Aus Sicht des neutralen Motorsportfans legt McLaren in der Formel 1 eine ehrenwerte Einstellung an den Tag. Das britische Team lässt Lando Norris und Oscar Piastri ohne Anweisungen fahren, bevorzugt aktuell keinen der beiden.
Im Paddock wird dieses Vorgehen als "Papaya rules" bezeichnet. So gut es für einen offenen Positionskampf und die Spannung ist, so schlecht könnte es langfristig für McLaren sein. Bereits im dritten Rennen der Saison in Japan verzichtete Teamchef Andrea Stella auf eine Teamorder, nach der Norris und Piastri die Positionen hätten tauschen können.
Die Chance auf den Rennsieg hätte es wohl auch in Suzuka gegeben. Piastri schien schneller, hätte den letztendlichen Sieger Max Verstappen vielleicht noch abfangen können. Aufgrund des Reifenabriebs schaffte es Piastri allerdings nicht an Norris vorbei.
In der vergangenen Saison entschied sich McLaren erst im September dafür, Norris als Nummer eins bei in der Weltmeisterschaft zu unterstützen und zu bevorzugen. Zu dem Zeitpunkt waren bereits 16 Rennen absolviert.
Wie sich diese Politik auf die Atmosphäre im Team auswirkt, ist nicht bekannt. Oscar Piastri spricht in einem Interview mit der "Sport Bild" nun aber über seine Ambitionen und das Verhältnis zu Teamkollege Norris.
Zunächst wird er gefragt, wer der größte Gegner im WM-Kampf ist. Piastri nennt daraufhin seinen Teamkollegen. Der habe als Führender "derzeit faktisch die besten Karten auf den Titel, zum anderen ist unser Auto das beste der Formel 1".
Auf die Nachfrage, wie das Verhältnis der beiden sei, gibt Piastri einen überraschenden Einblick: "Es sollte keiner erwarten, dass wir gemeinsam in den Urlaub fahren, aber wir verstehen uns gut, lachen viel. Beste Freunde sind wir trotzdem nicht."
Laut dem Australier habe er ein "kollegiales Verhältnis" zu Norris. Beide würden wissen, "dass wir am Ende Einzelkämpfer sind". Er fügt danach an: "Ich werde also nicht zu ihm gehen und sagen: 'Guck mal hier, wenn du das machst, bist du nochmal 0,1 Sekunden schneller."
Überraschend ist diese Aussage, weil Teamchef Andrea Stella noch vor Saisonbeginn betonte, dass sich Norris und Piastri prima ergänzen würden und "sich gegenseitig unterstützen". Das klingt nach den neuen Aussagen nicht ganz so. Gleichzeitig hatte Stella auch betont: "Es gab zwar einige Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Lando und Oscar, aber das war alles geprägt von gegenseitigem Respekt – im Wagen und abseits der Strecke."
Neben Norris bringt Piastri Max Verstappen als Konkurrenten auf den Titel ins Spiel. "Natürlich darf man Max nicht abschreiben. Er ist viermaliger Weltmeister und hat vergangenes Jahr den Titel gewonnen, obwohl er materiell einen Nachteil hatte."
Abschließend ist er sich sicher, dass sowohl er selbst als auch Lando Norris das Potenzial hat, Weltmeister zu werden. "Daran habe ich keinen Zweifel", verkündet er selbstbewusst.