
"Aua, oh-oh": Joshua Kimmich ist sauer.Bild: IMAGO/DeFodi Images
Fußball-Kolumne
In seiner Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
05.09.2025, 11:1405.09.2025, 11:18
Die 0:2-Niederlage gegen die Slowakei im ersten Qualifikationsspiel zur Fußball-Weltmeisterschaft 2026 in Mexiko, Kanada und den USA holt das DFB-Team auf den Boden der bitteren Tatsachen zurück.
Der Nagelsmann-Effekt, der uns in Verbindung mit den feierfreudigen Schotten, Niederländern und anderen Nationen eine elektrisierende EM beschert hatte, ist verpufft. Drei Pflichtspiel-Niederlagen in Folge, nur ein Sieg in den letzten sechs Spielen sind zu wenig, um die Partyfans erneut anzulocken.
Der DFB vermeldete gestern, dass noch 8.000 Tickets für das Qualifikationsspiel am Sonntag in Köln gegen Nordirland zu haben sind. Ungewöhnlich für die fußballbegeisterte Stadt am Rhein. Würde der 1. FC Köln spielen, wäre das Stadion sicherlich ausverkauft.
Bratislava als Reality-Check: DFB-Team zurück im alten Trott
Die Gefahr ist groß, dass sich das fußballerische Niveau erneut dem Staus quo anpassen wird, den wir noch vor zwei Jahren nach den Niederlagen gegen Österreich und die Türkei durchleiden mussten.
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Lange schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"
Erst die von Nagelsmann eingeleitete Radikalkur in den Spielen gegen Frankreich und die Niederlande im Frühjahr des vergangenen Jahres brachte das Team und damit die Fans auf EM-Kurs. Ansonsten wäre das Turnier sicherlich gefloppt.
Aber wie weiter? Vieles ist versucht, die meisten Trümpfe verspielt. Rudi Völler wird das DFB-Team kaum noch retten – höchstens könnte er erneut in Frankreich anklopfen. Dort hatten zwei Testspiele in den Jahren 2023 und 2024 überraschend heilsame Wirkung: erst ein 2:1 kurz nach der Entlassung von Hansi Flick, dann ein 2:0 in Lyon nach einer Reihe bitterer Niederlagen.
Es braucht Unterstützung: DFB-Team trifft in Köln auf Nordirland
Wo sind die Fans, die der Mannschaft jetzt beistehen und – wie bei Eintracht Frankfurt oder anderen Traditionsvereinen in Deutschland – den zwölften oder gar dreizehnten Mann aufs Spielfeld bringen?
Beim Länderspiel am Sonntag in Köln wird es auch darauf ankommen. Wird es aufmunternde Banner, Sprechchöre, Trommler und vielleicht sogar Pyrotechnik geben, um das Team nach vorn zu treiben? Oder reicht wieder ein Animationsprogramm für die Partyfans?
Der Achtziger-Hit von Major Tom im "Völlig losgelöst"-Modus wird ebenso wenig helfen wie der Saxophonist André Schnura, wenn er "Es gibt nur einen Rudi Völler" ins Stadion bläst.
Wer Vorbilder für eine authentische und lebendige Fankultur sucht, sollte am Sonntag auf die 1.000 oder 3.000 Fans aus Nordirland schauen. Sie werden das Kölner Stadion dominieren und wahrscheinlich sogar viele der 30.000 bis 35.000 deutschen Fans mitreißen.
Ab jetzt wird es wieder eng. Anders als vor zwei Jahren findet im kommenden Jahr keine Heim-EM statt, sondern eine WM in den USA, die sehr wahrscheinlich von US-Präsident Donald Trump für innenpolitische Zwecke ausgeschlachtet werden wird. Mit einer Fifa im Hintergrund, die nicht nur unbeliebt ist, sondern diesem Präsidenten und seiner Politik den Hof macht.
Nach Katar 2022 liegt bereits ein neuer WM-Boykott in der Luft. Allesamt Voraussetzungen, die es dem DFB unheimlich schwer machen, jetzt so etwas wie eine Aufbruchstimmung zu entfachen. Dabei ist es genau das, was der Nationalmannschaft guttun würde: Emotionalität, Begeisterung und Leidenschaft.
Mit Fábio Silva holt der BVB einen neuen Angreifer. Aufmerksamkeit erhält er allerdings vorerst für seinen Abschiedsgruß auf Social Media.
Der moderne Fußball kennt eigene Rituale: der medizinische Check, die erste Trainingseinheit, das übliche Lächeln fürs Vereinsfoto – und, fast ebenso wichtig, die Abschiedsworte auf Social Media. Manche sind ergreifend, manche sind erstaunlich ähnlich.