Der FC Bayern München hat am Samstag NICHT gegen den SV Werder Bremen gewonnen. In 22 Spielen in Folge hatten die Münchener zuvor den SVW geschlagen, eine historisch einzigartige Serie seit der Bundesligagründung. Und jetzt reichte es ausgerechnet gegen den Lieblingskontrahenten nur zu einem 1:1-Unentschieden.
Während das Remis beim Abomeister für die Bremer ein wichtiger Punktgewinn war, war es für die Bayern der Verlust von zweien – und ein Patzer im Titelkampf. Das Ergebnis reichte den Münchnern zwar, um die Tabellenführung mit nun 19 Punkten zu verteidigen. Doch dahinter lauern Dortmund und Leverkusen mit je 18 Zählern, auch Leipzig ist mit 17 in Schlagdistanz.
"Wir hatten zu wenig Tormöglichkeiten, das war das Manko", beklagte Bayern-Kapitän Manuel Neuer nach seinem 400. Pflichtspiel für den FC Bayern. Damit hatte der Torwart, der mit vielen Paraden Schlimmeres verhindert hatte, recht. Offensiv kam lange zu wenig aus dem Mittelfeld. Douglas Costa, der 17 Jahre junge Jamal Musiala, Thomas Müller und Ausgleichstorschütze Kingsley Coman brachten wenig Zwingendes zustande. Stürmer Robert Lewandowski blieb ohne Durchschlagskraft.
Doch es waren nicht nur die wenigen gefährlichen Offensivaktionen, die dazu führten, dass Bayern nicht gegen Werder gewonnen hat. Die Konteranfälligkeit des FCB, die in dieser Saison bereits oft zu erahnen war, zeigte sich gegen die schnelle Bremer Offensivreihe deutlich. Aber auch generell präsentierte sich die Defensive in einfachsten Situationen erschreckend anfällig.
Javi Martínez, der den Vorzug vor dem in der Bundesliga bislang nur für eine Minute gegen den 1. FC Köln eingesetzten Neuzugang Marc Roca erhielt, startete als alleiniger Sechser vor der Abwehr. Der 32-jährige Spanier ließ sich beispielsweise vor dem 0:1 durch Maximilian Eggestein nach einem Bremer Einwurf (!) von Vorbereiter Josh Sargent übertölpeln. "Ein ganz, ganz billiges Gegentor", haderte Thomas Müller. "An vielen Tagen gewinnen wir solche Spiele noch, diesmal hat es leider nicht geklappt. Deswegen gehen wir sehr verärgert aus dem Spiel."
In der Bayern-Abwehr haperte es vor allem wegen vieler Ausfälle. Joshua Kimmich, der sich gegen Borussia Dortmund eine Knieverletzung zugezogen hatte, fehlte dabei als Abräumer, Organisator und Lautsprecher vor der Viererkette. Außerdem fallen aktuell die Abwehrspieler Alphonso Davies (links) sowie Bouna Sarr (rechts) aus, der defensive Mittelfeldspieler Corentin Tolisso fehlt ebenfalls. Zudem beklagt Flick bei Niklas Süle Trainingsrückstand. Der Innenverteidiger saß gegen Werder auf der Tribüne: "Er muss bei 100 Prozent sein, dann ist er wieder ein Thema für uns", sagte Flick.
Und jetzt muss er wohl schon den nächsten Ausfall beklagen. Schon nach 19 Spielminuten musste am Samstag nämlich Lucas Hernández früh ausgewechselt werden. Der Franzose hatte nach einer unsanften Landung aufs Becken Probleme beim Auftreten. Für ihn kam Leon Goretzka ins Spiel, Martínez rückte dafür zurück in die Innenverteidigung, David Alaba auf die Linksverteidigerposition, die Hernández bekleidet hatte.
Der Klub gab kurze Zeit später bekannt, dass der Spieler eine Prellung erlitten habe. Sein Einsatz im Champions-League-Spiel gegen RB Salzburg am Mittwoch (21 Uhr/Sky) ist fraglich. Die Partie gegen den österreichischen Meister ist eines von noch acht anstehenden Pflichtspielen im Jahr 2020, der FCB muss zwischen dem 25. November und dem 19. Dezember fast alle drei Tage antreten.
Die verletzungsbedingten Umstellungen wollte Flick vor diesem Marathon aber nicht für die wacklige Abwehr verantwortlich machen. "Jeder Spieler weiß, was er zu tun hat. In ein paar Situationen waren wir einfach nicht so gut auf die schnellen Konter eingestellt und sind nicht ganz so mitgegangen, wie man es machen muss", sagte der Coach nach dem Bremen-Spiel, das einen Vorgeschmack auf die schwierigen acht Aufgaben des Triple-Gewinners in Bundesliga und Champions League bot.
Es wird nicht einfacher für Flick, das weiß er selbst. "Klar wird es jetzt ein bisschen eng auf gewissen Positionen", sagte er und fügte hinzu, dass er für die kommenden Aufgaben "kreativ sein" muss. Am Samstag ging das schief. Obwohl Werder genau so spielte wie von Flick erwartet, tat sich sein Team schwer.
Das Problem ist nicht neu. Beim Blick auf die Bundesligatabelle kann man es ablesen: Die Bayern haben zwar 28 Tore auf der Habenseite (davon acht gegen Schalke) und das beste Torverhältnis der Liga (+16). Aber sie haben auch schon zwölf Gegentore kassiert, das ist der schlechteste Wert in der Top sechs der Tabelle – um nicht zu sagen: eher Mittelmaß.
Flick hofft nun vor dem Champions-League-Gruppenspiel gegen Salzburg, dass für seine Defensive wenigstens die angeschlagenen Corentin Tolisso und Bouna Sarr wieder zur Verfügung stehen werden. Sarr könnte als Rechtsverteidiger einspringen, wenn Benjamin Pavard nach innen rückte. Notfalls könnte der Neuzugang aus Marseille aber auch statt Alaba hinten links spielen, wo nun Davies und Hernández ausfallen. Tolisso ist wohl die erste Alternative, um Kimmich vor der Abwehr zu ersetzen, da Martínez nicht mehr alle drei Tage spielen kann. Im Zweifelsfall wäre Tolisso sogar eine Option als Rechtsverteidiger.
Auch Marc Roca könnte gegen Salzburg auf der Sechs spielen. Vor dem 1:1 gegen Werder hatte ihn Flick noch für seine guten Leistungen im Training gelobt, dann saß der von Espanyol Barcelona verpflichtete U21-Europameister aber wieder 90 Minuten lang nur auf der Ersatzbank.
Ebenso Tanguy Nianzou, der als Innenverteidiger und im defensiven Mittelfeld einsetzbar ist. Der Franzose, im Sommer von PSG verpflichtet, ist allerdings auch erst seit kurzer Zeit wieder fit, nachdem er sich im September verletzt hatte. Außerdem ist er mit 18 Jahren noch sehr jung und soll eigentlich vorsichtig an die erste Mannschaft herangeführt werden.
Flick gibt sich angesichts des Jahresendspurts mit acht Spielen innerhalb von nicht einmal vier Wochen und vielen Verletzten gelassen: "Darauf sind wir eingestellt. Wir haben einen großen Kader. Es kommen jetzt auch wieder Spieler dazu, von daher glaube ich, dass wir das ganz gut wegstecken können."
Überhaupt seien das Spiel gegen Bremen und die zwei verlorenen Punkte kein Anlass, um Alarm zu schlagen, meinte Flick: "Es wird auch wieder andere Spiele geben."
Der Bayern-Trainer nahm vor den noch drei Königsklassen-Spielen und fünf Bundesliga-Partien in diesem Jahr vielmehr die wichtige Erkenntnis mit, dass der Wille des Serienchampions weiter groß ist. "In der zweiten Hälfte hat die Mannschaft alles versucht. Sie hat die Mentalität. Das ist das, was mir sehr imponiert", sagte der 55-Jährige.
Als Tabellenführer in Bundesliga und Champions League sind die Münchner auch immer noch bestens auf Kurs. Dennoch: Die Zahl mühsamer und defensiv anfälliger Auftritte nimmt gerade im Vergleich zur imposanten Triple-Saison 2019/20 zu.
(as/mit Material von sid und dpa)