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Doppelinterview

SC Freiburg: Karl und Grifo sagen Zicai und Atubolu große DFB-Karrieren voraus

19.10.2024, Baden-Württemberg, Freiburg im Breisgau: Fußball: Bundesliga, SC Freiburg - FC Augsburg, 7. Spieltag, Europa-Park Stadion: Fans des SC Freiburg stehen auf der Südtribüne des Stadions. Foto ...
Dem SC Freiburg rennen die Fans die Tür ein: Der Klub hat mittlerweile über 70.000 Mitglieder.Bild: dpa / Philipp von Ditfurth
Doppelinterview

SC Freiburg: Lisa Karl und Vincenzo Grifo bewerten die Entwicklung des Klubs

28.12.2024, 09:20
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Als der SC Freiburg 1993 erstmals in die Herren-Bundesliga aufgestiegen ist, kam er als kleiner Verein. Die Rolle als Underdog sollte der Sport-Club über Jahrzehnte innehaben, im idyllischen Breisgau aber wuchs er immer weiter. So haben sich die Freiburger mittlerweile auf der deutschen Fußballlandkarte etabliert, sind sowohl im Herren- als auch im Frauenbereich nicht mehr wegzudenken.

Vincenzo Grifo und Lisa Karl tragen seit Jahren ihren Teil dazu bei. Im Doppelinterview haben wir mit den Freiburger Urgesteinen über die Besonderheiten ihres Klubs gesprochen, wie viel vom Mythos Idylle noch übrig ist und welche Talente der SC als Nächstes auf die große Bühne hievt.

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Watson: Lisa und Vincenzo, welche drei Worte beschreiben den SC für euch am besten?

Lisa Karl: Es ist hier sehr familiär. Der SC ist ein sympathischer, bodenständiger, nahbarer Verein.

Vincenzo Grifo: Das würde ich so unterschreiben, deswegen bin ich auch immer wieder zurückgekommen. Ansonsten: tolle Atmosphäre, Nähe, Hilfsbereitschaft, Miteinander – das sind jetzt natürlich mehr als drei, aber so lässt sich der SC Freiburg für mich am besten beschreiben.

Vor fünf Jahren hatte der SC noch knapp 20.000 Mitglieder, jetzt sind es 70.000. Wie viel ist von der Idylle in Freiburg noch übrig?

Grifo: Der Verein ist größer geworden, die Zuschaueranzahl ist deutlich gestiegen, in der Stadt sprechen dich mehr Menschen an – auch weil wir in den letzten drei, vier Jahren sehr erfolgreich waren. Das zeigt auch, wie positiv dieser Verein gewachsen ist. Mögliche negative Seiten des Wachstums verspüre ich aber gar nicht.

Karl: Ich würde mich da anschließen. Auch bei uns hatte es keine negativen Auswirkungen, dass der Verein gewachsen ist. Eher nur positive: Dadurch, dass wir ins Dreisamstadion gezogen sind, haben wir beste Bedingungen und einen ligaweit besonderen Support durch die Fans.

Warum würdet ihr jungen Spieler:innen raten, nach Freiburg zu wechseln und nicht nach Hoffenheim, Frankfurt oder München?

Karl: Gerade in jungen Jahren ist es wichtig, Spielpraxis und Erfahrung zu sammeln und das ist in Freiburg oft leichter.

Grifo: Wenn ein junger Spieler drei, vier Jahre beim FC Bayern mittrainiert, wäre er bestimmt schon sehr gut, aber ihm würde die Spielpraxis fehlen. In Freiburg hat man im Training zwar keinen Kane oder Müller, aber du stehst bei den Spielen auf dem Platz, lernst neue Situationen kennen, kommst in den Rhythmus. Eine weitere wichtige Komponente ist, dass man sich in Freiburg gut entwickeln kann, ohne den ganz großen Trubel zu haben. Und mit Christian Streich und jetzt Julian Schuster hat Freiburg zwei Trainer, die auf junge Spieler setzen und ihnen auch erlauben, Fehler zu machen.

SCHUSTER Julian Trainer Team SC Freiburg mit GRIFO Vincenzo DFL Bundesliga Saison 2024 - 2025 BL Spiel Borussia Dortmund - SC Freiburg 4 : 0 am 23.11.2024 in Dortmund DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE  ...
Julian Schuster hat in Freiburg im Sommer als Cheftrainer der Männer übernommen. Bild: IMAGO/Laci Perenyi

Wie viel Streich steckt denn auch in Schuster?

Grifo: Wenn man von einer Person viel lernt, sowohl menschlich als auch was den Fußball betrifft, wird man immer einiges ähnlich machen. Aber Schusti hat seine eigene Idee, Fußball zu spielen, und die versuchen wir tagtäglich mit ihm umzusetzen.

Kannst du diese Spielidee herunterbrechen, auch mit Blick auf die Unterschiede zu Streich?

Grifo: Wir legen großen Wert auf Ballbesitz und viele Spielzüge, außerdem darauf, defensiv gut zu stehen und wenig zuzulassen. Das hat Christian Streich ähnlich gemacht und Julian Schuster jetzt übernommen. Durch die Neuzugänge hat sich die Umsetzung ein bisschen geändert, die bringen natürlich andere Komponenten rein. Auch die Trainingsformen haben sich leicht verändert. Das Training ist hart, aber das kommt uns nur zugute, weil wir fit sind.

Einen besonderen Trainerwechsel gab es im Sommer auch bei euch, Lisa. Theresa Merk ist in Elternzeit gegangen. Habt ihr den Nachwuchs schon kennengelernt?

Karl: Ja, sie war ab und zu da, das ist schon schön. Meret Felde hat ja auch Nachwuchs bekommen. Das bringt immer gute Stimmung rein, wenn die Kleinen da sind.

Nico Schneck hat als Interimstrainer übernommen. Gibt es Dinge, die er gänzlich anders angeht?

Karl: Natürlich hat jeder Trainer eine etwas andere Herangehensweise, eine andere Ansprache, einen anderen Input. Aber ganz grundsätzlich hat er nichts komplett anderes reingebracht.

Nico Schneck SC Freiburg Frauen, Trainer bei der Pressekonferenz nach dem Spiel. GER, SC Freiburg - FC Bayern Muenchen, Frauen-Fussball, Google Pixel Frauen-Bundesliga, 9. Spieltag, Saison 2024/2025,  ...
Nico Schneck trainiert seit dem Sommer das Frauenteam des SC Freiburg. Bild: IMAGO images/Eibner

Unterschiedlichen Input kennst du vor allem von anderen Stationen, Vincenzo. Wie war es für dich, als du das erste Mal in Freiburg gelandet bist?

Grifo: Hier waren die Jungs leider gerade in die zweite Liga abgestiegen. Ich weiß aus Dresden, wie schwer so ein Abstieg sein kann, aber von Tag eins habe ich eine Wahnsinnskraft gespürt, viel Demut und den Willen, direkt wieder aufzusteigen. Und ich wurde super aufgenommen, ich habe mich nach dem ersten Tag gefühlt, als wäre ich schon drei Monate hier. Ich bin ein Familienmensch und passe deswegen sehr gut hierhin.

Trotzdem hast du den Klub 2017 verlassen.

Grifo: Nach zwei tollen Jahren in Freiburg war Gladbach für mich der nächste Schritt. Doch das Jahr dort hat mir nicht das gegeben, was ich mir gewünscht hatte. Dann gab es die Chance, zurück Richtung Heimat zu gehen und mit Hoffenheim Champions League zu spielen. Von dort waren es außerdem nur 25 Minuten Fahrt nach Hause. Aber die Mannschaft war sehr gut eingespielt und es war für mich schwierig, Anschluss zu finden.

04.07.2018, xmeix, Fussball, 1. Bundesliga, TSG 1899 Hoffenheim, Training, emspor, v.l. Vincenzo Grifo (TSG 1899 Hoffenheim) mit Leonardo Bittencourt (TSG 1899 Hoffenheim) Zuzenhausen *** 04 07 2018 x ...
Vincenzo Grifo (l.) spielte 2018 mit der TSG Hoffenheim Champions League. Bild: imago sportfotodienst / Jan Huebner

Anders als Vincenzo oder DFB-Stars wie Giulia Gwinn oder Janina Minge bist du nie aus Freiburg weggezogen, Lisa. Wieso?

Karl: Ich bin eine Spielerin, die sich wohlfühlen muss, um ihre besten Leistungen abzuliefern. Das war hier immer der Fall. Ich hatte nie das Gefühl, zu stagnieren oder für den nächsten Schritt irgendwo anders hingehen zu müssen. Deshalb habe ich nie einen Gedanken daran verschwendet, wegzugehen.

Hattest du Sorge, dass es andernorts nicht so gut funktioniert wie in Freiburg?

Karl: Nein, das nicht. Ich habe aber auch nie darüber nachgedacht, ob ich das brauche. Es hat hier immer gepasst. Ich hatte trotz zwei schwererer Verletzungen immer die Unterstützung und das Vertrauen, das gebe ich gerne zurück. Über die Jahre habe ich nebenher beruflich und bei den Sozialkontakten auch viel aufgebaut, das bindet zusätzlich.

Vincenzo, 2019 bist du nach Freiburg zurückgekehrt. Zu dem Zeitpunkt warst du italienischer Nationalspieler. War die Serie A damals auch eine Option?

Grifo: Ja, aber mein Herz hat sich dagegen entschieden. Obwohl es natürlich für Italien schlägt, schlägt es auch für den SC Freiburg. Ich hatte tolle Gespräche mit Christian Streich und mit meinen Mitspielern. Meine Frau und ich haben uns nichts anderes gewünscht, als zurückzukehren. Meine Familie hat mir dazu geraten, obwohl sie sich in Karrierefragen sonst so wenig wie möglich einmischt. Sie sagten mir, dass es mir in Freiburg wieder gutgehen wird und ich performen werde, genauso wie früher.

Lisa, reizt dich denn noch der Schritt zu einem anderen Verein?

Karl: Komplett ausschließen würde ich es nicht, aber die Wahrscheinlichkeit schätze ich doch eher als gering ein.

Mit Cora Zicai stellt ihr eine neue Nationalspielerin. Machst du dir Sorgen, dass sie ebenfalls bald den Verein verlassen könnte?

Karl: Es ist immer ein Thema hier in Freiburg, solche großen Talente zu halten. Jani Minge in der letzten Saison ist ein Beispiel, davor gab es aber auch schon zig andere. Es ist der Weg hier in Freiburg, dass man die jungen Talente ausbildet und dann so lange wie möglich hält. Cora macht es derzeit richtig gut, entsprechend wird sie sicherlich auch beobachtet werden. Sie wird Angebote erhalten und irgendwann gehen. Ich hoffe aber, dass wir sie noch möglichst lange hier halten können.

Freundschaftsspiel: Schweiz - Deutschland 29.11.2024 Jubel zum 0:5 durch Cora Zicai Deutschland, 18 Freundschaftsspiel: Schweiz - Deutschland, Z�rich, Letzigrund am 29.11.2024 *** Friendly match Switz ...
Cora Zicai krönte ihr DFB-Debüt im Dezember mit einem Tor und einer Vorlage.Bild: IMAGO/Beautiful Sports

Sie spielt mit 19 Jahren bereits in der A-Nationalmannschaft. Was zeichnet sie aus?

Karl: Cora ist total fleißig, sie macht immer Überstunden. Sie ist selbstkritisch und hat ein riesiges Talent. Technisch ist sie die Beste in unserer Mannschaft, hat dazu ein enormes Spielverständnis. Für ihr Alter ist sie schon eine sehr komplette Spielerin.

Wo hat sie noch Nachholbedarf?

Karl: Gerade mit Blick auf den internationalen Bereich kann sie bei ihrer Athletik noch Schritte nach vorne machen. Aber das wird mit der internationalen Erfahrung kommen.

Einen aufstrebenden Youngster habt ihr auch im Team, Vincenzo. Noah Atubolu ist ein starker Rückhalt, wurde nach dem Ausfall von Marc-André ter Stegen aber noch nicht im DFB-Team gehandelt. Überrascht dich das?

Grifo: Bei uns im Klub ist sein Name mehrmals gefallen. Er spielt herausragend, hat sich sehr gut weiterentwickelt und arbeitet weiter sehr fleißig an sich. Ich bin mir sicher, dass der Weg in Zukunft nicht an ihm vorbeiführt. Natürlich wird Julian Nagelsmann auch im Kopf gehabt haben, zunächst einmal eher einen erfahrenen Torwart wie Oli Baumann mitzunehmen. Aber ich würde es mir für Noah echt wünschen, weil wir uns persönlich auch gut verstehen. Er ist mein Sitznachbar im Flieger und ich wünsche ich ihm nur das Beste.

Ist er denn ein guter Sitznachbar?

Grifo: Ja, wir quatschen über Gott und die Welt. Ich habe dann doch oft weniger Platz, weil er so muskulös ist (lacht). Aber nein, wir verstehen uns auf und neben dem Platz sehr gut. Ich als etwas Älterer versuche dem jungen Noah Atubolu öfter mal ein paar Tipps zu geben, nicht nur im Fußball, sondern vielleicht auch fürs Leben.

Sowohl die Männer als auch die Frauen stehen aktuell gut da. Welche Schlagzeile würdet ihr gerne noch lesen während eurer aktiven Zeit beim SC?

Grifo: (lacht) Man setzt sich immer Ziele, sowohl persönlich als auch als Verein. Als Verein wollen wir uns die Liga verdienen, die Klasse halten und wie in den vergangenen Jahren nach dem internationalen Geschäft streben.

Karl: Ich würde gerne lesen, dass die SC-Frauen ihren ersten Titel holen. Vor allem, nachdem beide Abteilungen im Pokal zuletzt so nah dran waren. Und wenn es dann noch im selben Jahr passiert, umso schöner.

Grifo: Das stimmt! Für mich persönlich war das DFB-Finale gegen Leipzig die schönste Erfahrung, die ich in meiner Zeit in Freiburg gemacht habe.

Wo seht ihr den Klub in zehn Jahren?

Grifo: Zehn Jahre ist schon viel und echt schwer vorherzusehen. Das Potenzial im Verein ist da, aber für Titel muss immer sehr viel zusammenkommen. Ich bin in zehn Jahren sicher nicht mehr aktiv und werde dann von der Tribüne zuschauen. Natürlich würde ich es mir wünschen, dass sich die harte Arbeit des Vereins auszahlt.

Karl: International spielen ist bei uns Frauen schwer, weil es nur die Champions League und keine Europa oder Conference League gibt. Aber unser Ziel muss in zehn Jahren schon auch mal sein, an diese Plätze anzuklopfen und Druck auf das obere Tabellendrittel zu machen.

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