Für viele Fans ist Christian Wück ein neuer Name, zumindest im Frauenfußball. Dabei gehört der 52-Jährige zu den erfolgreichsten Nachwuchstrainern, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) je hatte.
Mit der U17 der Männer wurde er 2023 Europameister und Weltmeister. Seine Bilanz: makellos. Nun soll Wück die DFB-Frauen durch die Europameisterschaft in der Schweiz führen und dabei eine Mannschaft formen, die wieder Euphorie entfacht.
Der Plan dafür steht. Insgesamt 23 Spielerinnen reisen zur EM, darunter auch Jule Brand. Die 22-Jährige, die kürzlich vom VfL Wolfsburg zu Olympique Lyon gewechselt ist, spielt eine wichtige Rolle in der DFB-Offensive. Ihr gelingt, was nur wenige schaffen: der Spagat zwischen Struktur und kreativem Spiel.
"Wenn man Jule Brand in ein Konzept stecken würde, würde man ihr alles nehmen, was sie auszeichnet", sagt Wück im Interview mit der "Bild am Sonntag". "Sie ist eine Spielerin, die Fußball spielen möchte, ohne große Regeln oder Einschränkungen."
Brand gilt als Inbegriff des freien Spiels: intuitiv, risikofreudig, manchmal unberechenbar. Wück sieht darin keine Gefahr, sondern einen Wert.
Der Begriff, den er in der Nachwuchsarbeit einst für besonders eigensinnige Talente prägte, greift auch hier: "Gangster". Nicht im sozialen Sinne, sondern als Gegenentwurf zur taktisch durchoptimierten Schwiegertochter, die sich an Regeln hält. "Wir reden immer über Straßenkicker. Das verkörpert sie von der ersten bis zur letzten Minute."
Eben jene Mentalität ist es, "die wir sehen wollen", erklärt Wück. "Unsere Aufgabe besteht nun darin, ihre Torquote zu erhöhen." Nicht, sie zu disziplinieren.
Wück selbst kennt beide Welten. Als Spieler schaffte er den Sprung in die U21-Auswahl, später arbeitete er als Klubtrainer. Doch seine wirkliche Karriere begann 2012, mit der Rückkehr zum DFB. Über Jahre betreute er U15-, U16- und U17-Teams, formte mehrere Jahrgänge. 2020 nahm er sich den Jahrgang 2005 vor – und wurde drei Jahre später Europa- und Weltmeister.
Dann kam seine Beförderung zu den DFB-Frauen. Er trat in die Fußstapfen von Horst Hrubesch, der interimsweise den Posten von Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg übernahm.
Seit August 2024, kurz nach Olympia-Bronze in Paris, ist Wück für Deutschlands Fußballerinnen verantwortlich. Und auch wenn er noch nicht so lange dabei ist, Unterschiede zu den jungen Spielern der U17 fallen ihm direkt auf. "Bei den Frauen stehen die Egos nicht so dermaßen im Vordergrund", sagt er. Und lobt: "Die Mädels sind einfach sehr diszipliniert."
Disziplin zeigt sich für Wück nicht nur auf dem Platz. Schon bei Amtsantritt führte er eine einfache, aber konsequente Regel ein: keine Handys beim Essen oder in Besprechungen.
"Wir sollten in der Lage sein, eine halbe oder dreiviertel Stunde ohne Handy auszukommen", sagt er. Das Gerät bleibt im Zimmer, nicht sichtbar auf dem Tisch. In der Kabine ist es erlaubt, vor allem wegen der Musik.
Dass er dort vor Spielen selten anwesend ist, hat einen anderen Grund: "Als männlicher Trainer bin ich vor den Spielen sehr selten in der Kabine. Ich komme nur zur letzten Ansprache rein."
Wück ist sichtbar bemüht, sich nicht aufzudrängen. Er beobachtet, lässt Raum, hält Distanz. Und schafft gleichzeitig Momente der Nähe. In Wien, im Rahmen der Uefa Nations League, überraschte er seine Mannschaft mit einem Musical-Besuch bei "Falco".
Die Spielerinnen bedankten sich auf ihre Weise: Schlagersänger Wolfgang Petry tauchte wenig später im Trainingscamp auf. Wer eingeladen hatte? Die Mannschaft.
Solche Momente sind für Wück Teil von einer Teamkultur, die auf Vertrauen fußt. Auch für den anstehenden Aufenthalt in Zürich sei ein "typisch schweizerisches" Teambuilding geplant. Details aber verrät er nicht.
