In exakt 240 Tagen startet die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Auch die deutsche Nationalmannschaft wird beim umstrittenen Turnier in der Wüste dabei sein und hat noch mehr als ein halbes Jahr, um sich optimal darauf vorzubereiten.
Denn eins ist klar: Deutschland ist qualifiziert und wird auf jeden Fall teilnehmen. Einen Boykott wird es nicht geben, obwohl immer wieder die Menschenrechtssituation vor Ort kritisiert wird. Ein Hauptgrund der Kritik sind die schlechten Arbeitsbedingungen der Stadion-Bauarbeiter, von denen über die Jahre mehr als 15.000 ums Leben gekommen sein sollen.
Im "Stern"-Interview begründete Bundestrainer Hansi Flick die Entscheidung gegen einen Boykott der WM: "Den Menschen in Katar wäre damit nicht geholfen. Wir wollen teilnehmen und dann Signale setzen. Das halte ich für effektiver." Diese Meinung teilt auch Oliver Bierhoff, der Geschäftsführer der Nationalmannschaften beim DFB, und bereitet deshalb das WM-Jahr aktuell penibel vor.
Das Besondere ist so offensichtlich, wie heiß diskutiert: Statt im Juni und Juli findet die WM im November und Dezember in Katar statt. Aufgrund der hohen Temperaturen in den Sommermonaten war diese Verlegung nötig.
"Ein WM-Jahr ist immer etwas Besonderes. Dieses Mal auch unter dem Aspekt, dass sich die Anspannung immer steigert und zum Ende des Jahres der Höhepunkt kommt", erklärt Bierhoff über den Unterschied in diesem Jahr
Das Ziel für das Turnier nahm Nationalmannschaftskapitän Manuel Neuer schon beim Amtsantritt von Hansi Flick im August 2021 ins Visier: der WM-Titel. Vor den ersten Spielen des Jahres gegen Israel (Samstag) und die Niederlande (Dienstag) bekräftigte Neuer jetzt sein Vorhaben "Für mich gibt es da nur ein Ziel: den Weltmeistertitel. Das haben wir uns auf die Fahne geschrieben. Dementsprechend habe ich vom ersten Tag an versucht, dieses Ziel zu verfolgen."
Um am Ende den Titel auch wirklich zu holen, sind aber nicht nur die Topspieler beispielsweise vom FC Bayern, Borussia Dortmund oder dem FC Chelsea wichtig. Auch die Profis aus der zweiten Reihe müssen regelmäßig Spielzeit und Erfolge sammeln. Sie sorgen für die nötige Breite im Kader. Das weiß auch Bierhoff. Er betont, dass es Spieler gebe, die weniger Einsatzzeiten bekommen. Der ehemalige Nationalstürmer nennt Julian Draxler und Thilo Kehrer von Paris St. Germain.
Beide kommen beim französischen Meister zwar regelmäßig zum Einsatz, allerdings meist als Einwechselspieler. Bierhoff stellt klar: "Es sind zwei Spieler mit unglaublich großem Potenzial. Es wird entscheidend sein, dass wir Spieler im November haben, die im Saft stehen, Vertrauen haben und eine gewisse Spielkontinuität haben." Bedeutet auch: Von der Leistungsfähigkeit sieht Bierhoff beide im Kader, allerdings müssen sie auf regelmäßige Spielzeit kommen.
Ein Wechsel im Sommer könnte daher naheliegen, damit sowohl Kehrer als auch Draxler in der neuen Saison Spielzeit sammeln. Ein weiterer Spieler, der im Sommer auf jeden Fall den Verein wechseln wird, ist Matthias Ginter. Der Innenverteidiger verlängerte seinen Vertrag in Gladbach nicht, ist nun auf Vereinssuche.
Damit seine Chancen auf eine WM-Nominierung steigen, spricht er auch mit Bundestrainer Hansi Flick über seinen Wechsel. Auf einer Presserunde sagte er kürzlich: "Natürlich habe ich auch mit dem Bundestrainer gesprochen, wie er meine Situation sieht. Da sind wir im Austausch, wenn es konkreter wird, werden wir sicherlich darüber sprechen."
Neben der Arbeit mit den Spielern stehen für den DFB aber auch ganz andere Aufgaben an. Beispielsweise muss Oliver Bierhoff noch immer ein Quartier für die Weltmeisterschaft finden. Das mache er abhängig von Auslosung der WM-Gruppen am 1. April. Bierhoff werde nach der Auslosung noch einmal nach Katar fliegen, um sich noch weitere Unterkünfte anzuschauen. Erst dann entscheidet er, wo die Nationalmannschaft unterkommen wird.
Dabei stellen sich in Katar andere Probleme dar, als bei den Turnieren zuvor in Russland, Brasilien oder Südafrika. In diesen großen Ländern sei die Aufgabe gewesen, die Reisen zu den einzelnen Spielen möglichst kurzzuhalten. In Katar ist das anders. Die Stadien liegen in einem Radius von maximal 60 Kilometer um Doha entfernt.
"Es sind zwar kurze Distanzen, aber dafür eine unglaubliche Menge an Menschen, wenn man schaut, wie viele Mannschaften auf kleinstem Raum an einem Spieltag hin und herreisen müssen."
Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum möglichen WM-Titel könnten die Nations-League-Spiele im Juni sein. Innerhalb von zehn Tagen spielt das DFB-Team gegen England, Ungarn und gleich zweimal gegen Italien. Bei diesen Partien soll sich der Stamm der möglichen WM-Mannschaft einspielen.
"Auch wenn da viele Spiele sind, ist der Juni ein wichtiger Zeitpunkt, um diese Mannschaft noch ein bisschen mehr zu prägen und zu formen", erklärt Bierhoff.
Ähnlicher Meinung ist wohl auch Flick. Der Bundestrainer sieht die Spiele gegen Israel und die Niederlande als eine der wenigen Möglichkeiten, sich im DFB-Dress zu präsentieren und Werbung für eine WM-Nominierung zu machen.
Über Julian Weigl, der nach fünf Jahren wieder im Kreise der Nationalmannschaft zurück ist, sagte Flick: "Jetzt geht es darum, sich vor den entscheidenden Spielen in der Nations League zu zeigen. Spieler, die wir noch nicht so im Fokus hatten, können sich zeigen."
Nach den Spielen in der Nations League hat Flick sogar noch eine Länderspielpause im September (19. – 27.). Zu diesem Zeitraum wird vermutlich schon ein großer Teil des WM-Kaders im Kopf von Flick sein. Die letzten Wackelkandidaten werden sich dann zeigen dürfen. Über diese Zeit bei der Nationalmannschaft sagte Bierhoff: "Der September ist ein eher flüchtiger Termin im Vergleich zum Juni, wo wir etwas mehr Zeit haben."
Ein genaues Datum zur finalen Kaderbekanntgabe steht noch nicht. Unklar ist auch noch immer, ob die Nationaltrainer 23 oder 26 Spieler mitnehmen dürfen. Eigentlich sind bei solchen Turnieren 23 Profis pro Land dabei. Bei der EM im vergangenen Jahr durften drei Akteure mehr mitgenommen werden.
Der Grund: Um auf mögliche Corona-Fälle besser reagieren zu können, durfte der Kader aufgestockt werden.
Diese Erhöhung findet auch Flick gut: "Grundsätzlich ist ein 26er-Kader immer einfacher für die Trainer. Es ist nicht immer so einfach, weil man am Ende zwei oder drei Spielern vor einem Turnier sagen muss, dass sie nicht dabei sind."
Flick selbst wird am 31. März nach Katar fliegen, um zur Auslosung der Gruppen vor Ort zu sein. Dann soll auch eine Zusammenkunft der Nationaltrainer mit der Fifa stattfinden.
Der 57-Jährige erhofft sich davon, dass auch solche organisatorische Dinge geklärt werden, damit die penible Vorbereitung auf Katar dann weiter angegangen werden kann und Deutschland vom WM-Titel träumen darf.