Der FC Bayern ist der große Top-Klub in Deutschland, das ist nicht mehr als eine Binse. Als Rekordmeister und Rekordpokalsieger haben die Münchner quasi automatisch den Anspruch, jede Saison mindestens das Double zu erreichen und in der Champions League möglichst weit zu kommen. Den Titel auch in der Königsklasse zu holen – und damit das Triple zu feiern – würde eine perfekte Saison der Münchner bedeuten.
Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, müssen die Bosse aber auch immer wieder die besten Spieler Deutschlands, wenn nicht sogar Europas oder der Welt, scouten und verpflichten. Neben den Transfers von absoluten Top-Stars wie Harry Kane oder Min-Jae Kim gehören aber auch Verpflichtungen von Top-Talenten dazu.
Grundsätzlich ist in beiden Kategorien aber nicht die Sicherheit gegeben, dass sich ein neuer Spieler in München wohlfühlt und durchsetzt. Von den absoluten Top-Stars zeigte zuletzt Sadio Mané, dass er zwar in Liverpool gefeiert wurde, in München aber nicht an die erfolgreiche Zeit in England anknüpfen konnte. Nach nur einem Jahr verließ der senegalesische Nationalspieler im Sommer die Bayern und wechselte nach Saudi-Arabien.
Auf der Seite der Top-Talente gibt es einige Beispiele in der älteren und jüngeren Vergangenheit, die mit großen Ambitionen kamen, aber schnell auch wieder München verließen. Vor einigen Jahren erging es Renato Sanches so. Er kam von Benfica und konnte sich in drei Jahren in München nicht durchsetzen, wechselte über Lille zu PSG. Nun ist er an die AS Rom ausgeliehen.
Das jüngste Beispiel für ein Talent, das sich an der Säbener Straße durchsetzen wollte und dann wieder seine Zelte abbrechen musste, ist Ryan Gravenberch. Im Sommer 2022 kam er noch für 18,5 Millionen Euro von Ajax Amsterdam, seinem Jugendklub. Der damalige Sportvorstand, Hasan Salihamidžić, sagte bei der Gravenberch-Vorstellung noch: "Wir sind überzeugt, dass wir mit ihm viele Erfolge feiern werden." Eine Aussage, die schlecht alterte.
Nur ein Jahr später verließ Gravenberch den FCB und wechselte für 40 Millionen Euro nach Liverpool. Daraus, dass der mittlerweile 21-Jährige unzufrieden war, machte er schon während seiner Münchner Zeit keinen Hehl. In einem Interview im Frühjahr sprach er über seine geringen Spieleinsätze. Es sei klar, "dass diese Rolle nicht meinen Erwartungen entspricht". Schon damals kündete er an: "Das muss sich nächste Saison ändern, dann will ich unbedingt wieder wöchentlich spielen."
Das macht er nun. In der Premier League wird der niederländische Nationalspieler zwar meist nur eingewechselt, wurde seit seinem Wechsel aber nur in zwei Partien gar nicht eingesetzt. In der Europa League hingegen hat er einen Stammplatz sicher, bedankt sich dafür mit zwei Treffern und einer Torvorlage.
Nun hat er sich über die ersten Monate bei seinem neuen Klub geäußert und dabei auch den ein oder anderen Seitenhieb in Richtung München geschickt. Im Interview mit dem englischen Pay-TV-Sender TNT Sports lobte er zunächst das "gute Gefühl", das ihm Trainer Jürgen Klopp im ersten Gespräch gegeben habe. Es habe sich "familiär" angefühlt. Danach stichelt der zentrale Mittelfeldspieler erstmals, sagt: "Das ist, was mir gefehlt hatte. Ich bin sehr glücklich, dass er mir dieses Gefühl zurückgegeben hat."
Er betonte außerdem die gute Verbindung zu Klopp und lobte die offenen Gespräche, die die beiden miteinander führen könnten: "Wenn er etwas zu sagen hat über ein Spiel oder etwas anderes, sprechen wir einfach miteinander."
Danach gab Gravenberch eine einfache Erklärung ab, wie er sein "Selbstvertrauen zurückbekam": "Mit den Spielminuten". Er begründet im Anschluss: "Wenn du Spielminuten bekommst und dein Ding machen kannst, in dem du gut bist, dann kommt das Selbstvertrauen wieder zurück."
Das Top-Talent wurde auch darauf angesprochen, was Liverpools niederländischer Co-Trainer Pep Lijnders meinte, als er sagte, dass der Ajax-Gravenberch wieder zurückkomme. Die klare Antwort vom Rechtsfuß: "Der Gravenberch von Ajax ist der Gravenberch, der es mag, Fußball zu spielen, gute Aktionen zu haben, gute Pässe zu spielen. All das." Danach fügte er einen weiteren Satz an, der als Kritik an den Münchner zu sehen ist. "Er mag jetzt Fußball wieder so, wie er es bei Ajax tat." In München scheint das aber wohl nicht der Fall gewesen zu sein.