Es hielt nicht lange an mit der nachweihnachtlichen Besinnlichkeit. Ralph-Uwe Schaffert, Mitglied des DFB-Präsidiums sowie Präsident des Norddeutschen und des Niedersächsischen Verbandes, holte am Donnerstag gegenüber der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" und der "Neuen Presse" zum Rundumschlag gegen die deutsche Nationalmannschaft aus.
Er habe "bei einer nicht ganz geringen Anzahl der zurzeit tätigen Spieler" das Gefühl, dass diese meinen, "vielleicht mit 85 Prozent des möglichen Einsatzes" auszukommen. Es sei an der Zeit, "das spielende Personal radikal zu wechseln".
Namentlich hob er Joshua Kimmich und İlkay Gündoğan hervor. Kimmich sei "den Beweis bisher schuldig geblieben", ein Führungsspieler zu sein, meinte Schaffert und fügte ein kleines Detail hinzu, was ihm schließlich auch den Unmut des bayerischen Vorstandsvorsitzenden zusicherte: "Auch im Verein."
Nachdem DFB-Sportdirektor Rudi Völler in der "Bild" die Art und Weise der Kritik angeprangert und Schaffert angeboten hatte, "ihm das noch mal bei einer Tasse Kaffee erklären" zu wollen, zeigte sich Bayern-CEO Jan-Christian Dreesen ob der Aussagen "mehr als irritiert". Es sei "nicht nachvollziehbar, wenn der Vizepräsident des DFB die Leistungen eines verdienten und wichtigen Nationalspielers wie Joshua Kimmich in dessen Club kritisiert", sagte Dreesen am Donnerstagabend.
Verletzte Eitelkeiten beiseite wischend, legt Schaffert mit seiner Kritik an Joshua Kimmich doch den Finger in eine Wunde, in der beim FC Bayern im vergangenen halben Jahr nach Belieben genestelt wurde. In Teilen der insgesamt zwar sehr erfolgreichen, für bayerische Verhältnisse aber doch etwas unsouverän wirkenden Hinrunde, war gerade die defensive Absicherung immer wieder für Porositäten anfällig.
Neben der unzureichenden Kaderdichte wurde dafür auch regelmäßig der positionsuntreue Joshua Kimmich zur Verantwortung gezogen. Weil aber die Abwehr insgesamt Schwächen aufweist, sollen nun Konsequenzen gezogen werden.
Laut Manuel Bonke, für den FC Bayern zuständiger Chefreporter für "TZ" und "Münchner Merkur", deutet sich deswegen ein Umbruch in der Defensive an. Demnach sei Bayern-Trainer Thomas Tuchel auf der Suche nach einem neuen "Abwehrchef", der die Mannschaft nicht nur durch seine Physis, sondern auch mit dem Ball am Fuß führen könne.
Oberstes Transferziel bleibe dafür weiterhin Ronald Araújo vom FC Barcelona, an dem der Verein bereits in diesem Winter interessiert sein soll.
Konsequenzen dürfte das vor allem für Mathijs de Ligt haben, der einst als "Abwehrchef" geholt wurde, diese Funktion aber zumindest nicht konstant ausfüllen konnte. War er unter Julian Nagelsmann noch gesetzt, ist de Ligt unter Tuchel aktuell nur noch dritte Wahl hinter Min-jae Kim und Dayot Upamecano.
Da die Defensive derzeit allerdings so dünn besetzt ist, sei ein Abgang des Niederländers im Winter Bonke zufolge ausgeschlossen. Bereits im Sommer könnte die Situation eine andere sein, zumal ein Transfer von Araújo dann wieder im Bereich des Möglichen liegt. Einen möglichen Abnehmer gäbe es bereits.
Wie "The Athletic" berichtet, soll Arsenal-Trainer Mikel Arteta große Stücke auf Mathijs de Ligt halten. Da sich die Londoner aber auch der personellen Situation in München bewusst sind, sei eine Verpflichtung ein "langfristiges Transfer-Ziel". Womöglich dann im Sommer.