Das Unverständnis ist auch nach dem Wochenende immer noch extrem groß. RTL stellt seine Erfolgsshow, das Dschungelcamp, komplett unter das Zeichen des American Footballs.
Ekel-Prüfungen im Stile des beliebtesten US-Sports, ständige Querverweise auf die Übertragungen und zu allem Überfluss für Dschungel-Fans: eine Mini-Folge am Sonntagabend zugunsten der NFL-Playoffs rund um den deutschen Amon-Ra St. Brown und seinen Detroit Lions.
Weiteren Dschungel-Content gab es am Sonntagabend lediglich im sendereigenen Streamingdienst RTL+. Das führte jedoch dazu, dass die Server des Senders überlastet waren und weder Bilder aus dem australischen Dschungel, noch vom Ford Field in Detriot zu sehen waren.
Die Strategie des Kölner Senders sorgt für jede Menge Aufregung und Frust. Für Experte und Branchenkenner Marcus Bölz ist die Richtung, in die RTL geht, jedoch absolut verständlich. Der 48-Jährige ist Leiter des Instituts für Sportkommunikation an der Fachhochschule des Mittelstands.
Bölz erklärt im Gespräch mit watson, dass der Erfolg von Unterhaltungsformaten immer in gewissen Wellen ablaufe. "Es gibt einen Aufschwung, aber nach der zehnten Staffel biedert die Zuschauer:innen es auch an."
Diesen Abwärtstrends beobachte der Experte bereits seit einigen Jahren bei den verschiedenen Sendern. Beim Dschungelcamp, das in diesem Jahr sein 20. Jubiläum feiert, urteilt Bölz: "Die Zitrone ist ausgelutscht."
Laut dem Datenportal Statista ist die Einschaltquote seit der zwölften Staffel 2018 rückläufig. Im vergangenen Jahr hatte die Sendung im Schnitt 3,7 Millionen Zuschauer:innen.
Daher kann Bölz die Entscheidung des Senders, mehr auf die NFL zu setzen, absolut nachvollziehen. Das Potenzial, mit dem US-Sport noch mehr Menschen zu erreichen, bezeichnet er "mittel bis langfristig als sehr, sehr gut."
Und das, obwohl die reinen Zahlen zwischen Ende des Dschungelcamps und dem Beginn der NFL-Übertragung auf den ersten Blick ziemlich erschreckend aussehen. Laut "DWDL" schauten 4,1 Millionen Zuschauer:innen "Ich bin ein Star", aber nur noch 1,35 Millionen Fans den Beginn der NFL-Übertragung.
Damit pegelte sich die Zahl der Zuschauenenden wieder auf dem Niveau der kompletten Saison ein: Dort lag sie zwischen 750.000 und 950.000. Lediglich die Spiele in Frankfurt im November knackten die Millionen-Marke. Für Bölz sind die Zahlen nicht alarmierend, viel mehr sei es eine "Top-Quote" für eine Sportart, die größtenteils Nachts gesendet werde.
Daher bestünde für RTL kein Grund zur Sorge, da Sport im Vergleich zu den Unterhaltungsformaten eine extrem hohe Halbwertszeit habe. Für Bölz hat das einen einfachen Grund:
Zwar erreichten die NFL-Partien am Sonntag nicht die Reichweite des Dschungelcamps, dafür zogen die Marktanteile bei der wichtigsten Zielgruppe der 14-bis 49-Jährigen mit Verlauf der Sendung immer weiter an. Zwischenzeitlich lag dieser bei einem Top-Wert von 30 Prozent.
Hauptverantwortlich dafür sei laut Bölz vor allem die männliche Zielgruppe im Alter von 15 bis 29 Jahren. "RTL wollte früher die ganze Breite der Gesellschaft ansprechen, aber das können sie gar nicht mehr erreichen. Dafür sind die Zielgruppen viel zu sehr zersplittert." Daher konzentriere man sich mit der NFL nun genau auf diese Gruppe, die Football aus der Nische geholt und zu einem Massenphänomen gemacht habe.
Das bedeutet auch, dass die NFL aus dem Programm des Kölner Senders so schnell nicht verschwinden wird. Und das liegt nicht nur am Fünf-Jahres-Deal, den RTL mit der Liga geschlossen hat. "Die Leute werden insgesamt mehr Sport konsumieren. Jetzt gilt es aber zunächst zu beweisen, dass es attraktiv ist. Dann kann es weiter wachsen", glaubt Bölz.
Ein User forderte, dass RTL die NFL-Übertragungen während der Zeit des Dschungelcamps zum Spartensender Nitro abschieben solle – wie bereits im November. Dort wurde statt American Football ein "Bauer sucht Frau"-Spezial, sowie eine Vielzahl an Filmen gezeigt.
Für Bölz war das der größte Fehler des Senders: "Du musst Kontinuität liefern. Der Zuschauende ist wie ein scheues Reh und da sind ständige Veränderung nicht gut." Deswegen müsse RTL gerade für die Streamingplattform noch mehr Inhalte produzieren, "dann rechnet es sich für den Sender", ist Bölz überzeugt.
Der Wut der Dschungelfans wird jedoch bleiben. Schließlich wird die Erfolgsshow auch am kommenden Wochenende für die NFL verkürzt. Da hilft es nicht, dass St. Brown und seine Lions gestern ihr Spiel gewannen und am kommenden Sonntag um den Einzug in den Super Bowl kämpfen.