Seit einigen Tagen herrscht dicke Luft zwischen Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen. Es geht um den Stammplatz im Tor der Nationalmannschaft. Mit einer hervorragenden Torwartleistung in der Champions League gegen Borussia Dortmund am Dienstag untermauerte ter Stegen seine Ansprüche, die Nummer eins im DFB-Team zu werden und Stammkeeper und FC-Bayern-Torwart Neuer zu verdrängen.
Nun wurde am Mittwoch berichtet, dass Neuer einen Rückzug aus der Nationalmannschaft erwägt. Hat der Keeper damit die Konsequenzen aus dem Torwart-Streit gezogen und diese harte Entscheidung getroffen? Es sieht ganz danach aus.
Laut der "Sport Bild" denkt der Kapitän der Nationalelf nämlich "ernsthaft" darüber nach, dass er nach der kommenden EM seine Laufbahn im DFB-Team beendet. Zitiert wurde Neuer dabei nicht.
Wie konnte es soweit kommen? Die Ereignisse der vergangenen Tage im Überblick:
Nach den EM-Qualifikationsspielen gegen die Niederlande (2:4) und Nordirland (2:0) machte ter Stegen seinem Frust über seinen ewigen zweiten Platz im Nationalteam Luft. Denn obwohl Löw dem Barca-Keeper Einsatzzeiten in Aussicht gestellt hatte, spielte er keine Minute:
Diese Aussage gefiel dem sechs Jahre älteren Stammkeeper Neuer gar nicht. Der viermalige Welttorhüter konterte spitz zurück: "Ich bin Mannschaftsspieler und denke immer an das Wohl der Mannschaft." Weiterhin bemerkt er: "Es gibt ja sehr viele gute Torleute. Jeder, der nicht spielt, ist unzufrieden, dafür habe ich volles Verständnis. Aber das Wichtigste ist immer der Erfolg und das Wohl der Mannschaft."
Das ließ der 27-jährige Barca-Torwart allerdings auch nicht auf sich sitzen: "Manu muss sicherlich nichts zu meinen Gefühlen sagen und diese bewerten, meine ich", so ter Stegen.
Weiterhin richtete er sich an Jogi Löw: "Du kannst keinen Konkurrenzkampf ausrufen und dann erwarten, dass Spieler, die nicht spielen, glücklich über die Situation sind".
Bundestrainer Löw versuchte kürzlich via "Bild"-Zeitung, die Diskussion um die Nummer eins im deutschen Tor herunterzuspielen: "Wir alle können uns doch nur freuen, mit Manuel Neuer und Marc-Andre ter Stegen zwei Weltklassetorhüter zu haben." Auch Kevin Trapp und Bernd Leno seien zu außergewöhnlichen Leistungen in der Lage. Es sei klar, dass jeder einzelne Torwart im Kader ehrgeizig sei und auch spielen wolle: "In der Nationalmannschaft brauchen und wollen wir diesen Konkurrenzkampf", so Löw.
Und weiter: "Andy Köpke (DFB-Torwarttrainer, d. Red.) und ich stehen zu unserem Wort, dass auch Marc seine Chancen bei uns bekommen wird." Man könne seine Enttäuschung verstehen, doch es sei nun mal so, dass nur einer spielen kann. "Im Juni hatten wir ihn eingeplant, da war er leider angeschlagen. Manu hat bei uns zuletzt sehr gute Leistungen gezeigt. Er ist unser Kapitän." (bild.de)
Am Dienstag beendete Manuel Neuer auf der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Spiel der Bayern gegen Roter Stern Belgrad (Mittwoch, 21 Uhr) die Debatte. Neuer: "Ich werde dazu nichts mehr sagen. Es wird keine Aussagen mehr diesbezüglich geben von mir."
Statt nur zu reden, lässt Marc-André ter Stegen nun Taten sprechen: Beim Champions-League-Spiel gegen Barcelona am Mittwochabend zeigte er, – mal wieder – was in ihm steckt und lieferte eine überragende Leistung. Ter Stegen rettete den FC Barcelona mehrfach vor einer Niederlage gegen den BVB und ließ seine Nationalmannschaftskollegen Reus, Hummels und Götze, der abermals 90 Minuten auf der Bank saß, alt aussehen.
In der 56. Minute hielt er dann sogar einen Elfmeter von Marco Reus. Auch dessen Nachschuss parierte er cool.
Auch den Fans entging Marc-André ter Stegens Glanzleistung nicht und unter anderem auf Twitter wurde der Unmut über seine fehlende Rolle im Nationalteam laut:
Spätestens seit dem Spiel gestern Abend gibt es für Löw also eigentlich keinen Grund mehr, den Barca-Keeper weiter auf der Ersatzbank schmoren zu lassen. Die von Löw und Köpke versprochene Chance, bald in der Nationalef zwischen den Pfosten stehen zu dürfen, scheint für den 27-Jährigen nun größer denn je. Vielleicht ja schon bei den anstehenden Quali-Spielen gegen Estland, Weißrussland oder Nordirland.
Dort gilt es dann abzuliefern und zu beweisen, dass er der Leistung von Nummer-eins-Torwart Neuer allemal gewachsen ist.
Vielleicht erübrigt sich die Diskussion um den Platz im Nationalmannschaftstor aber auch im kommenden Jahr. Die Europameisterschaft 2020 könnte eben seit Mittwoch für Neuer nämlich das letzte große Turnier seiner Karriere werden.
Ter Stegen stünde bereit.
(as/kre)