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Union Berlin in der Krise: Der Kampf zwischen Champions League und Klassenerhalt

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Fragende Blicke: Aktuell weiß bei Union niemand so recht, wie es weitergehen soll. Bild: imago images / Contrast
Analyse

Krise bei Union Berlin: zwischen Champions League und Abstiegskampf

24.10.2023, 11:00
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In den letzten Jahren gab es bei Union Berlin stets nur eine Richtung: aufwärts. Vor vier Jahren sind die Köpenicker erstmalig in die erste Bundesliga aufgestiegen und haben seitdem entgegen aller Erwartungen und vor allem auch aller Logiken performt. Jedes Jahr wurde Union noch besser, noch effizienter, war streckenweise sogar Tabellenführer. In der vergangenen Saison gelang erstmalig die Qualifikation für die Champions League.

Es sind Geschichten wie diese, die eigentlich zu kitschig sind, um wahr zu sein. Auf einmal schallten (nur leicht ironisch) Meisterschaftsgesänge durch das Stadion an der Alten Försterei, statt Magdeburg heißt die Auswärtsreise plötzlich Madrid. Der Traum schien kaum enden zu wollen. Bis jetzt.

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Union Berlin: eine neue alte Realität

Mit 0:3 verlor Union Berlin am Wochenende zu Hause gegen den VfB Stuttgart. Es war wettbewerbsübergreifend die achte Pflichtspiel-Niederlage in Folge. Das ist das letzte Mal 2004 vorgekommen, in der Regionalliga. Platz 15 in der Liga ist die Konsequenz.

Am Dienstagabend spielt Union Berlin in der Champions League nun gegen Neapel. Ein Punktgewinn ist zwingend notwendig, um sich zumindest Chancen auf ein Weiterkommen in der Europa League auszurechnen. Dort ist nun erst einmal gute Stimmung angesagt: "Auch wenn Leichtigkeit und Selbstvertrauen nicht so da sind, musst du es trotzdem so positiv wie möglich angehen", sagte Union-Trainer Urs Fischer.

Anders ist die Situation in der Liga. Vor dem Spiel gegen Stuttgart fasste Fischer die Situation wie folgt zusammen:

"In den letzten Jahren haben wir eigentlich immer so die Wörter 'surreal' und 'Wahnsinn' gebraucht. Vielleicht müssen wir jetzt das Wort 'Realität' auch mal gebrauchen, in der wir uns befinden."

Es stimmt: Union Berlin befindet sich in einer neuen Realität. Oder ganz richtig ausgedrückt: in einer alten.

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Anzug statt Trainingsanzug: Für die Champions League hat Urs Fischer seine Kleidung angepasst. Bild: imago / jan huebner

Noch vor der Saison sprach Urs Fischer in einem nicht enden wollenden Echo vom "Saisonziel Klassenerhalt" und dem "Kerngeschäft Bundesliga". Die 40-Punkte-Marke sei das oberste Ziel. Wohlgemerkt vom Trainer einer Mannschaft, deren Leistung in der Vorsaison nur von drei anderen Teams übertroffen wurde. Und die im Sommer schier unglaubwürdige Transfers tätigte.

Leonardo Bonucci, Robin Gosens, Kevin Volland – die Zugänge, die Union verbuchte, hatten Signalwirkung. Champions-League-Erfahrung wolle man sich einkaufen. Hinzu kamen mit Brenden Aaronson und David Fofana hochkarätige Leihen aus der Premier League. Ganz automatisch änderte sich so auch die externe Erwartungshaltung. Aber nur weil Champions League draufsteht, ist nicht auch gleich Champions League drin, wie sich schnell bemerkbar machte. Dabei begann die Saison vielversprechend.

Ungewöhnlich viele Verletzte bei Union Berlin

Mit 4:1 gewann Union das Auftaktspiel gegen Mainz, Kevin Behrens machte gleich drei Kopfballtore und fuhr anschließend mit dem Fahrrad nach Hause. Eine Woche später holte Union trotz 70 Minuten in Unterzahl einen Auswärtssieg in Darmstadt, wobei Gosens bei seinem Startelfdebüt direkt zweimal traf. Der Köpenicker Tagtraum schien direkt weiterzugehen.

Doch bereits im nächsten Spiel folgte das Erwachen. Nach 24 ungeschlagenen Spielen ging gegen Leipzig wieder eine Partie vor heimischen Publikum verloren. Erklärungsansätze dafür gab es noch viele, sieben verlorene Spiele später hat die Ratlosigkeit überhandgenommen.

So wurde anfänglich die Verletzungsmisere als einer der Gründe angeführt, warum es teilweise noch stotterte. Tatsächlich hatte Union in dieser Saison mit ungewohnt vielen Ausfällen zu kämpfen. Für die Berliner in der Bundesliga-Geschichte erstmalig.

Urs Fischers Automatismen konnten nicht greifen

Allen voran Rani Khedira fiel als Bindeglied zwischen Abwehr und Mittelfeld lange aus und gab erst gegen Stuttgart sein Comeback. Zwischenzeitlich fehlten auch Robin Knoche, Janik Haberer, Lucas Tousart, und Sheraldo Becker verletzt. Aktuell fallen Josip Juranovic, Jerome Rousillon und András Schäfer aus. Von Spiel zu Spiel musste Urs Fischer erneut umdisponieren, eine Idee ließ sich gerade für die Neuzugänge so nur schwer vermitteln. Die steht in Köpenick aber über allem.

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Mit Rani Khedira fiel ein Unioner Leistungsträger lange aus. Bild: imago / Matthias koch

Bei Pressekonferenzen schöpft Urs Fischer aus dem immergleichen Vokabular: Es gehe um die "Basics", um "Automatismen", darum, "das Gesicht auf den Platz zu bringen". Was phrasenhaft klingen mag, fasst die Unioner Spielweise prinzipiell treffend zusammen – und zeigt zugleich, woran es derzeit mangelt.

Der Mainzer Trainer Bo Svensson sagte über Union: "Sie spielen seit einigen Jahren das Gleiche. Das ist nicht so schwer zu analysieren, aber es ist sehr schwer, dagegen zu spielen." In der Praxis bedeutet das: hinten kompakt stehen, körperlich auftreten, durch schnelles Umschaltspiel nach vorne kommen und schließlich mit Flanken und Standards Tore erzielen.

Union Berlin: Sicher geglaubte Tugenden funktionieren nicht mehr

Das hat in den letzten Jahren sehr gut geklappt, vor allem gegen nominell bessere, spielstärkere Gegner. Sobald Union in Führung ging, war es als Gegner unglaublich schwer, zurück ins Spiel zu kommen. Gerade das Köpenicker Kernstück, die defensive Absicherung, greift in der aktuellen Spielzeit aber kaum. Union-Kapitän Christopher Trimmel konstatierte: "Diese vielen Gegentore, das sind nicht wir, das ist nicht Union-like." Anders gesagt: Die "Basics" funktionieren nicht.

Hinzu kommt, dass Union auch vorne die Durchschlagskraft vermissen lässt. Offensiv gehörte es zwar nie zu den Stärken der Berliner, massenhaft Chancen zu kreieren, allerdings wurden die wenigen immer konsequent verwandelt. Auch von dieser Effizienz ist derzeit nichts mehr zu sehen. Oder um es mit Union-Manager Oliver Ruhnert zu sagen: "Es liegt daran, dass wir keine Tore erzielen und auf der anderen Seite viel zu viele kassieren."

Richtige Schlüsse lassen sich daraus aber aktuell nicht wirklich ziehen. Bei der Fehleranalyse sind sich in Köpenick alle einig, es scheint daran zu hapern, die Theorie auch in der Praxis umzumünzen. "Ich kann immer wieder das Gleiche erzählen, aber im Endeffekt müssen wir das, was wir analysiert haben, auf den Platz bekommen", bemühte sich Robin Knoche um eine Erklärung. "Weniger individuelle Fehler machen – sowohl vor den Gegentreffern als auch vor dem gegnerischen Tor."

Urs Fischer scheint unantastbar zu bleiben

Trotz des deutlichen Negativtrends scheint aber niemand ernsthaft infrage zu stellen, ob Urs Fischer noch der richtige Trainer ist. Zu groß sind die Leistungen des Mannes, der den Verein von der 2. Bundesliga in die Champions League geführt hat, zu wichtig ist Fischer für die gesamte Mannschaft.

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Als Manager von Union hat Oliver Ruhnert maßgeblich am Erfolg der letzten Jahre mitgewirkt.Bild: dpa / Soeren Stache

Fußball sei ein Ergebnissport und entsprechend müssten Ergebnisse erzielt werden, sagte Ruhnert, man sei aber "bereit, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Das weiß er und diese Rückendeckung kennt er auch." Fischer selbst hält ohnehin nichts von Personaldiskussionen, entsprechend auch nicht über seine Person.

Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Neapel sagte er: "Jetzt ist es zum ersten Mal so richtig stürmisch und das sollten wir gemeinsam angehen". Er glaube, dass seine Worte immer noch bei der Mannschaft ankämen, folglich sei ein Rücktritt keine Option.

Union mag im Sommer einen enormen Wandel vollzogen haben und die Champions-League-umsäumte Realität lässt den Verein in ungewohnt schillerndem Glanz erstrahlen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Selbstbild ein anderes ist.

"Wenn man von Entwicklung spricht, muss man auch mal zwei Schritte zurück machen, um wieder einen nach vorne gehen zu können", sagte Urs Fischer vor einigen Wochen. In Köpenick kann er sich der Zeit für diese Entwicklung gewiss sein. Das Saisonziel ist schließlich nur der Klassenerhalt.

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