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FC Bayern: Fan mit klarer Kante nach geplatztem Boateng-Praktikum

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Auch nach dem geplatzten Praktikum beim FC Bayern erntet Jérôme Boateng Kritik.Bild: www.imago-images.de / GEPA pictures
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FC Bayern: Harte Fankritik nach Jérôme Boatengs Praktikumsrückzieher

Der Fall Jérôme Boateng erhitzte zuletzt die Gemüter der Bayern-Fans. Der ehemalige Innenverteidiger wollte beim deutschen Rekordmeister ein Trainerpraktikum machen, sagte es letztlich ab. Vor allem, weil die Fans Sturm liefen und sogar eine Petition gegen die Hospitanz gestartet hatten. Hauptfokus: die Vorwürfe der misogynen Gewalt.
28.10.2025, 15:1028.10.2025, 15:10

Erst wollte Jérôme Boateng unbedingt eine Hospitanz bei Vincent Kompany, seinem ehemaligen Mitspieler aus Manchester- und Hamburg-Zeiten, absolvieren. Kurz später machte er nach dem Aufschrei der Fans einen Rückzieher. Der FC Bayern veröffentlichte eine knappe Erklärung "zu Jérôme Boateng". In einem "konstruktiven Austausch" sei gemeinsam entschlossen worden, dass Boateng nicht hospitiere.

Die anschließende Begründung: Boateng wolle nicht, dass der FC Bayern aufgrund der Diskussion um seine Person Schaden nehme. Denn vielen Fans ist es ein Dorn im Auge, dass Boateng 2024 zunächst wegen vorsätzlicher Körperverletzung an seiner Ex-Freundin schuldig gesprochen wurde. Später wurde er im Berufungsverfahren verwarnt und erhielt eine Geldstrafe von 200.000 Euro unter Vorbehalt.

Jérôme Boateng: Ermittlungen und Verfahren, aber nicht vorbestraft

Außerdem wurden weitere Ermittlungen wegen Körperverletzung an seiner früheren Freundin Kasia Lenhardt eingestellt. Die Staatsanwaltschaft München I teilte mit, dass dies "im Zweifel für den Angeklagten" im Frühjahr 2025 geschehe. Die Behörde hatte 2021, nachdem Lenhardt sich das Leben genommen hatte, wieder ermittelt, weil "Hinweise ergaben, dass die Geschädigte kurz vor ihrem Tod vom Beschuldigten massiv verletzt wurde", wie es laut dpa in dem Einstellungsbeschluss heißt.

Er gilt daher nicht als vorbestraft, Emotionen weckt er trotzdem regelmäßig. Warum das so ist und wie die Bayern-Community von Fan-Forum Miasanrot auf das Hin und Her zwischen den Bayern und Boateng blickt, erklärt der User "Gratschifter" im Interview. Sein Alias nennt er, seinen richtigen Namen (der watson bekannt ist) möchte er nicht in der Öffentlichkeit wissen.

Gratschifter
Gratschifter schreibt und diskutiert regelmäßig im Bayern-Forum "Miasanrot".Bild: privat

Watson: Wie sehen Sie die Tatsache, dass Jérôme Boateng sein Praktikum selbst abgesagt hat und nicht der FC Bayern?

"Gratschifter": Dazu gibt es vom Verein eine kurze Stellungnahme, die im Forum auch diskutiert wurde. Die Mehrheit der Leute dort betrachtet es als Armutszeugnis, was der FC Bayern dort geschrieben hat. Meiner persönlichen Meinung nach wurde dadurch dem Thema der Saft abgedreht. Es fand keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema an sich statt.

"Der Verein hat es in den letzten Jahren geschafft, ohne Stellung zu beziehen durch jegliches politisches Fahrwasser zu navigieren."

Sie haben die Petition nach eigener Aussage als sechste Person unterschrieben. An sich haben Sie ja zumindest ein Ziel erreicht: Jérôme Boateng wird vorerst kein Praktikum beim FC Bayern machen.

Beim Boxen würde man wohl von einem Punktsieg sprechen, der allerdings ziemlich schal schmeckt. Denn wie bereits gesagt, inhaltlich wurde überhaupt nicht auf die Petition und damit unser Anliegen eingegangen: der Kampf gegen Gewalt an Frauen.

Also hat der Verein eine Chance verpasst, klar Stellung zu seinen Werten zu beziehen?

Das ist ein ambivalentes und strittiges Thema. Für mich persönlich hat es der Verein in den letzten Jahren geschafft, eloquent, geschickt und ohne wirklich Stellung zu beziehen durch jegliches politisches Fahrwasser zu navigieren. Und das finde ich fragwürdig.

Wie wird und wurde das mögliche Boateng-Engagement unter den Fans diskutiert.

Ambivalent.

Inwiefern?

Wissen Sie, es gibt auch unter uns nicht die eine Meinung. Es beginnt bei den Fans, die von einer "Hexenjagd" auf Boateng sprechen, bis hin zu der Auffassung, dass er "weggesperrt" gehört. Dazwischen findet sich quasi jede Meinung – auch bei uns im Forum. Am Ende sind wir auch ein Abbild der Gesellschaft.

Bayern-Vorstand Jan-Christian Dreesen hat von Resozialisierung gesprochen, die auch Jérôme Boateng ermöglicht werden soll. Wie sehen Sie diese Aussage?

Das ist ein Thema, worüber auch im Forum viel diskutiert wurde. Und grundsätzlich sollte auch Jérôme Boateng eine Resozialisierung ermöglicht werden können. Aber es wurde immer wieder angemahnt, dass man erkennen können muss, dass sich Boateng mit der ganzen Sache auseinandertgesetzt hat, sie reflektiert und vielleicht etwas bereut. Allerdings nehmen wir das absolute Gegenteil wahr.

Wie äußert sich das?

Er leugnet alles, streitet jegliche Gewalttätigkeit ab, egal ob psychisch oder physisch, und das, obwohl er zu einer Geldstrafe auf Bewährung wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt wurde. Noch dazu macht er sich auf makabere Art und Weise über die Vorwürfe lustig.

Sie spielen auf das Bild von ihm und Till Lindemann an …

… exakt. Allein die Tatsache, dass er mit Lindemann, gegen den ebenfalls schwere Vorwürfe im Raum standen, eine Zeitung erstellt mit der Überschrift "Von Lindemann bis Boateng: 'Schuldig'!", ist absurd. Das Ganze aber noch breit grinsend, an Ostern – dem Fest der Auferstehung – ganz fromm im Kerzenschein zu inszenieren, nachdem sich seine Ex-Freundin das Leben nahm, ist makaber und absolut zynisch.

Jérôme Boateng (l.) und Till Lindemann mit einem provozierenden Bild.
Jérôme Boateng (l.) und Till Lindemann mit einem provozierenden Bild.Bild: Instagram / jeromeboateng

Die Petition betont aber immer wieder, dass es nicht um die Person Jérôme Boateng geht, sondern um das Thema Gewalt an Frauen. Gibt es Ambitionen, die Aufmerksamkeit weiter darauf zu lenken?

Sind wir ehrlich: Als die Petition gestartet wurde, haben wir nicht damit gerechnet, dass sie so eine große Aufmerksamkeit generiert. Dann haben sich jedoch viele Medien auf sie gestürzt. Wir kamen sogar in die glückliche Lage, ein Interview mit der "Bild"-Zeitung abzulehnen. Nach dem Rückzug von Boateng wollen wir nun die kurzfristige Aufmerksamkeit nutzen und auf das Thema Gewalt gegen Frauen im Fußball, im Sport wie in der gesamten Gesellschaft hinweisen. Denn ich fürchte: Am Ende dieser Woche wird das Thema rund um Jérôme Boateng niemanden mehr interessieren.

Ende dieser Woche findet allerdings auch noch die Jahreshauptversammlung der Bayern statt. Oftmals wurden da von den Fans Kritikpunkte angebracht. Glauben Sie, dass das wieder passiert und die Diskussion um Boateng erneut Thema wird?

Das weiß ich nicht. Dafür bin ich zu weit weg, auch von anderen Gruppierungen wie den Ultras oder der Kurve. Noch dazu wohne ich zu weit weg von München, um selbst hinzugehen. Ich würde mir allerdings wünschen, dass es eine kritische Wortmeldung dazu gibt.

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