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Handball WM: Uwe Gensheimer, sein Gummi-Handgelenk und noch mehr Tricks

Wir würden uns den Arm brechen, er nicht: DHB-Kapitän Uwe Gensheimer.  
Wir würden uns den Arm brechen, er nicht: DHB-Kapitän Uwe Gensheimer.  Bild: imago sportfotodienst
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So verdreht Gensheimer sein Gummi-Handgelenk – und noch mehr Handball-Tricks

17.01.2019, 15:36
Erik eggers
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Das Zeichen. Es schockte Dominik Klein. Das gab er später zu. Um ihn herum war dieser infernalische Lärm, den die 20.000 Zuschauer in der Kölner Arena produzierten, dieses Spektakel um den Einzug in das Finale der Weltmeisterschaft 2007. Verlängerung gegen Frankreich, Millionen vor den TV-Geräten, das ganze Land blickte auf das Spielfeld in Köln.  

In diesem Moment also dieses geheime Zeichen. "Was machst Du da?", fragte sich Dominik Klein, als sein Kapitän Markus Baur sich kurz an die Nase fasste.

"Diese Szene, in der Schorsch Baur im WM-Halbfinale gegen Frankreich mit dem Griff an diese Nase den Spielzug ansagt, den Kempa-Trick, die ist immer noch sehr präsent bei mir", sagt der Weltmeister von 2007, der die WM als ARD-Experte begleitet. "Wenn ich heute daran denke, dann bekomme ich immer noch Gänsehaut auf meinen Armen. Das war wirklich ein sehr besonderer Moment."

Jedenfalls stieß Baur auf halblinks in die französische Deckung und passte überraschend hoch in den Torraum. Klein hob ab, er flog, das Timing passte perfekt, er nahm den Ball im Flug auf und schmetterte ihn halbhoch ins lange Eck, vorbei an Keeper Thierry Omeyer. Die Fans tobten. Ein Moment, der haften bleiben wird in der Geschichte der Weltmeisterschaften.

"Kempa" kommt aus Deutschland

Der "Kempa" ist der einzige Begriff im Handball, der nach einem Spieler benannt ist. Erfunden hatte ihn die Göppinger Legende Bernhard Kempa (1920-2017) um die Jahreswende 1953/54. Uraufgeführt am 20. März 1954 in Karlsruhe, im Länderspiel gegen Schweden, zählt diese Variante, so anspruchsvoll sie technisch ist, heute zum Standardrepertoire des Leistungshandballs.

Noch schöner: 

Hier spielt Uwe Gensheimer (mittlerweile Profi in Paris) noch zu seinen Bundesliga-Zeiten einen Kempa-Pass:Video: YouTube/Rhein-Neckar Löwen

Trickwürfe waren im Hallenhandball zunächst verpönt. Als die erste WM 1938 in Berlin ausgespielt wurde, übertrug Weltmeister Deutschland den Feldhandball einfach auf die Halle. Progressiver waren die Dänen und Schweden, weil sie sich spezifische Gedanken für das Hallenspiel gemacht hatten. Die Fans in der Deutschlandhalle staunten über die "Springwürfe" und "Aufsetzer-Pässe", mit denen die Skandinavier glänzten.

Die heutigen Trickwürfe wurden erst möglich, nachdem die Schweden in den 1950er Jahren mit Klebstoff am Ball experimentierten, um das Werfen und Fangen besser kontrollieren zu können. Das Zeug, das aus Baumharz und Chemikalien hergestellt wurde, nannte sich "Klister". Ohne Ballwachs wäre Leistungshandball auf höchstem Niveau heute unmöglich.

Uwe Gensheimer kann fast alles

Der variantenreichste Trickser des Welthandballs ist Linksaußen Uwe Gensheimer. Kein anderer Spieler beherrscht so viele Wurfvarianten wie der Mann, der die deutsche Nationalmannschaft bei der WM als Kapitän anführt. "Unglaublich, was der macht", sagt der frühere Star Stefan Kretzschmar über seinen Nachfolger auf der linken Außenbahn.

Pionier dieses Effet-Wurfes vom Flügel, wo die Winkel auf das Tor sehr gering sind, war Alexander Karschawitsch, Weltmeister 1982 mit der Sowjetunion. Der Linksaußen erfand den Trickwurf, der den Torhüter ins Leere springen lässt, während der Schütze dem Ball eine hohe Rotation mitgibt und dieser so, nachdem er aufsetzt, mit extremem Effet in die gewünschte Richtung springt – meistens trudelt der Ball, wie von Geisterhand gesteuert, außen um den Torwart herum ins Tor.  

So sieht das bei Uwe Gensheimer in Slomo aus

Hier erklärt Gensheimer das:

Die noch kompliziertere Variante, mit dem Ball Richtung Innenpfosten zu zielen und mit Effet ins Tor springen zu lassen, reklamiert Marek Kordowiecki für sich. "Der Dreher Richtung kurze Ecke und vom Siebenmeterpunkt, das war meine Erfindung", so der frühere polnische Linksaußen.  

Handgelenk aus Gummi

Um viel Drall zu erzeugen, ist ein Handgelenk wie aus Gummi nötig – so wie es Gensheimer besitzt. Er beschreibt seine Varianten als Ergebnis harter Arbeit. "Wenn ich etwas bei den Stars in der Bundesliga sah, habe ich versucht, das nachzumachen", sagt der 32-Jährige, der sich als Nachwuchstalent an den Varianten des berühmten Dänen Lars Christiansen orientierte.   

"Mit der Zeit bekommt man dann immer mehr Variationen und verfeinert die dann noch", so Gensheimer: "Insgesamt denke ich, dass man Spaß daran haben muss, etwas Neues zu probieren. Ich habe mich nach dem Training oft vor die Wand gestellt und den Dreher geübt, bis ich ihn konnte."   

In kritischen Lagen kommt es jedoch vor allem auf die Gabe an, die richtige Entscheidung für den Wurf zu treffen. So wie sie Markus Baur im WM-Halbfinale traf. Auch wenn der Kempa-Trick den Schützen zunächst schockte.

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