Özil geht, der Hambacher Forst bleibt, Chemnitz schreckt auf – 2018 war turbulent. Auch für uns: watson.de startete im März. Auf einige Geschichten sind wir seitdem besonders stolz. Wie auf diese hier:
Dragan Lukić und Mirjana Akrapović sind einfach immer dabei. Wenn die kroatische Nationalmannschaft bei einem WM-Qualifikationsspiel in Aserbaidschan spielt, ist es sicher, dass die Regie irgendwann zwei kroatische Fans mit einer Flagge und dem Schriftzug "Paklarevo" einblendet.
Paklarevo ist ein kleiner Ort Bosnien-Herzegowina. Dort kommen Dragan und Mirjana her. Genauso wie ich. Dragan ist mein Großcousin, sein Vater und mein Opa waren Brüder.
Dragan ist mit seiner Partnerin Mirjana und seinen Brüdern im Bürgerkrieg nach Schweden gegangen. Von dort aus fliegt er mit der kroatischen Nationalmannschaft zu jedem Spiel. Egal ob nach Zagreb, zum China Cup oder zur WM-Vorbereitung nach Miami.
Seit 5 Jahren haben sie kein Spiel verpasst. Der kroatische Fußballverband ehrte die Beiden für ihre Treue und schenkte ihnen zwei Trikots - ein Mal mit der Nummer 2 für Dragan und die 3 für Mirjana.
Der Fan mit der Nummer 1 war zwar nicht in China dabei, er hatte wohl nur die Karten gekauft und weiter gegeben. Animositäten gebe es aber wohl trotzdem keine.
Dragan und Mirjana sind durch ihre herzliche Art mittlerweile berühmt in dem kleinen aber sportverrückten Kroatien, so sehr, dass Nationalspieler sie mit Vornamen grüßen.
Heimische Medien führen Interviews mit ihnen, die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović – selbst eine Meisterin der Inszenierung – ließ sich mit ihnen fotografieren.
Wie bekannt sie sind, erlebte ich vor vier Jahren in Mailand. Wir gingen zusammen zum EM-Quali-Spiel gegen Italien im San Siro in Mailand. Wir konnten kaum ein paar Meter gehen, ohne dass die Beiden gegrüßt wurden.
Gerade sind sie auf dem Weg ins Stadion in Moskau, doch ich konnte Dragan noch vorher erreichen.
watson: Heute steht das Spiel der Spiele an. Kroatien gegen England im Halbfinale. Bist du nervös?
Dragan Lukić: Irgendwie sind alle Kroaten auf der Welt nervös, aber hier
auf dem Feld ist das anders. Ich glaube, alle feiern mehr, als die Leute hier vor Ort.
Wie meinst du das?
Im Stadion weinen, schreien und singen wir. Nach Abpfiff müssen wir schnell aus dem Stadion, werden rumgefahren und sind dann um 3 Uhr morgens im Hotel.
Alles es ist durchgetaktet und verschlossen. Du kannst nicht mal realisieren, dass
du weitergekommen bist. Erst am nächsten Tag, wenn du in die neue Stadt musst,
fangen wir wieder mit dem Feiern und dem Singen an.
Wie haben sich denn die Elfmeterschießen für dich angefühlt?
Gegen Dänemark war es eine Katastrophe. Da habe ich mehr
gebetet als im Krieg. Gegen Russland war ich aber ruhiger. Da war ich sicher, dass wir im Elfmeterschießen weiterkommen.
Wie haben euch die Russen generell aufgenommen?
Die lieben uns wie Brüder. Wir sprechen ja auch ähnliche
Sprachen. Überall wurde uns geholfen. Allerdings waren sie nicht unbedingt
nett, als wir in Sotschi gegen die Russen gespielt haben.
Was ist passiert?
Wir waren vor dem Spiel am Hotel der Nationalmannschaft.
Etwa 10 von uns haben eine riesige Schachbrett-farbene Flagge davor ausgebreitet.
Die russischen Polizisten wollten das verhindern, an dem Tag wurde uns
kroatischen Fans grundsätzlich kaum was erlaubt. Doch irgendwie haben wir es
geschafft.
Die Präsidentin war im gleichen Hotel wie die Mannschaft. Die Bodyguards haben uns gefragt, ob wir diese Fans aus Schweden sind. Man kennt uns mittlerweile. Sie kam dann raus, hat uns begrüßt und ein paar Fotos mit uns gemacht. Sie hat das Bild sogar bei sich auf ihren Seiten geteilt.
Hattest du bei der WM schon Kontakt mit den Spielern?
Klar, haben wir sie auch aus der Nähe gesehen, aber direkten
Kontakt hatten wir jetzt nicht. Muss auch nicht, wir haben die ja alle schon
vorher kennengelernt.
Was ist deine Erklärung dafür, dass die Mannschaft so
geschlossen ist?
Das liegt am Trainer Dalić. Er ist nicht nur fachlich gut, sondern auch menschlich integer und hat Autorität in der Mannschaft. Das hat uns häufig gefehlt. Mamić (mächtiger Ex-Präsident
von Dinamo Zagreb; Anm. d. Red.) wollte Dalić nicht haben. Wenn immer noch Mamićs Puppe Ante
Čačić als Trainer da wäre, hätte sich immer noch nichts geändert. Gott sei Dank haben wir in
der Quali gegen Finnland das Tor in der letzten Minute bekommen, sonst wäre Čačić geblieben und es hätte sich nichts geändert.
Wie wird das Spiel heute ausgehen?
Die Engländer schreiben überall, dass sie Weltmeister
werden. Wie kann man so arrogant sein? Selbst die Schweden denken, dass sie die
Favoriten wären. Die haben alle keine
Ahnung. Dalić wird was für sie vorbereiten. Außerdem gönnen uns alle den WM-Titel.