
Historisch: Die deutschen Basketballerinnen sangen in Paris 2024 die Nationalhymne.Bild: IMAGO/camera4+
Sport
Das Jahrzehnt des Frauen-Basketballs ist ausgerufen. Die Sportart boomt, Erfolge und weibliche Vorbilder sind da. Die Zukunft scheint rosig. Oder?
16.06.2025, 20:5716.06.2025, 20:57
Am Ende flossen die Tränen. Kaum hatte die Sirene das Spiel beendet – das französische Publikum feierte ihre Basketballerinnen unter frenetischem Applaus – war das Lächeln von Leonie Fiebich verschwunden. Ihre Mundwinkel kippten nach unten und die Schultern nach vorne, von großer Traurigkeit gezogen.
In dem Moment realisierte sie wohl: Der Traum von einer Medaille war geplatzt. Die DBB-Auswahl, die sich zu viele Ballverluste erlaubt hatte, schied gegen Frankreich aus. Die Endstation war erreicht, das Aus im olympischen Viertelfinale im Sommer 2024 besiegelt.
"Wir hätten physischer sein müssen. So wie wir am Ende gespielt haben, hätten wir immer spielen müssen", sagte Satou Sabally später, deren glasige Augen dennoch Zuversicht ausstrahlten.
Zwischen all den Tränen mischte sich an jenem Abend auch eine Art Aufbruchstimmung. "Uns hat keiner bei den Olympischen Spielen erwartet und wir haben es bis ins Viertelfinale geschafft", sagte Bundestrainerin Lisa Thomaidis. "Wir hoffen, dass das nur der Anfang war."
Willkommen im Jahrzehnt des Frauen-Basketballs
Der Einzug ins Viertelfinale darf als größter Erfolg im deutschen Frauen-Basketball gewertet werden. Zum ersten Mal überhaupt qualifizierten sich die Korbwerferinnen für ein olympisches Turnier. Dass die DBB-Auswahl auf Anhieb den Sprung unter die besten acht Teams der Welt schaffen würde, hatte kaum jemand erwartet. Auch, wenn man im Vorjahr sah, was in ihr steckte.
"Jetzt haben wir ein bisschen Geschichte geschrieben", sagte Lisa Thomaidis nachdem sie mit ihrem Team ins EM-Viertelfinale eingezogen war. Das beste Ergebnis seit der EM-Bronze 1997.
So vermessen das an dieser Stelle nun klingen mag, die Aussage von Thomaidis gehört korrigiert. Nicht der Viertelfinaleinzug in Paris 2024 war der Anfang eines Jahrzehnts, welches den Basketballerinnen gebühren sollte.
Im Februar des Vorjahres trat der Präsident des Deutschen Basketball Bunds (DBB) vor ein Mikro und rief eine neue Ära aus: "Wir haben zuletzt viel für die Herren getan", sagte Ingo Weiss, "jetzt sind mal die Damen dran."
Basketball-Boom: Der Sport hat auch weibliche Gesichter
Nach der erfolgreichen Europameisterschaft der Herren in Köln und Berlin 2022 wollte man auch ein Großturnier mit weiblicher Besetzung nach Deutschland holen.
Das gelang gleich doppelt: Seitdem feststeht, dass Hamburg als eine von vier europäischen Städten die Frauen-EM 2025 hostet, und Berlin zum Austragungsort der Frauen-WM 2026 wird, erfährt die Sportart einen Schub.
"Das Momentum ist auf unserer Seite."
Befeuert wurde dieser durch eine olympische Goldmedaille im 3x3-Basketball, errungen von Svenja Brunckhorst, Sonja Greinacher, Elisa Mevius und Marie Reichert, die Mannschaft des Jahres bei der entsprechenden ZDF-Gala.
"Das war auch das Ziel", sagt Svenja Brunckhorst im Interview mit watson und meint damit die Goldmedaille. Olympia sei die perfekte Plattform gewesen, um die Sportart einem breiten Publikum zu präsentieren.
Fiebich, Sabally und Co.: Basketball ist weiblich
Für nicht weniger Schlagzeilen sorgten später zwei andere Basketballerinnen: Leonie Fiebich und Nyara Sabally von den New York Libertys. Den Nationalspielerinnen war gelungen, was nur Marlies Askamp mit den Los Angeles Sparks geschafft hatte, zwölf Jahre zuvor. Fiebich und Sabally gewannen die US-amerikanische WNBA – die beste Liga im Frauen-Basketball.
Ein großer Erfolg für die beiden, aber eine noch viel größere Errungenschaft für den Frauen-Basketball in Deutschland. Dass Fiebich und Sabally nun den mit Diamanten besetzten Champions Ring an ihren Händen tragen, ist der Beweis dafür, dass Basketball "Made in Germany" nicht nur Dirk Nowitzki, die Wagner-Brüder oder Dennis Schröder ist.
Der Basketball hat nun weibliche Gesichter. Vorbilder und Superstars, die laut Brunckhorst "ihre Stimme nutzen und Missstände ansprechen". Wie Satou Sabally.

Punktet seit der Saison 2025 für Phoenix Mercury: Satou Sabally.Bild: AP / Ross D. Franklin
Deutschlands wohl populärste Basketballerin will mehr sein als eine Frau, die auf höchstem Niveau Basketball spielt. "Ich will als Aktivistin gesehen werden", sagte sie in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". "Ich bin eine schwarze Frau, ich habe eine Plattform – und die will ich nutzen."
Das "Momentum", wie Svenja Brunckhorst sagt, "ist auf unserer Seite". Jetzt, in einem Zeitalter, in dem neue Identifikationsfiguren geboren sind und der Erfolg langsam Früchte trägt, haben sich Möglichkeiten eröffnet, den Sport zu professionalisieren. "Bei den Dingen, die wir über Jahre gefordert haben, machen wir aktuell einen riesigen Schritt", sagt Brunckhorst.
Sei es die Forderung nach mehr hauptamtlichen Stellen, individuellen Sessions oder zwei Lehrgängen statt nur einem im Sommer – es tut sich was im DBB. Das spürt auch Brunckhorst abseits vom Court.
Frauen-Basketball: Investitionen fehlen
Die Goldmedaille von Paris hat der ehemaligen Nationalspielerin, die ihre Karriere nach Olympia beendet hat, neue Türen geöffnet. Eine davon befindet sich in der Cantianstraße in Berlin. Dort, wo Alba Berlin seinen Geschäftsstellensitz hat, haben sie eine Managerin für Frauen- und Mädchenbasketball gesucht. "Eine Frau mit Expertise", wie Brunckhorst sagt.
Wer wäre dafür also besser geeignet als sie? Eine, die früher in Schulturnhallen gespielt hat, deren Boden mit einem bunten Mix aus Linien übersät war. Jetzt, ganz offiziell im spielerischen Ruhestand angekommen, hofft sie darauf, dass der Basketball-Hype kein "einmaliges Ding" ist.
Denn trotz aller Bekundungen, man wolle Frauensport fördern – die Sponsoren, "damit die Spielerinnen vom Sport leben können", fehlen noch immer. Auch bei Alba Berlin, den Vize-Meisterinnen in der Frauen-Bundesliga (DBBL). Brunckhorst stört das: "Es wird immer viel gesagt und getan, aber am Ende geht das Geld doch wieder in den Fußball oder den Männersport."
Damit Sponsoren mit großen Dollarzeichen in den Augen in den Frauen-Basketball investieren, braucht es einen Markt. Und ein möglichst breites Publikum, das hinschaut, wenn Leonie Fiebich für die DBB-Auswahl zum Korb gleitet.
Heim-WM 2026: Caitlin Clark kommt nach Berlin
Bei der Frauen-EM 2025 (18. bis 29. Juni) besteht die nächste Möglichkeit dafür. Nyara Sabally hatte das Ziel, dort eine Medaille für Deutschland zu holen, selbstbewusst ausgerufen – ehe feststand, dass sie wegen anhaltender Knieprobleme nicht teilnehmen kann.
Trotzdem hält Brunckhorst eine Platzierung auf dem Podium für "realistisch". Auch der Verzicht von Superstar Satou Sabally, die ihren Fokus auf die kommende WNBA-Saison legt und bei der EM fehlen wird, ändert daran nichts: Das Team habe, so Brunckhorst, "sehr viel Qualität", das Potenzial sei da.
Es ist eben auch diese Generation an Spielerinnen, die Brunckhorst in eine "rosige Zukunft" blicken lässt. Mit Basketballerinnen wie Emily Bessoir, Leonie Fiebich, Elea Gaba, Luisa Geiselöder, Nyara Sabally und Jessika Schiffer. "Spielerinnen der goldenen Generation", wie Brunckhorst all jene nennt, die bei der U18-EM vor sieben Jahren Gold gewonnen haben.
Dem deutschen Frauen-Basketball stehen wichtige Jahre bevor. Mitte Juni will die DBB-Auswahl nach einer Medaille greifen. Und nur ein Jahr später, bei der Heim-WM 2026 in Berlin, unter Beweis stellen, dass man sich mit der Welt-Elite messen kann. Mit Frankreich und den USA. Mit einer Caitlin Clark, der Galionsfigur der WNBA. "Ein absolutes Highlight", meint Svenja Brunckhorst. "Das kann gigantisch werden".