Vor allem durch David Raum, Joshua Kimmich, Robert Andrich und Niclas Füllkrug wird das DFB-Team nahbarer. Bild: dpa / Rolf Vennenbernd
Analyse
Klassenfahrt. Diese eine Woche in jedem Schuljahr, in der die wundersamsten Dinge passieren. Man lernt seine Mitschüler:innen nochmal ganz anders kennen und es entstehen Freundschaften, die man vorher nicht für möglich gehalten hätte. Klar, es gibt den einen oder anderen nervigen Ausflug, aber die Stimmung ist dennoch locker und leicht.
Seit der Heim-EM versprüht auch die deutsche Nationalmannschaft wieder diesen Vibe. Zumindest, wenn man sich die Videos auf dem offiziellen Youtube-Account des Verbandes anschaut.
"Jo hat auf jeden Fall auch einen Knall."
Robert Andrich über DFB-Kapitän Joshua Kimmich
Es ist ein Zustand, den man so gar nicht mehr kannte, wenn man an die letzten schwerfälligen Jahre unter Jogi Löw und Hansi Flick samt Turnier-Blamagen zurückdenkt.
"Ich war kein großer Deutschland-Fan mehr, aber seit dieser EM muss ich immer lachen, wenn ich das Team sehe und es macht mir immer Freunde, wenn ich sie spielen sehe", lautet der am meisten gelikte Kommentar unter einem Youtube-Video aus dem DFB-Camp vom Donnerstag.
Verantwortlich dafür ist vor allem ein Quartett, bei dem man vorher nicht gedacht hätte, dass es sich überhaupt verstehen würde – wie vor einer Klassenfahrt eben.
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Robert Andrich: Kimmich und Raum sind "Freunde fürs Leben"
Auf der einen Seite ist da Joshua Kimmich, der überehrgeizige Streber, der auch bei einer 2+ in Tränen ausbricht. Auf der anderen Seite Robert Andrich. Der extrovertierte "coole Typ" in der Klasse. Ob er eine 3 oder 4 hat, ist ihm egal. Immer mit Markenklamotten, tätowiert und auf dem Platz immer das Messer zwischen den Zähnen, nicht verlegen um eine Grätsche, die dem Gegner wehtut.
Und obwohl beide unterschiedlicher kaum sein könnten, konkurrieren sie um die gleiche Position im zentralen Mittelfeld. Nur darf Kimmich sie nicht ausfüllen, da er im DFB-Team aufgrund von fehlenden Alternativen hinten rechts spielen muss. Der "Fluch", wenn man viele Fächer gut beherrscht.
Doch seit der EM ist deutlich, dass zwischen beiden überhaupt keine Konkurrenz herrscht. Ganz im Gegenteil: Kimmich und Robert Andrich verstehen sich prächtig. Im Interview mit Sport1 geht der DFB-Star sogar noch einen Schritt weiter. "Man kann hier auf jeden Fall Freunde fürs Leben finden", sagte Andrich mit Blick auf seine Verbindung zum Bayern-Star und Abwehrspieler David Raum.
"Man könnte meinen, dass vom Äußeren und den Tätowierungen David Raum und ich die verrücktesten sind, aber Jo hat auf jeden Fall auch einen Knall", fügt Andrich mit einem Grinsen hinzu.
Als Trio kümmerten sie sich während der EM fürsorglich um einen Bonsai, kauften sogar zwei neue Bäume für das Basecamp in Herzogenaurach. Bei ihrer erstmaligen Rückkehr ins Camp seit dem EM-Aus besorgten sie nun einen Feigenbaum, eine Magnolie und einen Bananenbaum und pflanzten diese ebenfalls ein.
Gärtnern mit Nationalspielern. Es ist schon bemerkenswert.
DFB-Team: Männer wirken nahbar – wie die Frauen seit Jahren
Während der Europameisterschaft waren es auch Raum und Kimmich, die die unterhaltsamste Pressekonferenz des ganzen Turniers abgehalten hatten.
Raum schwärmte unter anderem von Kimmichs Qualitäten als Führungsspieler auf dem Platz, lobte ihn in seiner Rolle als Vierfach-Vater und bezeichnete ihn als "kleines Vorbild". "Ich glaube, wir heiraten im Sommer", kommentierte der Bayern-Star diese Aussagen mit einem Lachen.
Dazu kam es nicht. Stattdessen verbrachten die Familien Kimmich und Andrich den Sommerurlaub zusammen.
Dafür erinnerte David Raum im Sommer ganz Fußball-Deutschland daran, sich regelmäßig bei seinen Großeltern zu melden. Sein zufälliges Telefonat mit seiner Oma war Teil des DFB-Videoblogs während der EM und ging enorm schnell viral.
"Dass wir den Leuten mit diesen kleinen Videos einen Einblick geben, lässt sie ein bisschen verbundener zu uns wirken. Für uns ist es einfach schön, den Leuten etwas zurückzugeben", sagte der Leipziger Verteidiger bereits während der EM.
Ganz neu ist die Idee beim DFB jedoch nicht. Die Frauen-Nationalmannschaft gibt den Fans schon länger Einblicke in den Alltag bei Turnieren, reagiert auf entscheidende Spielszenen und duelliert sich in Spielen vor der Kamera.
DFB-Team: Kimmich mahnt – und will Kind aus sich herauslassen
Bei den Männern hat sich mit dem Trio Kimmich, Andrich, Raum und wahlweise Niclas Füllkrug oder dem sonst zurückhaltenden Marc-André ter-Stegen jedoch ein Quartett gebildet, das beständig witzigen Content liefert. Sei es das gemeinsame Faible für Pflanzen, Kreuzworträtsel, Stadt-Land-Fluss-Duelle, Food-Rankings auf Tiktok oder die Bewertung der Tattoos. Und das immer mit einem (fiesen) Spruch auf den Lippen
"Ich lese immer Kommentare, dass es wie so eine Klassenfahrt ist und das stimmt auch. Wir haben mega viel Spaß zusammen, haben eine coole Zeit und wenn wir zwischendrin noch die Spiele gewinnen, sorgt es dafür, dass wir noch mehr Spaß haben", sagte David Raum während der EM.
"Man merkt sofort in der Kabine, dass die sich alle füreinander freuen. Da ist kein Stinkstiefel dabei, das ist schon sehr angenehm", bewertet selbst Bundestrainer Julian Nagelsmann die Situation um das Team.
"Natürlich fällt es einem leichter, gut drauf zu sein, wenn man Spiele gewinnt. Dementsprechend ist das erste Ziel, Spiele zu gewinnen. Dann kann man auch locker drauf sein und mal das Kind aus sich herauslassen", sagte DFB-Kapitän Kimmich auf seiner ersten Pressekonferenz im neuen Amt. Schließlich ist das Ziel klar: Titel gewinnen.
"Meine Generation hat nichts mehr zu verschenken. Wir wollen jedes Spiel, jeden Titel, jede Chance nutzen."
Da ist er dann doch wieder, der ehrgeizige Streber.
Michael Olise sorgt in der noch recht jungen Spielzeit beim FC Bayern für Furore. Der Flügelspieler ist mit seinen schnellen Dribblings und seiner Abschlussstärke maßgeblich dafür mitverantwortlich, dass der Rekordmeister wieder "bayernlike" auftritt und nach sechs Spieltagen auf Platz Eins der Tabelle steht.