Der interne Machtkampf, der bei Hertha BSC jahrelang zwischen Investor Lars Windhorst und Ex-Präsidenten Werner Gegenbauer getobt hatte, hat laut einem Bericht der "Financial Times" ungeahnte Formen angenommen. Der britischen Zeitung liegen Gerichtsdokumente vor, nach denen Windhorst eine israelische Geheimdienstfirma auf Gegenbauer angesetzt hatte, um diesen aus dem Verein zu drängen.
Die einjährige Operation der in Tel Aviv ansässigen Shibumi Strategy Limited soll den Codenamen "Euro 2020" getragen haben und von einem 20-köpfigen Team durchgeführt worden sein. Dem Bericht zufolge haben sich die Undercover-Aktivisten online und persönlich an Unterstützer:innen, Gegner:innen und Familienmitglieder von Gegenbauer gewandt, um an sensible Informationen über den damaligen Klubpräsidenten zu gelangen.
Um Gegenbauers Ruf zu schaden, soll Shibumi Online-Profile vorgeblicher Fans eingerichtet haben, die Stimmung gegen den damaligen Präsidenten machten. Angeblich hat die Firma auch einen Karikaturisten bezahlt, der Bilder von Gegenbauer als Sensenmann und Teufel anfertigt und diese über Social-Media verbreitet haben soll.
Shibumi soll außerdem eine Website mit dem Namen "Gegenbauer Raus" und den Blog "Sportfreax" eingerichtet haben, um durch tendenziöse Artikel für die Absetzung des Präsidenten zu werben.
Angeblich war auch geplant, bei der Herta-Mitgliederversammlung im November 2021 "Gegenbauer Raus"-Merchandise an die Fans zu verteilen. Weil die Veranstaltung wegen der Corona-Pandemie aber verschoben und in den virtuellen Raum verlegt wurde, ist aus dem Plan nichts geworden.
Nach dem Beinah-Abstieg von Hertha in der vergangenen Saison war Gegenbauer nach 14 Jahren an der Spitze des Klubs im Sommer zurückgetreten. Damals betonte er: "Die Unstimmigkeiten mit unserem Investor haben bei meiner Entscheidung keine Rolle gespielt. Diese Auseinandersetzung ist nie eine persönliche gewesen."
Dass Windhorst Gegenbauer loswerden wollte, war bekannt. Im März hatte er öffentlich dessen Rücktritt gefordert. Zwar hat der Investor durch seinen 374-Millionen-schweren Einstieg eine Mehrheitsbeteiligung bei Hertha, doch wegen der in den Bundesliga-Statuten verankerten 50+1-Regel sind seine Stimmrechte auf 49,9 Prozent beschränkt. Gegenbauer also einfach selbst von der Klubspitze zu entfernen, war Windhorst somit nicht möglich.
Die "Financial Times" war auf den Fall aufmerksam geworden, weil die Geheimdienstfirma das Unternehmen des Investors, Tennor Holding, wegen ausbleibender Zahlungen verklagt hat.
Eine Million Euro plus weitere vier Millionen Erfolgsprämie seien Shibumi versprochen worden, geht aus den Unterlagen hervor. Bis heute soll das Geld nicht angekommen sein.
Die "Financial Times" hat alle Beteiligten mit dem Fall konfrontiert. "Wir wissen nichts darüber, Sie müssen einen Fehler gemacht haben", sagte Shibumi-Geschäftsführer Ori Gur-Ari. Während Gegenbauer nicht zu erreichen war, bezeichnete Windhorst die Vorwürfe als "Unsinn" und zweifelte die Zuverlässigkeit der eingereichten Dokumente an.
Der 45-jährige Investor Windhorst ist bei den Fans umstritten. Seit seines millionenschweren Einstiegs im Juli 2019 hat sich die sportliche Schieflage der Berliner trotz vollmundiger Versprechungen Windhorsts nicht gebessert.