Kaum ein Spieler steht derzeit so sehr im Fokus wie Nick Woltemade. Beim VfB Stuttgart hat der Angreifer in der abgelaufenen Saison seinen großen Bundesliga-Durchbruch gefeiert. 17 Tore und drei Vorlagen steuerte er in dieser Spielzeit bei, führte die Schwaben damit zum Triumph im DFB-Pokal.
Bei der U21-EM knüpft er nahtlos an diese Leistungen an, hat das DFB-Team ins Endspiel geführt und auf dem Weg dahin bereits sechsmal getroffen und drei weitere Tore aufgelegt.
Es sind aber nicht allein die Zahlen, die ihn so interessant machen: Nick Woltemade ist ein begnadeter Techniker, er umkurvt seine Gegenspieler jeglichen Gesetzen der Physik widersprechend immer wieder mit einer kindlichen Leichtigkeit.
Er weiß seine 1,98 Meter Körpergröße aber auch brachial einzusetzen. Gegner in seinem Rücken haben kaum eine Chance, wenn er den Ball abschirmt. Bei dieser U21-EM hat er zudem schon zweimal per Kopf getroffen.
"Nick ist ein Spieler, der sich auch gerne zurückfallen lässt. Jetzt zeigt er immer mehr die Qualitäten eines Mittelstürmers", lobte sein Trainer Sebastian Hoeneß die Entwicklung bereits im Dezember 2024. Lothar Matthäus ging kürzlich im Gespräch mit der "Stuttgarter Zeitung" noch einen Schritt weiter: "Er hat das Zeug zur Stammkraft bei der WM – er kann vorne den Unterschied machen."
Gemeint ist die A-Nationalmannschaft, für die Nick Woltemade in der Nations League debütiert hat. Und wer bei dieser bereits eine zentrale Rolle einnehmen soll, ist zwangsläufig auch beim FC Bayern ein Thema. Laut Sky und "Bild" haben die Münchener sogar schon eine Einigung über einen Sommertransfer mit dem Stürmer erzielt.
Auf den ersten Blick ergibt das Sinn: Nick Woltemade bringt alles mit, um in den kommenden Jahren ein prägendes Gesicht des DFB-Teams zu werden. Eben jene Profis will der FC Bayern traditionell in seinen Reihen haben. In diesem Sommer dürfte der 23-Jährige noch günstiger sein als im nächsten, zudem könnte er in München auch Dinge von Harry Kane lernen.
Worauf bei den Bayern in dieser Personalie aber gewiss am meisten gesetzt werden dürfte: Es wäre ein Transferhammer, wie ihn der Rekordmeister momentan so dringen nötig hätte. Nach den Absagen von Florian Wirtz, Nico Williams und Leroy Sané steht allen voran Max Eberl schließlich gehörig unter Druck.
Doch dieser Druck macht womöglich auch etwas blind. Denn es gibt von allen Seiten auch sehr gute Argumente gegen einen Wechsel in diesem Sommer.
An oberster Stelle steht dabei die Frage, wie Nick Woltemade beim FC Bayern überhaupt eingebunden werden soll. Grundsätzlich kommen für ihn zwei, je nach Auslegung der Formation auch drei Positionen infrage.
Da wäre die Rolle des Mittelstürmers, die in München klar an Harry Kane vergeben ist. Der Rekordeinkauf der Bayern liefert seit zwei Jahren verlässlich ab und ist Topverdiener. An seinem Status gibt es nichts zu rütteln.
Das gilt auch für die Zehn, auf der sich Nick Woltemade ebenfalls wohlfühlt. Dort hat mit Jamal Musiala im Frühjahr jener Jungprofi unter großem Getöse verlängert, der in München eine Ära prägen soll. Er könnte zwar in der Theorie auf den Flügel ausweichen, laut "Sport1" wäre das aber nur im Falle einer Wirtz-Verpflichtung realistisch gewesen.
Irgendwo zwischen diesen beiden Rollen versteckt sich die dritte Option, denn Nick Woltemade könnte auch als zweiter Stürmer oder zweiter Zehner auflaufen. Es wäre seinem Entwicklungsstand entsprechend wohl auch die beste Rolle für ihn, denn trotz seiner großen Fortschritte in der abgelaufenen Saison hat er als alleinige Neun noch Luft nach oben.
In Stuttgart stürmte er zuletzt oftmals mit Deniz Undav, in der U21-Nationalmannschaft mit Nicolò Tresoldi oder Nelson Weiper.
Dass der FC Bayern für Nick Woltemade seine Formation ändert, käme aber einem enormen Risiko gleich. Kane und Musiala würden so zwar in der Startelf verbleiben, dafür müsste im zentralen Mittelfeld aber ein Spieler gestrichen werden. Joshua Kimmich ist nach seiner Vertragsverlängerung ebenfalls unantastbar, es bliebe also nur Leon Goretzka. Für Aleksandar Pavlović wäre dann ebenfalls kein Platz.
In der Konsequenz müsste Kimmich aber als alleiniger Sechser agieren. Nun haben wir nicht mehr 2023 und Thomas Tuchel ruft nicht mehr nach einer Holding Six. Dass Kimmich, selbst stets mit Impulsen fürs Angriffsspiel, hinter Nick Woltemade, Kane, Musiala und zwei offensiven Flügelspielern alleine absichert, dürfte aber spätestens in der Champions League in katastrophalen Zuständen enden.
Realistischer dürfte also doch eher das Szenario sein, mit dem die Bayern laut "Kicker" planen. Der Stuttgarter werde demnach als Ersatz für Thomas Müller betrachtet. Der hat zuletzt immer mal wieder mit Kane zusammengespielt oder diesen vertreten. Er war aber vor allem auch zumeist Joker.
Das wiederum ist eine Rolle, die sowohl für den Klub als auch für Nick Woltemade selbst ein enormes Risiko bergen würde. Ein Transfer des Shootingstars dürfte in diesem Jahr zwar günstiger werden als nach einer weiteren tollen Saison in Stuttgart, teuer ist er aber auch jetzt schon. Spekuliert wird bereits über eine Summe im Bereich der 50 Millionen Euro. Ganz schön kostspielig für einen Joker.
Auf der anderen Seite muss dem 23-Jährigen auch bewusst sein, dass er trotz all der Euphorie um seine Person gerade mal eine starke Bundesliga-Saison absolviert hat. Vor allem in seinem Alter ist Spielpraxis enorm wichtig, um nun Konstanz in sein Spiel zu bekommen.
Das sollte Nick Woltemade ob seiner Vita bewusst sein. So wirklich angekommen ist der gebürtige Bremer im Profifußball erst, als er sich an die SV Elversberg hat verleihen lassen. In der 3. Liga etablierte er sich, ragte heraus. Den Schwung aber konnte er nach seiner Leihrückkehr nicht mitnehmen, er saß schnell wieder auf der Bank.
Erst der Wechsel nach Stuttgart brachte ihn wirklich voran. Doch nun – nur ein Jahr später, in dem viel gelang, aber längst nicht alles – schon nach München zu wollen, kommt zu früh.
