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Im vergangenen Jahr hat Donata Hopfen, die damalige Chefin der Deutschen Fußball Liga (DFL), der "Bild am Sonntag" zu ihrem Amtsantritt ihr erstes Interview gegeben. Es ging um die Zukunft und die Ausrichtung der Bundesliga.
Auf die Frage, ob es auch für die Bundesliga denkbar sei, den Supercup so wie in Spanien mit vier Mannschaften in Saudi-Arabien auszutragen, sagte Hopfen: "Jede Maßnahme, die uns in Zukunft Geld bringen soll, muss zu uns passen. Ich finde aber, wir können in dieser Hinsicht aktuell gar nichts ausschließen." Der Aufschrei war riesig.
Wie kann man nur! Unser heiliger deutscher Fußball ins Ausland! Diese geldgierigen Opportunisten machen den Sport kaputt! So in etwa ließen sich die Reaktionen zusammenfassen. Was in Deutschland kollektive Schnappatmung provoziert, ist in den USA allerdings bereits allgegenwärtig. Und fand am vergangenen Sonntag auch in Frankfurt seine Entsprechung.
Erst zum zweiten Mal in der Geschichte der NFL fand ein Ligaspiel auf deutschem Boden statt. Am Main setzten sich die Kansas City Chiefs gegen die Miami Dolphins 21:14 durch. Bereits im vergangenen Jahr kam es in München zur Premiere. Wie aber blicken die US-amerikanischen Fans auf solche Spiele, denen dadurch schließlich ein eigener Besuch abhandenkommt?
"Das ist schwierig zu sagen", sagt Adam Teicher im Gespräch mit watson. Teicher ist Journalist für den US-amerikanischen Fernsehsender ESPN und in dieser Funktion seit mehr als zehn Jahren Reporter für die Kansas City Chiefs. Die Spiele in Deutschland seien "ein kleines Spektakel, es geht in den USA morgens los, was die Spiele von den regulären Partien unterscheidet. Ich denke, die Leute haben Spaß daran".
In Frankfurt begann die Partie zwischen den Chiefs und den Dolphins um 15.30 Uhr Ortszeit. Zu dem Zeitpunkt war es in Kansas City 9.30 Uhr, in Miami 10.30 Uhr. Eigentlich nicht die klassische Zeit, in der man sich American-Football-Spiele angucken möchte. Für einen Großteil der Fans in den USA sei das nicht einfach nachzuvollziehen, erklärt Teicher.
"Solange du nicht bei einem Spiel gewesen bist, kannst du das Phänomen nicht wertschätzen", findet Teicher. Man müsse nach Deutschland reisen, um wirklich zu verstehen, was es den Menschen hier bedeute. "Und wir in den US-amerikanischen Medien versuchen, diesen Punkt zu unterstreichen. Aber du kannst sie nicht hierher bringen."
Das deckt sich mit den Schilderungen der Spieler und Trainer. Chiefs-Coach Andy Reid sprach mehrfach und überschwänglich davon, dass es "großartig" gewesen sei, in Frankfurt zu spielen. Die Gastfreundschaft wäre "außergewöhnlich", die Vorbereitungen der Deutschen in den Tagen "phänomenal". Wo er mit seiner Mannschaft spiele, sei ihm ohnehin gleichgültig.
"Ich habe mit unseren Medien gescherzt: Wir würden auch auf dem Parkplatz spielen", sagte Reid. "We don't care." Sie würden überall und jederzeit spielen.
Die Spiele in Frankfurt sind Teil der Internationalisierungsstrategie der NFL, so soll weltweit ein größeres Publikum erschlossen werden. Seit 2007 finden Ligaspiele in London statt, seit 2016 in Mexiko – und seit vergangenem Jahr auch in Deutschland.
Alexander Steinforth, Geschäftsführer der NFL in Deutschland, sagte im Gespräch mit dem "Spiegel" über die Entwicklung hierzulande: "Wir sehen das Ganze eben nicht mehr nur als einen internationalen Markt, sondern als den Nummer eins Wachstumsmarkt weltweit." Womöglich schon in der kommenden Saison könnten Spiele in Spanien und Brasilien stattfinden.
"Ich denke, es ist großartig für die National Football League", sagte Andy Reid über die Auslandsspiele und verwies auf den Erfolg, den das bereits für den Basketball und Baseball gebracht habe. Aber läuft die Liga nicht dadurch Gefahr, sich von ihren eigenen Fans zu entfremden? Fühlen die sich nicht womöglich vernachlässigt?
"Es gibt einige Chiefs-Fans, die es schade finden, ein gutes Spiel verloren zu haben", sagt Adam Teicher. "Sie wollen Tyreek Hill und ein Team wie Miami in Kansas City spielen sehen. Es gibt einige Fans, die das so sehen. Ohne Zweifel." Auch wenn die Vermarktung der Liga aus einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt nötig sei, gestalte es sich schwierig, das der Zuschauerschaft zu vermitteln.
"Das ist eine Sache der Liga, da geht es ums Geld", erklärt Teicher. "Das beeinflusst die Zuschauerschaft nicht wirklich. Ich denke, es ist schwierig, die Fans da mitzunehmen." Und auch einige Spieler.
Chiefs-Profi Marquez Valdes-Scantling fand das Spiel in Deutschland im Vorfeld "zum Kotzen", er verstehe nicht, warum man neun Stunden für ein Heimspiel reisen müsse. Mit dieser Meinung dürfte er aber weitestgehend alleine dastehen. Für einen Spieler war das Deutschland-Spiel sogar eine kleine Rückkehr in die Heimat.
"Meine Mutter wurde in Bad Hersfeld, ganz in der Nähe, geboren", erzählte Dolphins Running Back Raheem Mostert. "Diese Woche hier zu sein, hat mir wirklich viel bedeutet, Frankfurt wird für mich immer ein Zuhause sein." Auch Chiefs-Superstar Patrick Mahomes war von der Reise nach Frankfurt hellauf begeistert.
"Du hast die Liebe spüren können – nicht nur für den Sport, sondern auch für die Spieler", sagte Mahomes. "Ich würde auf der ganzen Welt spielen und den Football zu den Leuten, den Fans tragen. Und ich will auf jeden Fall wieder hierherkommen, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet." Einen Vergleich zum heimischen Stadion ist er allerdings gekonnt umgangen.
"Das Arrowhead ist natürlich besonders, aber hier in Frankfurt waren auch extrem viele Chiefs-Fans", sagte Mahomes diplomatisch. Ohnehin sei es schwierig gewesen, die US-amerikanischen von den deutschen Fans zu unterscheiden, meint Adam Teicher. Ein viel größeres Kompliment lässt sich eigentlich kaum aussprechen. Was die Atmosphäre betrifft, sei das Spiel in Frankfurt für Teicher das mit Abstand beste gewesen:
Mit Taylor Swift allein wird die NFL nicht neue Zielgruppen erschließen können, für einige US-amerikanische Fans war die Reise nach Frankfurt auch eine Möglichkeit, Verwandte und Freunde zu besuchen oder die Stadt zu erkunden. Es muss ja nicht gleich Saudi-Arabien sein.
In Deutschland sind Internationalisierung im Sport und Kommerzialisierung hingegen weiterhin sehr sensible Themen. Mit dem Hintergrund eigentlich verwunderlich, dass die NFL, die ja für all das steht, in Deutschland dennoch so gut ankommt und einer unabhängigen Studie zufolge mittlerweile sogar die zweitbeliebteste Sportart ist.
Beim Fußball sind die Verantwortlichen wohl nicht so weit. Ende vergangenen Jahres musste Donata Hopfen ihr Amt als DFL-Chefin niederlegen. In einer Mitteilung wurden "unterschiedliche Vorstellungen über die weitere strategische Ausrichtung der Gesellschaft" als Grund genannt.
