Wenn es nicht läuft bei der Nationalmannschaft, ist der Job des Bundestrainers der undankbarste der Welt, heißt es immer. Weil jeder meint, es besser zu wissen, gibt es auf einmal 80 Millionen Bundestrainer in Deutschland. Das war unter Jogi Löw schon so und ist jetzt unter seinem Nachfolger Hansi Flick nicht anders.
Neben den vielen Möchtegern-Bundestrainern gibt es allerdings auch Menschen wie Steffen Baumgart, die tatsächlich Trainer sind und wissen, wie es ist, eine Profimannschaft zu leiten. Aus dem Abstiegskandidaten 1. FC Köln hat der 51-Jährige in den vergangenen zwei Jahren eine stabile Bundesliga-Mannschaft gemacht, die über weite Strecken der vergangenen Saison sogar um die internationalen Plätze mitspielte.
Baumgart, der sich in der vergangenen Woche mit seinem Team im österreichischen Maria Alm auf die kommende Saison vorbereitet hat, hat jetzt zum kriselnden Bundestrainer Hansi Flick Stellung bezogen. Vor allem zu dessen Personalentscheidungen hat der Kölner eine klare Meinung.
Grundsätzlich findet er, Hansi Flick als Bundestrainer gut, sagt Baumgart in einem Interview mit der "Bild am Sonntag". Doch dann holt er aus: "Ich sage es mal so: Wir hatten eine WM in Russland, die nicht so gut war. Danach haben wir einige unserer besten Spieler vergrault."
Was Baumgart damit meint: Seit Flick im August 2021 das Amt des Bundestrainers übernommen hat, hat er vermehrt auf jüngere Spieler gesetzt und so Spielern wie Florian Wirtz oder Karim Adeyemi zu ihren Nationalmannschaftsdebüts verholfen. "Toni Kroos, Thomas Müller – die waren plötzlich nicht mehr gut genug. Stattdessen haben wir uns eingeredet, dass wir auf junge Leute setzen müssen", sagt Baumgart.
Allerdings hätten diese derzeit noch das Problem, dass sie den Druck bei der Nationalmannschaft noch nicht so schultern könne, wie es die arrivierten Spieler tun. "Musiala und Wirtz sind Talente – mehr noch nicht. Ja, Top-Talente, die ich auch gerne im Team hätte, aber sie leben aktuell noch von Spielern wie Müller und Kimmich", erklärte Baumgart.
Wie in Deutschland mit verdienten Nationalspielern umgegangen werde, ist ohnehin etwas, was dem Kölner Trainer nicht gefällt. "Jede andere Nation lässt ihre 36-jährigen Helden spielen, bis sie nicht mehr laufen können. Weil sie einfach die Besten sind." Deutschland dagegen "zerlegt" seine besten Spieler jedes Mal, sagt Baumgart.