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FC-Bayern-Experte: "Keiner wie Guardiola" - So gut ist Hansi Flick wirklich

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Es ist weiterhin unklar, ob Hansi Flick über den Sommer hinaus Trainer beim FC Bayern bleibt.Bild: SVEN SIMON / Anke Waelischmiller/SVEN SIMON
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"Keiner wie Pep Guardiola": Darum kann der FC Bayern das Flick-Aus verschmerzen

17.04.2021, 18:5517.04.2021, 19:17
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Aus in der 2. Runde des DFB-Pokals gegen Holstein Kiel. Aus im Viertelfinale der Champions League gegen Paris Saint-Germain. Und das nach sechs Titelgewinnen im vergangenen Jahr. Nach all den Pokalgewinnen und Rekorden erlebt Bayern-Trainer Hansi Flick in den letzten Wochen eine echte Talfahrt mit dem FC Bayern München.

Hinzu kommt der seit über einem Jahr köchelnde Streit zwischen ihm und Sportvorstand Hasan Salihamidžić, von dem mal mehr, mal weniger Details an die Öffentlichkeit geraten. Dieser scheint nun der Hauptgrund gewesen zu sein, dass Flick den Verein um die Auflösung seines bis 2023 laufenden Vertrags gebeten hat. "Ich muss alles verdauen. Natürlich waren die letzten Wochen nicht easy", verkündete der Erfolgstrainer am Samstagnachmittag nach dem 3:2-Auswärtssieg beim VfL Wolfsburg beim TV-Sender Sky. Offiziell wollte Flick aber keine Gründe angeben. "Das sind Dinge, die ich intern mit dem Verein besprochen habe", sagte er und wirkte dabei sehr ernst und emotionslos.

"Ich glaube aber nicht, dass Spieler sagen werden, dass Hansi Flick einer war, der sie enorm weitergebracht hat"
Bayern-Insider Vjeko Keskic über den Einfluss von Hansi Flick auf die Spieler

"Ich kann aber sagen, dass es keine leichte Entscheidung für mich war. Ich habe mit diesem Team eineinhalb Jahre sehr gut zusammengearbeitet", fügte Flick hinzu. "Ich bin dem Verein dankbar, dass es für mich die Gelegenheit gab, diese Mannschaft zu trainieren. Aber die Entscheidung, die ich getroffen habe, habe ich nach reiflicher Überlegung getroffen."

Ob nun tatsächlich neuer Trainer der deutschen Nationalmannschaft wird, ließ er weiter offen. "Der DFB ist eine Option, die jeder erwägen muss", aber es sei "überhaupt nichts klar."

Doch wie viel Einfluss hatte Flick tatsächlich auf die Mannschaft und wie schmerzhaft ist der Abgang nun für den Rekordmeister?

Die Meinung der Fans in verschiedenen Umfragen von der "Bild"-Zeitung und dem TV-Sender Sky ist dabei eindeutig. Über 90 Prozent denken, dass Flick wichtiger für den Erfolg des FC Bayern sei als Sportvorstand Salihamidžić. Ganz ähnlich sieht das Bayern-Legende Lothar Matthäus, der bereits häufiger betonte, wie wichtig Flick für den Erfolg der Münchner sei. Auch die Mannschaft steht auch weiterhin voll hinter ihrem Trainer. "Das ist eine emotionale Geschichte gewesen für uns alle", sagte Kapitän Manuel Neuer.

Bayern-Bosse trauen Flick keinen
Umbruch zu

Dass der FC Bayern über Monate kein Machtwort in der Diskussion sprach, ist verwunderlich. Doch es hat einen einfachen Grund: Beim Rekordmeister traut man Flick nicht unbedingt zu, den personellen Umbruch, der im Sommer ansteht, hinzubekommen. Viele im Verein sehen in ihm einen guten Verwalter der aktuellen Mannschaft, aber keinen Visionär für die Zukunft. Stattdessen vertrauen sie dem Plan von Sportvorstand Hasan Salihamidžić, der den Kader gehörig umkrempelt.

Im vergangenen Sommer verließ bereits Thiago den Verein. In diesem Sommer werden es mit David Alaba, Jérôme Boateng und Javi Martinez drei weitere erfahrene Spieler sein, die einen großen Anteil an den Münchner Champions-League-Siegen 2013 und 2020 hatten. Alle drei werden von Flick geschätzt. Bei Alaba und Boateng machte er kein Geheimnis daraus, wie groß seine Wertschätzung für beide ist. Langfristig braucht der Klub auch Nachfolger für Robert Lewandowski (32 Jahre) und Thomas Müller (31 Jahre). Junge Spieler wie Jamal Musiala (18) und Tanguy Nianzou (18) müssen an das Team herangeführt werden. Dabei rüffelte Flick zu Beginn des Jahres Musialas Einstellung und ließ ihn häufig auf der Bank.

FC Bayern Muenchen vs. 1. FC Union Berlin, 1. Bundesliga, 28. Spieltag, 10.04.2021 Jamal Musiala 42 FC Bayern Muenchen, FC Bayern Muenchen vs. 1. FC Union Berlin, 1. Bundesliga, 28. Spieltag, 10.04.20 ...
Jamal Musiala soll die Zukunft des FC Bayern prägen.Bildagentur kolbert-press / imago images

Dass Flick das Bayern-Team der Zukunft formen kann, wird in München jedoch bezweifelt. "Ich traue ihm so einen Umbruch beim FC Bayern auch nicht zu. Er ist ziemlich dickköpfig und stur bei manchen Themen", sagt auch Bayern-Insider Vjeko Keskic vom Blog "FCBInside".

Denn Flick setzt lieber auf erfahrene und fertige Spieler, statt eigene Talente zu entwickeln. Als Back-Up für Rechtsverteidiger Benjamin Pavard verpflichtete der FC Bayern für neun Millionen Euro den 29-jährigen Bouna Sarr. Stattdessen hätte diese Rolle auch Chris Richards übernehmen können. Der Spieler aus dem eigenen Nachwuchs machte beim 4:3-Sieg über Hertha BSC im vergangenen Oktober eine gute Partie und bereitete sogar einen Treffer vor. Statt ihn weiter einzubinden, wurde er im Winter zur TSG Hoffenheim verliehen.

Ähnlich verhält sich im zentralen Mittelfeld. Statt die Nachwuchstalente Adrian Fein und Angelo Stiller aufzubauen, holte der Klub Marc Roca. Über die Qualitäten des Spaniers herrschte bei Flick und Salihamidzic ausnahmsweise mal Einigkeit. Dafür wurde Fein zur PSV Eindhoven verliehen, während Stiller im Sommer ablösefrei nach Hoffenheim wechselt.

Keiner wie Pep Guardiola

Flick ist keiner der Trainer, die für eine Spielphilosophie stehen und diese in jedem Verein durchbringen können – wie Pep Guardiola oder Jürgen Klopp. Spricht man ehemalige Spieler auf Guardiola an, schwärmen sie, dass er sie und das Team weitergebracht und auf das nächste Level gehoben habe. "Ich glaube aber nicht, dass Spieler sagen werden, dass Hansi Flick einer war, der sie enorm weitergebracht hat", sagt Bayern-Kenner Keskic.

Dafür wird hingegen Flicks Umgang mit den Spielern von allen Seiten gelobt. "Er ist menschlich super, kann auf die Spieler eingehen und weiß, wie man mit Stars umgehen muss", sagt Keskic.

So blühte unter Flick der schon längst abgeschriebene Jérôme Boateng wieder auf. Flick brachte Thomas Müller wieder in die Spur und sorgte dafür, dass sich Leon Goretzka im Mittelfeld der Münchner und des DFB-Teams etablieren konnte.

Flick will immer mitgestalten

Dass Flick jedoch auch immer nicht nur Trainer sein, sondern auch aktiv eigene Vorstellungen umsetzen wollte, zeigte sich bei seinen vorherigen Stationen. Als DFB-Sportdirektor legte er sein Amt 2017 trotz eines Fünf-Jahres-Vertrags nach zweieinhalb Jahren nieder. Er soll das Gefühl gehabt haben, bei seinen Visionen von älteren Funktionären gebremst zu werden. Bei der TSG Hoffenheim unterschrieb er im Sommer 2017 erneut einen Vertrag über fünf Jahre, verließ den Klub nach acht Monaten aufgrund mangelnder Gestaltungsmöglichkeiten aber wieder.

Dietmar Hopp, Gesellschafter des Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim (l), und der neue Geschäftsführer Hansi Flick stehen am 28.06.2017 in Zuzenhausen (Baden-Württemberg) auf einem Trainingplatz zusamm ...
Das Engagement von Hansi Flick (r.) bei Dietmar Hopps (l.) TSG Hoffenheim dauerte nur acht Monate. Bild: dpa / Daniel Maurer

Auch beim FC Bayern versuchte er Einfluss auf die Kaderplanung zu nehmen, als er im Trainingslager im Januar 2020 in Katar öffentlich Verstärkung forderte. Es war der Beginn der Meinungsverschiedenheiten mit Hasan Salihamidžić, der ihn für die öffentliche Kritik an der Transferpolitik rüffelte.

Nur wenige Monate später legte Flick in einem "SportBild"-Interview nach und erklärte, dass der Trainer in Transferfragen immer einen Einfluss haben müsse. Der Machtkampf mit Sportvorstand Salihamidžić in Sachen Transfers dauerte bis heute an.

Champions-League-Sieg mit
beeindruckendem Fußball

Trotz erster Unstimmigkeiten wirkte sich das in der Saison 2019/20 nicht auf das Team aus, der FC Bayern wurde im Eiltempo zur alles überragenden Mannschaft in Europa.

Flick schaffte es, dass alle Stars ihr Ego zurückstellen und dem taktischen Plan mit einem laufintensiven, aber enorm wirkungsvollen Angriffspressing folgten. Der FC Bayern spielte begeisternden Offensivfußball und krönte eine Saison zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte mit sechs Titeln.

Ein Platz in den Ehrenbüchern des Vereins ist dem 56-Jährigen auf ewig sicher. "Aber ich glaube nicht, dass es bei anderen Top-Klubs oder dem DFB für Flick so reibungslos laufen wird", ist sich FCB-Insider Keskic sicher.

Die Defensive wackelt enorm

Denn Flick schaffte es nicht, das Spiel seiner Mannschaft im Laufe der Saison etwas zu verändern. Bis zuletzt hielt er an der Spielidee mit einer letzten Verteidigungslinie in der gegnerischen Hälfte fest. Die hohe Belastung mit einem Spiel alle drei Tage und ohne eine wirkliche Sommervorbereitung zeigte im Laufe der Saison Wirkung. Flick rotierte wenig, die eingesetzten Spieler konnten das laufintensive Spiel körperlich und mental nicht dauerhaft über 90 Minuten durchziehen. Ist auch nur ein Spieler einen Schritt zu spät oder in einer Situation nicht aufmerksam genug, fällt das ganze Kartenhaus in sich zusammen und der Gegner kann sich mit ein paar Pässen leicht befreien.

Ein Ball in die Spitze – und häufig liefen die gegnerischen Angreifer allein auf Torhüter Manuel Neuer zu. Der Schlussmann verhinderte zwar häufig schlimmeres, doch 38 Gegentore nach 29 Spielen sprechen eine deutliche Sprache. Es ist jetzt schon der schlechteste Wert seit der Saison 2010/11, in der Bayern nicht Meister wurde. Damals musste das Team 40 Gegentore hinnehmen: Doch das war die Anzahl nach 34. Spieltagen. Die Chancen, dass die Bayern in dieser Saison diese eigene Marke knacken, ist relativ wahrscheinlich.

Fussball Bundesliga , FC Bayern Muenchen - Eintracht Frankfurt 5-0 Manuel NEUER Torwart Bayern Muenchen verhindert ein Gegentor und schlaegt den Ball von der Linie. Li:Bas DOST Eintracht Frankfurt, Ak ...
Torhüter Manuel Neuer (r.) musste den Ball in dieser Saison schon häufig aus seinem Tor holen.Bild: Foto RAUCHENSTEINER / imago images

Sorgt Flick auch beim DFB für einen Aufschwung?

Als Sextuple-Trainer, der stallintern lange Löws Assistent war und dann Sportdirektor wurde, erscheint Flick beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) als geradezu logische Wahl. Der Verband wollte aber nicht auf Trainer zugehen, die unter Vertrag stehen, so musste der 56-Jährige, 2014 an Löws Seite Weltmeister in Rio de Janeiro, selbst aktiv werden.

Dass Hansi Flick ein guter Trainer ist, ist unbestritten. Es gehört schon mehr dazu, als nur am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein, um mit einer ideenlosen und am Boden liegenden Mannschaft innerhalb kürzester Zeit die Champions League zu gewinnen. Ob er jedoch wirklich einer der besten deutschen Trainer aller Zeiten ist, der einen deutlichen Einfluss auf seine Mannschaften hat, wird sich zeigen, wenn er spätestens bei der Heim-EM im Sommer 2024 auch mit dem DFB-Team Erfolg haben sollte.

Zwar haben die Bayern der Vertragsauflösung noch nicht zugestimmt, doch sie werden ihrem Erfolgstrainer keine Steine in den Weg lege. Vielleicht auch, weil sie bereits einen Nachfolger im Blick haben. Nagelsmann gilt als heißester Kandidat.

FC Bayern: Goretzka fehlt im DFB-Team – FCB-Boss Eberl äußert sich

Am Ende war es eigentlich keine Überraschung mehr: Leon Goretzka ist für die Test-Länderspiele gegen Frankreich (23. März) und die Niederlande (26. März) nicht nominiert. Bereits zu Beginn der Woche war das durchgesickert. Später wurde es von Bayern-Sportdirektor Christoph Freund bestätigt und von Bundestrainer Julian Nagelsmann am Donnerstag offiziell verkündet.

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