
Während der Europameisterschaft war die umstrittene Fluglinie als einer der Hauptsponsoren allgegenwärtig. Wie hier beim Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich.Bild: IMAGO / MIS
Fußball International
12.07.2021, 18:1331.07.2021, 16:28
Als am Sonntagabend England und Italien im Londoner Wembley-Stadion um den EM-Titel kämpften, konnten sich die Fans des deutschen Teams zurücklehnen und den italienischen 4:3-Triumph nach Elfmeterschießen entspannt verfolgen. Für die Mannschaft von Trainer Jogi Löw war bereits im Achtelfinale Schluss. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) steckt aktuell sportlich in der Krise, an der Verbandsspitze tobt seit mehreren Monaten ein erbitterter Machtkampf und nun sorgt ein unglaublich erscheinender Sponsorendeal für ordentlich Aufregung.
Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" verhandelt der DFB mit einem der wichtigsten Staatskonzerne des WM-Gastgebers von 2022: Qatar Airways. Gegenstand der Gespräche ist eine Partnerschaft für Flugreisen der Nationalmannschaft. Politik, Experten und Fans laufen Sturm. Der skandalgebeutelte deutsche Fußballverband äußert sich zu den Verhandlungen nicht.
"Passt schwer zusammen": Politik kritisiert DFB-Verhandlungen mit Qatar Airways
Mitten in einer tiefen Führungskrise, nach dem Abgang von Präsident Fritz Keller, verabschiedete die Interimsführung des Verbandes im April eine neue Menschenrechtspolicy und bezog eine klare Haltung zur Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Die Spieler der Nationalelf setzten mit dem "Human Rights"-Schriftzug auf ihren Trikots ein öffentlich-wirksames Zeichen. Eine Partnerschaft mit der Staatsfluglinie eines Landes, in dem Homosexualität eine Straftat ist, passt damit "schwer zusammen", erklärt die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Gyde Jensen der "Bild am Sonntag".
"Wie das weitergehen soll, wo der havarierende, von Strafbehörden verfolgte Verbandskoloss in den nächsten Monaten landen wird, ist auch ungewiss. Neue Skandale sind jedenfalls abzusehen."
"SZ"-Journalist Thomas Kistner
In der Politik ist Jensen mit dieser Meinung nicht allein. Parteiübergreifend gibt es Kritik an den Verhandlungen und die Forderung an den Verband, die Gespräche einzustellen. Grünen-Politiker Cem Özdemir hat wenig Verständnis für den Schritt: "Die EM hat gezeigt, wie weit sich der Fußball von der europäischen Wirtschaft entfernt hat – fast alle EM-Sponsoren stammen aus Asien oder den USA oder eben Katar". Aus der Bundesfraktion der CDU/CSU heißt es: "Sollte der DFB tatsächlich darüber verhandeln, sich von der Staatsfluglinie Qatar Airways sponsern zu lassen, muss sich der Verband entscheiden: Entweder ist der DFB weiter ein glaubwürdiger Kämpfer für Menschenrechte, Weltoffenheit und Toleranz, oder er bindet sich und sein Wertesystem aus finanziellen Gründen an den Staat Katar."

Einem positiven Signal wird jegliche Aussagekraft genommen: Der DFB arbeitet Bild: IMAGO / ActionPictures
Es sei "beschämend", erklärt der niedersächsische Sportminister Boris Pistorius der "Welt", dass "ein angeblich gemeinnütziger Verein wie der DFB, der die Nationalmannschaft für Human Rights Position beziehen lässt, mit derart fragwürdigen Sponsoren verhandelt".
DFB steckt möglicherweise in großen finanziellen Schwierigkeiten
"SZ"-Journalist Thomas Kistner sieht im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk" beim DFB ein weiteres Problem. In dieser politisch sensiblen Zeit überhaupt Verhandlungen mit der Fluggesellschaft einzuleiten "zeigt nach meiner Einschätzung deutlich, dass die finanzielle Gesamtsituation des DFB beunruhigend sein dürfte".
Eine Kooperation mit Qatar Airways wird nicht für ruhigere Zeiten beim DFB sorgen. Erst kürzlich stand der FC Bayern aufgrund seiner Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft deutlich in der Kritik. DFB-Marketingchef Holger Blask erklärte lediglich, dass der Verband generell keine Gespräche mit potenziellen Partnern kommentiert: "Wenn es etwas zu vermelden gibt, können wir gerne darüber reden".
DFB unterbrach Verhandlungen mit Lufthansa während Corona
Hintergrund für die Verhandlungen ist, dass der DFB die Zusammenarbeit mit seinem bisherigen Partner Lufhansa aufgrund der Corona-Pandemie vor der EM unterbrach. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll der Vertrag sogar vorzeitig beendet werden.
Für Kistner ist damit bestätigt: Die Menschenrechtspolicy des DFB ist "reine Symbolpolitik". Der Schritt wäre ein öffentliches K.O. für den angeschlagenen Verband. "Wenn der Deutsche Fußball-Bund mit Katar so eine Bindung eingeht, dann kriegt er das Thema bis zur WM nicht nur nicht mehr von der Backe", vermutet Kistner. "Wie das weitergehen soll, wo der havarierende, von Strafbehörden verfolgte Verbandskoloss in den nächsten Monaten landen wird, ist auch ungewiss. Neue Skandale sind jedenfalls abzusehen".
Unruhige Zeiten stehen bevor, auch für Trainerstab und Spieler. Eine große Fußballnation muss sich darauf einstellen, nach dem Spiel nicht mehr nur nach einer kurzen Analyse gefragt zu werden, sondern auch nach der Haltung zur Menschenrechtslage im Wüstenstaat Katar.
(vdv)
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