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Das mit der Authentizität im Fußball ist so eine Sache. Für einige Fans sind Trainer mit loserem Mundwerk und ungefiltert wirkendem Auftreten eine absolute Bereicherung. Ein letzter Überrest der alten, romantischen Fußballwelt. Auf manch anderen wirkt solch Rollenprosa bemüht und konstruiert. Authentizität sei schließlich eine Wirkung, keine Charaktereigenschaft.
Auf diesem schmalen Grat tänzelt auch der Kölner Trainer Steffen Baumgart nur allzu bravourös umher. Mal zeigt er sich mit scheinbar mittlerem dreistelligen Puls in der Corona-Quarantäne seine Mannschaft vor dem Fernseher anbrüllend (allgemeines Urteil: Tendenz cringe), mal gehen seine Sätze in den Kanon der Fußball-Kultur ein wie bei der Aussage: "Ein Spiel ist erst zu Ende, wenn der Schiedsrichter pfeift und ich nicht mehr brülle" (2021 zum Fußballspruch des Jahres gekürt).
Am Sonntag traf der 1. FC Köln nun im Rheinderby auf Bayer Leverkusen – ein passender Anlass, um die Stimmung schon vor dem Anpfiff anzuheizen. Auch und vor allem für Steffen Baumgart. Es kulminierte ein Drama in mehreren Akten.
Bereits im September war die Social-Media-Abteilung von Leverkusen mit einem Post aufgefallen, der zusammengefasst besagte, dass der 1. FC Köln schlechten Fußball spiele und sich im Abstiegskampf befinde.
Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel nahm Steffen Baumgart die Gelegenheit wahr, um darauf seinerseits gegen den Rivalen auszuteilen. "Es gibt hier einen großen Verein und es gibt einen nicht so großen Verein", sagte Baumgart und schob nach: "Ich glaube, wir sind der größere Verein. Auch wenn das sportlich vielleicht anders scheint." Der FC stehe im Rheinland "über allem. Da kannst du 20 Mal Europacup spielen oder Vizemeister werden. Scheißegal".
Im nächsten Akt sahen sich dann die Leverkusener Fans bemüßigt, auch ihren Teil zu den Sticheleien beizutragen. Als Köln mit 0:3 in Leverkusen verlor, schallte es von den Rängen: "Steffen Baumgart ist bald arbeitslos."
Auf X (ehemals Twitter) hatten die Domstädter bereits kurz vor Anpfiff bemerkt, dass ihr Trainer beleidigt worden sei. Auf die zuvor getätigten Aussagen referierend hieß es, dass eine "ausgesprochene Wahrheit" noch tief zu sitzen schien. Steffen Baumgart selbst nahm die Frotzeleien gelassener und sagte später: "Ich wurde beleidigt? Nein, nein, alles okay. Alles gut. Das Leben ist schön."
Angesichts der sportlichen Krisensituation gibt es in Köln derweil allerdings nur wenig Anlass für eine so offensiv nach außen getragene Unbekümmertheit. Mit nur einem Punkt verweilt das Team von Steffen Baumgart nach sieben Spielen aktuell auf dem letzten Tabellenplatz. Ein Umstand, der das Satiremagazin "Der Postillon" dazu bewegt hat, eine Namensumstellung vorzuschlagen: in "Letzter FC Köln".
In gewohnt ironischer Form heißt es dabei in einem "Artikel": "'Der Name 1. FC Köln kommt bei vielen Fußballfans inzwischen etwas großkotzig rüber', erklärt Club-Präsident Werner Wolf den drastischen Schritt. 'Das ist einfach zu realitätsfremd.'"
Auch eine weitere Änderung werde diskutiert: "Um nicht nur dem Tabellenplatz, sondern auch dem aktuellen Punktestand in der Bundesliga gerecht zu werden, könnte statt vom 'FC Köln' schon bald vom 'FC Kôln' die Rede sein."
