
Die deutsche Nationalmannschaft beim Aufwärmen im Trainingslager Herzogenaurach.Bild: www.imago-images.de / Eibner Pressefoto/Michael Memmle
Fußball
Die Debatte um die von der UEFA nicht genehmigte
Regenbogen-Beleuchtung des Münchner Stadions hat die sportliche
Dimension des letzten deutschen EM-Gruppenspiels fast überlagert.
Auch Joachim Löw musste sich noch am Vorabend des Duells gegen Ungarn
zu der Causa äußern. Der Fokus ist aber nun wieder klar ausgerichtet.
Gegen die Ungarn soll der Fußball-Nationalmannschaft am Mittwoch
(21.00 Uhr/ZDF und Magenta TV) der letzte Schritt Richtung
Achtelfinale gelingen, auch wenn Thomas Müller ausfallen sollte.
Die Ausgangslage
Manuel Neuer und seine Kollegen haben es selbst in
der Hand. Schon mit einem Unentschieden ist das Achtelfinal-Ticket
gebucht. Mit einem Sieg ist auch noch Platz eins möglich, wenn
Frankreich nicht gegen Portugal gewinnt. Bei derzeit drei Punkten und
einer positiven Tordifferenz (+1) hängt ohnehin einiges vom Ausgang
des Parallelspiels zwischen Weltmeister Frankreich (4 Punkte/+1) und
Europameister Portugal (3/+1) ab.
Nur ein Fall darf für Joachim Löw nicht eintreten. Verliert die
DFB-Elf gegen Ungarn und holt Portugal mindestens einen Punkt ist die
EM für Deutschland vorbei und die Ära Löw auf unrühmliche Weise
beendet. "Ich habe ein deutlich positiveres Gefühl, als es 2018 der
Fall war", zog Mats Hummels einen Vergleich zum WM-Debakel vor drei
Jahren, als nach der Vorrunde Schluss war.
Das Personal
Für Thomas Müller reicht es ziemlich sicher nicht für
die Startelf. Am Spieltag soll noch einmal das rechte Knie des
Bayern-Profis einem Belastungstest unterzogen werden, um zu prüfen,
ob ein Einsatz überhaupt möglich ist. "Wir warten bis zum
Mittwochnachmittag. Es gibt verschiedene Gedankenspiele und
Möglichkeiten in der Personalwahl", sagte der Bundestrainer.
Als Ersatzmann stünde Leon Goretzka für seinen ersten Startelfeinsatz
bei der EM bereit. Mats Hummels (Reizung der Patellasehne) und Ilkay
Gündogan (Wade) sind hingegen wieder fit. Weitere Änderungen muss Löw
also nicht vornehmen. Kapitän Neuer bestreitet gegen Ungarn sein 103.
Länderspiel und zieht damit in der DFB-Rangliste mit Kaiser Franz
Beckenbauer gleich.
Der Gegner
Die Ungarn können ziemlich unbequem sein. "Wir wissen,
dass sie ein ganz gefährlicher Gegner sind. Vielleicht ist es besser
für uns, dass wir jetzt auf sie treffen, wo wir sie schon zweimal
gesehen haben", warnte Hummels. Gegen Frankreich holten die Magyaren
einen Punkt, der würde ihnen in München aber nicht zum Weiterkommen
reichen. Gleich vier Bundesliga-Profis stehen im Aufgebot: Roland
Sallai vom SC Freiburg, Adam Szalai von Mainz 05 und die Leipziger
Peter Gulasci und Willi Orban.
Die Historie
Ungarn. Dieser Gegner löst bei deutschen Fans immer
noch besondere Gefühle aus. Dabei gab es seit 67 Jahren gegen die
Magyaren kein Pflichtspiel mehr. Das letzte Duell von bislang nur
drei Partien unter Turnierbedingungen wird immer in den
Geschichtsbüchern stehen - als "Wunder von Bern". Am 4. Juli 1954
gelang Deutschland als großem Außenseiter durch die Tore von Max
Morlock und zweimal Helmut Rahn der erste WM-Triumph.
Mit insgesamt 34 Partien liegt Ungarn in der Rangliste der häufigsten
DFB-Gegner auf Platz sieben. Joachim Löw hat gegen Ungarn als
Bundestrainer beide Spiele gewonnen. Vor der WM 2010 gab es ein 3:0,
vor der EM 2016 ein 2:0. Die letzte Niederlage gab es vor der EM
2004. Lothar Matthäus führte die Ungarn als Trainer zu einem 2:0.
Die Perspektive
Angesichts der guten Ausgangslage kann der Blick
schon über das Ungarn-Spiel hinausgehen. Mit dem Achtelfinale beginnt
für die Nationalmannschaft die Europareise, den Münchner Heimvorteil
gäbe es nur noch einmal im Viertelfinale am 2. Juli bei einer von
zwei möglichen Konstellationen als Gruppendritter. In der ersten
K.o.-Runde ginge es als Gruppensieger in Bukarest am kommenden Montag
gegen die Schweiz oder die Ukraine. Als Gruppenzweiter wäre am
kommenden Dienstag England in London der Gegner. Als einer der vier
besten Gruppendritten müsste man sich am Sonntag entweder in Sevilla
mit Belgien oder in Budapest mit den Niederlanden messen.
Der Regenbogen
Manuel Neuer wird wie in den ersten beiden Spielen
wieder seine Regenbogen-Kapitänsbinde tragen. Das wurde von der UEFA
erlaubt. Eine Absage gab es hingegen für den Antrag der Stadt
München, die Arena in der Farbkombination als Zeichen für Vielfalt
und Akzeptanz diverser sexueller Orientierungen zu illuminieren. Löw
bedauerte diese Entscheidung, machte aber deutlich, dass über die
Gesten hinaus wichtiger sei, dass die "Werte auch gelebt werden".
Die bayerischen Politiker wollten die Aktion auch als klare Kritik an
den homophoben Gesetzesentscheidungen der ungarischen Regierung von
Viktor Orban initiieren. Die Ablehnung der UEFA stieß auf breite
Kritik aus vielen Gesellschaftskreisen. Viele Städte von Berlin bis
Köln werden nun ihre Stadien mit den Regenbogenfarben beleuchten.
(nb/dpa)
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