Wenn am Freitagabend (20.30 Uhr, ARD) die Frauen-Nationalmannschaft in Fürth gegen Sambia spielt, nähern wir uns so langsam dem Höhepunkt des Fußballjahres 2023! Am Tag nach dem letzten Testspiel wird der Kader für die Frauen WM nominiert. Am 11. Juli geht schließlich der Flieger für das Team nach Neuseeland und Australien, um den WM-Titel zu holen.
Es ist die letzte Chance einer deutschen Fußballnationalmannschaft den Sommer für den Verband zu retten. Denn sowohl die A-Nationalmannschaft der Männer, wie auch das erfolgsverwöhnte U21-Team wurden in den letzten Monaten auf den Boden der Mittelmäßigkeit (zurück) geholt.
Die Nachrichten aus dem Frauen-Team klingen demgegenüber alle gut. Mit dem Rückenwind der Vize-Europameisterschaft aus dem vergangenen Jahr ist gegenwärtig viel von Teamgeist die Rede. Außerdem wissen wir um die Qualität des Trainerteams und der führungsstarken Spielerinnenpersönlichkeiten. Das Team zieht an.
Im vergangenen Jahr erreichte kein Fußballspiel mehr Fernsehzuschauer als das EM-Endspiel der Frauen gegen die Engländerinnen (1:2 n.V.). 17,9 Millionen Fans saßen vor den Bildschirmen und fieberten bis zur letzten Minute mit. Im Vergleich hierzu: Beim Spiel der Männer in der Vorrunde der WM in Katar gegen Japan schalteten lediglich 9,23 Millionen Menschen den Fernseher ein und beim finalen Auftritt vom Flick-Team gegen Costa Rica – als es um alles ging – waren es mit 17,44 Millionen Zuschauer rund 500.000 weniger.
Im Nachgang zur EM passierte im deutschen Frauenfußball das Gegenteil von dem, was sich die neuen Manager des Männerteams erhoffen. Ein Zuschauerrekord jagte den nächsten. Die Popularität wuchs von Woche zu Woche und die Erwartungen gehen mitunter so weit, dass wir vom Frauenteam um Trainerin Martina Voss-Tecklenburg mindestens einen gewichtigen Beitrag zur Rettung des Deutschen Fußballs beziehungsweise den der Nationalmannschaften erwarten.
Mit Blick auf die im nächsten Jahr anstehende Heim-Europameisterschaft der Männer hat der DFB bislang alle Karten verspielt. Die Fans wenden sich massenhaft ab und niemand aus der Chefetage weiß so recht, wie in diesem Land noch eine EM-Stimmung aufgebaut werden soll. Da liegt es nahe, den Ball dem Frauenteam zuzuspielen.
Der sportliche Leiter aller Nationalmannschaften, Joti Chatzialexiou, bringt deshalb seine Erwartung an die Frauen-WM folgendermaßen auf den Punkt: "Umso mehr hoffe ich, dass unsere Frauen die deutschen Fans im Sommer nochmal wachküssen können. (…) Ich bin froh, dass wir als Verband die Möglichkeit haben, mit dem Turnier die Fans für uns zu gewinnen. Die WM spielt natürlich eine wichtige Rolle." Dann hoffen wir mal, dass es klappt.
Das letzte Testspiel in Offenbach gegen ein hochmotiviertes und deshalb sehr unbequemes Team aus Vietnam hat die Mannschaft des DFB aus dem vollen Training heraus mit einer durchschnittlichen Leistung über die Bühne gebracht. Und Freitag gegen Sambia müssen sich manche Spielerinnen noch empfehlen, um ihre Nominierungschance zu wahren.
Es wird zweifellos ein ebenso spannendes wie aufschlussreiches Spiel werden. Mit Blick auf die WM bleibt zu hoffen, dass sich das Frauen-Team nicht die gleiche Logik und Professionalität überstülpen lässt, wie wir das vom Männer-Team her kennen. Im Vergleich zu vorangegangenen Turnieren tauchten im zurückliegenden Jahr – passend zur wachsenden Popularität des Frauenfußballs – Parallelen zur Männer-A-Nationalmannschaft auf.
Deshalb klingt es für mich inzwischen mindestens ambivalent, wenn Chatzialexiou die Professionalität der WM-Vorbereitung auf den Punkt bringt und sagt: "Die Voraussetzungen, die wir erneut geschaffen haben, sind sensationell." Ich wünschte, Martina Voss-Tecklenburg oder Alexandra Popp würden bald derart überschwängliche Sätze formulieren!