Seit September 2008 gehört Manchester City der Abu Dhabi United Group (ADUG) an und ist damit eng mit dem Königshaus der Vereinigten Arabischen Emiraten verbunden. Denn Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan ist Besitzer der ADUG und gleichzeitig Mitglied der Herrscherfamilie. Seit der Übernahme investierte er alleine für Spielerverpflichtungen 2,036 Milliarden Euro.
Ähnlich verhält es sich mit Katar und der Investorengruppe Qatar Sports Investments (QSI), die eng mit dem Emirat Katar verbunden ist. Nasser Al-Khelaifi ist Geschäftsführer der Gruppe und kaufte 2011 den französischen Klub Paris St. Germain. In nur elf Jahren investierte er 1,405 Milliarden Euro und ist außerdem Präsident des Klubs.
Diese Entwicklungen sind Teil einer Strategie von autoritären Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Katar.
Das Phänomen nennt sich Sportswashing. Was steckt genau dahinter? Warum investieren Staaten in Fußball-Klubs? Was haben die Klubs davon und warum stehen sie in der Kritik?
Wenzel Michalski, der deutsche Direktor von Human Rights Watch erklärt den Begriff so: "Sportswashing ist ein Modeausdruck, der dafür angewendet wird, wenn Sport von autoritären Staaten genutzt wird, um den Ruf aufzupolieren und Missstände zu vertuschen."
Das neueste Beispiel dafür ist Saudi-Arabien und Newcastle United. Im Oktober übernahm der Public Investment Fund (PFI) den aktuellen Abstiegskandidaten der Premier League. Der PFI ist ein Staatsfonds von Saudi-Arabien, dessen Vorsitzender der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman ist.
Das frische Geld aus dem saudischen Königshaus nutzte Newcastle sofort im Wintertransferfenster. Insgesamt 102 Millionen Euro zahlten die Magpies für Spieler wie Kieran Trippier, Chris Wood oder Bruno Guimarães. Durch diese Spieler soll der sportliche Aufschwung kommen: in dieser Saison zunächst durch den Klassenerhalt, danach will Cheftrainer Eddie Howe den Klub in eine erfolgreiche Zeit führen – mit dem Geld aus dem Emirat.
Der saudische Geschäftsmann, der nun in Newcastle das Sagen hat, ist gleichzeitig auch Direktor des PFI und dafür zuständig, durch sportlichen Erfolg in Newcastle das Image von Saudi-Arabien zu verbessern. Das ist auch den englischen Medien und Fans bewusst. So stellt Tom Roddy, Journalist für "The Times" und für die "Sunday Times", gegenüber watson fest: "Es ist generell anerkannt, dass die Übernahme nichts anderes als Sportswashing ist. Es ist der Versuch, Fußball und Newcastle United, einen wunderbaren, historischen Klub im englischen Fußball, als Werkzeug zu nutzen, um das Image – und tatsächlich die Realität – von Saudi Arabien zu reinigen."
Michalski von Human Rights Watch formuliert es gegenüber watson sogar noch drastischer. "Die Fußball-Vereine und sämtliche Verbände sind so korrupt, dass sie dieses Geld annehmen und sich mit in die Propaganda-Maschine setzen, um aktiv den Ruf der Staaten, die Menschenrechtsvergehen begehen, sauber zu waschen", erklärt er.
Und wie verhalten sich die Fans bei solchen Vorgängen? Welche Rolle nehmen Sie ein?
Nach der saudischen Übernahme von Newcastle gingen in den sozialen Medien viele Videos von fanatischen Newcastle Fans herum. Sie feierten die neuen finanziellen Mittel. Michalski widerspricht aber dem Eindruck, dass die Fanszene nur diese Sichtweise vertrete: "Nach der Übernahme von Newcastle durch den Staatsfond von Saudi-Arabien wurden hauptsächlich die Fans sichtbar gemacht, die sich gefreut haben. In den Sozialen Medien hat man aber hauptsächlich Enttäuschung und Wut der Fans mitbekommen, aber auch in den britischen Medien wurde das kritisch betrachtet."
Dagegen spricht eine Umfrage des Fanverbandes "Newcastle United Supporters' Trust". Kurz nach der Übernahme veröffentlichte dieser Verband das Meinungsbild der Newcastle-Fans. Das Ergebnis: 93 Prozent der Befragten befürworten die Übernahme.
Roddy aus England schildert ein zwiegespaltenes Fanlager. Er ist der Meinung, dass sich auch die Fans und Bewohner der "fürchterlichen Menschenrechtslage" in Saudi-Arabien bewusst seien:
Ganz eng mit dieser Meinung ist die Frage verbunden, inwiefern Geld für den Erfolg im Fußball verantwortlich ist. Roddy stellt daraufhin zunächst die Gegenfrage, was man als erfolgreich bezeichnen würde: "Burnley ist in den vergangenen fünf Jahren in der Premier League geblieben mit einem extrem kleinen Budget. Die teuerste Verpflichtung in der vergangenen Saison war Dale Stephens für eine Millionen Pfund (1,2 Millionen Euro, d. Red.)." Kurioserweise wurde Burnley im Dezember 2020 von der US-Firma ALK Capital übernommen. In der aktuellen Saison stecken sie mitten im Abstiegskampf, während in den Jahren davor die Plätze 7, 15, 10 und 17 erreicht wurden.
Mit Platz 7 gewinnt man allerdings im modernen Fußball keine Titel. Und wenn man sich nur über Trophäen definiert, sieht auch Roddy, dass Geld ein entscheidender Faktor ist: "Aktuell gibt es keinen beeindruckenderen Verein als Manchester City. Wäre das ohne die Übernahme durch Abu Dhabi 2008 möglich gewesen? Absolut nicht."
Erfolgsstorys, wie die Meisterschaft von Leicester City 2016 im zweiten Premier-League-Jahr nach dem Aufstieg seien immer seltener werdende Ausnahmen. "Aber in der aktuellen Ära benötigt es Geld, um regelmäßig mit der Elite mithalten zu können."
In Deutschland sind solche Klub-Übernahmen nicht möglich. Die 50+1-Regel verhindert das. Trotzdem gibt es auch in der Bundesrepublik das Phänomen des "Sportswashing". Laut Menschenrechtsaktivist Michalski ist es aber noch nicht so ausgeprägt wie in England. "Dennoch gibt es Anzeichen dafür und eine wache Fan-Szene, die sich kritisch, lautstark und effektiv zu Rechtsvergehen von Ländern, mit denen die Vereine zu tun haben, äußern. Als Beispiele sind hier Gazprom und Qatar-Airways zu nennen. Letzteres wurde auf der Mitgliederversammlung des FC Bayern zuletzt ganz offensichtlich."
Michalski spricht die Mitgliederversammlung des Rekordmeisters vom November 2021 an. Dort wurde heftig darüber diskutiert, ob die Partnerschaft mit der katarischen Airline auch über den Sommer 2023 hinaus bestehen solle. Einen Mitgliedsantrag, darüber auf der Versammlung abzustimmen, hatte die Vereinsspitze nicht zugelassen. Noch ist offen, wie der Verein sich entscheiden wird.
Wie funktioniert nun aber die Verbesserung des Images durch Investition von mehreren Millionen Euro in Sportvereine? Michalski erklärt das so: "Sportswashing soll nach außen auf andere Staaten, aber auch nach innen auf die Bevölkerung wirken. Die eigenen Bürger und Bürgerinnen sollen beruhig werden und es soll gezeigt werden, dass der Staat in der Welt wichtig ist und dass das Land gefeiert wird."
Dabei ist die Übernahme eines Vereins nur eine Komponente des Sportswashings. Andere Formen sind die Austragungen von einzelnen Events. Beispielsweise durch Formel 1 Rennen, die neuerdings in Abu Dhabi, Katar und Saudi-Arabien stattfinden oder aber auch durch Weltmeisterschaften oder die Olympischen Spiele in autoritären Staaten.
Bleibt die Frage, ob Fußball-Profis selbst etwas machen können, um gegen Sportswashing vorzugehen. Die naheliegendste Möglichkeit wäre, Vereine zu meiden, die von autoritären Staaten finanziert werden. Roddy ist allerdings skeptisch, dass so etwas passiert: "Man würde gerne annehmen, dass Spieler an der Geschichte ihrer Vereinsbesitzer interessiert sind – und manche werden das auch sein. Aber in der Realität wollen Spieler Trophäen gewinnen und ihre Gehälter verbessern."
Dennoch gibt es auch Hoffnung. Finnlands Kapitän der Nationalmannschaft, Tim Sparv, übte schon mehrfach Kritik an der Weltmeisterschaft in Katar. In einem Beitrag für "The Players Tribune" schrieb er im September 2021: "Bitte sprecht weiter über die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Haltet die Diskussion in Gang. Bringt Eure Unterstützung für die Gastarbeiter weiter zum Ausdruck. Übt mehr Druck auf Katar und die FIFA aus." Es ist zumindest auch ein Zeichen dafür, dass Sportler ihre Stimme gegen Sportswashing erheben.