Für Thomas Tuchel war es auch eine gewisse Überraschung. Nur 209 Tage, nachdem Graham Potter das Amt vom 49-Jährigen bei Chelsea London übernommen hatte, ist er nun schon wieder seinen Job los. Wie der Verein am Montagabend mitteilte, trennen sich die Blues von ihrem Trainer, den sie erst für 17,4 Millionen Euro verpflichtet hatten.
Natürlich gibt es auch sofort zahlreiche Gerüchte, dass Julian Nagelsmann als einer der Top-Favoriten auf den Trainerposten gilt. Der ehemalige Bayern-Coach wäre so der Nach-Nachfolger von seinem Nachfolger, Thomas Tuchel.
"Ich habe es gestern spät aufs Handy bekommen. Es ist ein krasser Zeitpunkt, weil es so nahe an meinem Amtsantritt fällt und dort schon wieder eine Trainerstelle frei wird", bewertet er die Entlassung von Potter auf der Pressekonferenz vor dem DFB-Pokal-Spiel gegen den SC Freiburg am Montagmittag.
Anschließend blickt Tuchel nochmal mit einer gewissen Emotionalität auf seine Zeit in London zurück. Innerhalb weniger Monate gelang es ihm dort, eine strauchelnde Mannschaft zu stabilisieren und sie sogar zum Champions-League-Titel zu führen.
"Ich habe lange gebraucht, um mich davon zu distanzieren. Ich habe wahnsinnig gerne dort gearbeitet. Es sind Freundschaften fürs Leben entstanden", sagte der heutige Bayern-Coach.
Dann kommt Tuchel auf den großen Umbruch beim FC Chelsea zu sprechen. Denn 100 Tage nachdem die neuen Besitzer um den US-Amerikaner Todd Boehly den Klub vom russischen Oligarchen Roman Abramowitsch übernommen hatten, stellten sie Tuchel frei.
"Unsere Vision für den Klub war es, einen Trainer zu finden, der wirklich mit uns zusammenarbeiten wollte", teilte der Besitzer Mitte September mit. Eine Entscheidung, die Tuchel verständnislos zurückließ. Auch in der Folgezeit wurden immer wieder Details veröffentlicht, die zu Tuchels-Entlassung geführt haben sollen.
So sollen sich Boehly und Tuchel beide in Transferfragen uneinig gewesen sein, dabei soll der Investor dem Trainer auch ein Spielsystem mit zwölf statt elf Feldspielern vorgeschlagen haben. Aus dem Umfeld des Besitzers war hingegen zu hören, Tuchel habe unter anderem Neuzugang Denis Zakaria nicht erkannt.
"Der Klub hat sich massiv ver- und geändert, daher war es für mich leichter, Distanz zu kriegen", sagte er nun am Montag. Denn nicht nur er musste den Klub verlassen, der neue Besitzer trennte sich von zahlreichen Mitarbeitenden, die Ex-Boss Roman Abramowitsch geholt hatte.
So mussten unter anderem Direktorin Marina Granovskaia, Team-Manager Petr Cech und Scott McLachlan, Chef der Scouting-Abteilung und weitere Angestellte gehen. "Daher hat es nicht mehr die ganz großen Emotionen ausgelöst", sagte Tuchel mit Blick auf seinen Ex-Klub.
Als auf der Pressekonferenz eigentlich schon die nächste Frage gestellt werden sollte, schob Tuchel sogar nochmal nach: "Ich brauche keinen Rat mehr geben, weil der Verein ein anderer ist als ich ihn vorgefunden habe." Außerdem geht Tuchel davon aus, dass Nagelsmann ihn sowieso nicht fragen wird.
Für Tuchel und den FC Bayern geht es nun darum, die kommenden beiden Spiele gegen den SC Freiburg zu gewinnen. Zunächst im Heimspiel am Dienstagabend, um im DFB-Pokal ins Halbfinale einzuziehen und anschließend am Samstag beim Auswärtsspiel in Freiburg, um weiterhin Tabellenführer in der Bundesliga zu bleiben.
"Es ist ein bisschen komisch, wenn man in der gleichen Woche zweimal gegen den gleichen Gegner spielt. Unsere Ausgangslage in der Bundesliga erlaubt uns nicht, da irgendwas zu managen", sagte Tuchel und kündigte an, keine Stars schonen zu wollen.
"Wer das Vertrauen bekommt, muss das mit Leistung zurückzahlen", machte er in Richtung seiner Top-Stars klar.