Matthäus war sich danach bei Sky sicher, dass Flick die FC Bayern am Saisonende verlassen wird und lag somit richtig.
Nach dem 3:2-Sieg beim VfL Wolfsburg sorgte Flick dann vor allem zur Überraschung der Bayern-Bosse für Klarheit. Eigentlich befanden sich die Bosse in Gesprächen mit dem Erfolgscoach, die nach den wichtigen Spielen gegen Leverkusen am Dienstag und Samstag gegen Mainz fortgesetzt werden sollten.
Doch Flick wählte den Punkt seines Abschieds zu einem strategisch günstigen Zeitpunkt. Durch den Erfolg in Wolfsburg und die sieben Punkte Vorsprung auf Leipzig ist die neunte Meisterschaft in Folge nur noch Formsache. Durch das Aus in DFB-Pokal und Champions League sind die sportlichen Ziele kaum noch gefährdet.
Die Bayern-Bosse waren nach Spielende bereits auf dem Weg zum Flughafen und Flick konnte durch seine Verkündung selbst deutlich machen, dass er die Entscheidungsmacht in seiner Zukunftsfrage hat. Nicht der Verein, nicht Klub und Trainer gemeinsam, einzig und allein Flick will entscheiden, wo seine Zukunft liegt. Und diese wird ab Sommer wohl der Posten des deutschen National-Trainers sein.