Watson: Herr Karajica, haben sich große europäische Fußball-Vereine bei Ihnen eigentlich schon Tipps geholt, wie das mit so einer Super League klappt?
Zeljko Karajica: (lacht) Nein, die wissen schon genau, was sie tun müssen. Außerdem haben wir selbst genug zu tun, als dass wir anderen Ratschläge geben müssen.
Im Fußball stieß die Super League auf enorme Proteste. Ist eine Pan-Europäische Liga im Football die einzige Möglichkeit, um attraktiv für Fans zu sein?
Wenn man sich die Start-Bedingungen in der Corona-Pandemie anschaut, war es der einzige Weg, so eine Liga zu starten. Du brauchst Leute, die sich bereit erklären, deiner Vision zu folgen und Zeit und Geld einsetzen. Daher denke ich, dass eine europäische Liga am Ende nur über das Franchise-System funktionieren kann und nicht mit Spenden. Du musst den Leuten das Gefühl geben, dass das, was sie tun, erfolgreich sein kann und sie aus der Investitionsphase herauskommen und Werte geschaffen haben.
Gab es während der Zeit auch mal Zweifel?
Ich bin grundsätzlich niemand, der jeden Tag an den Ideen oder sich selbst zweifelt. Eine Liga unter perfekten Bedingungen hochzuziehen ist schwer genug, bei uns wurde der Weg durch Corona und den Ukraine-Krieg noch etwas steiniger.
Das Risiko, dass Sie scheitern, war gegeben.
Absolut. Aber wir hatten von Anfang an das Gefühl, dass das Thema Football in Europa und in Deutschland eine mehr als zehnprozentige Wahrscheinlichkeit hat, um zu funktionieren. Wir haben schon in der ersten Saison gesehen, dass die Zuschauer kamen.
Football zählt bei den 14-bis 49-Jährigen mittlerweile als zweitbeliebteste Sportart nach Fußball.
Daher war uns bewusst, dass es viel Aufwand und kostenintensiv ist, aber die Zielgruppe vorhanden ist. Wir haben das durchdekliniert und von dort an war es konkrete Arbeit. Uns war klar, dass es funktionieren kann, und insofern waren die Zweifel immer geringer als die Vision.
Zu Beginn gab es große Konflikte mit der German Football League (GFL), da sich sechs deutsche Teams und zahlreiche Spieler Ihrer Liga anschlossen. Das Verhältnis hat sich gebessert. Haben Sie dennoch das Gefühl, dass die GFL hinten runterfällt?
Ich weiß gar nicht, ob sie hinten runterfällt. Ich glaube, am Ende ist es ein Zeichen von Wettbewerb in einer Sportart, die einen Wettbewerb verdient. Vielleicht sind wir ein Stück weit Antriebsmotor, dass sich gewisse Dinge ändern und American Football in Deutschland in Summe nicht nur im Fernsehen, sondern auch auf dem Feld eine andere Größenordnung bekommt. Es ist das alte Spiel.
Wie meinen Sie das?
Ein Beispiel: Ich kann 100 Prozent von einem nicht vorhandenen Kuchen haben oder lieber 50 Prozent von einem richtig leckeren, großen Kuchen. Ich bin ein Verfechter der zweiten Option und dass wir es in den nächsten zehn Jahren schaffen, den Kuchen gebacken zu bekommen. Und dann garantiere ich, dass es für beide Ligen viel mehr Spaß geben kann. Wir können perfekt nebeneinander existieren.
Kritik gab es in Deutschland auch daran, dass es durch das Franchise-System kaum Nachwuchsarbeit bei den Teams gibt. Ist das die größte Herausforderung?
Wir haben noch verdammt viele Herausforderungen vor uns. Nur auf die Nachwuchsarbeit zu schauen, wäre falsch. Natürlich haben wir das Thema und müssen es ausbauen, aber haben gleichzeitig Themen wie die Zuschauerzahlen oder die Sponsorenseite. Es ist zu einfach, immer nur eine Facette rauszunehmen. Das Leben ist leider Gottes komplexer.
Also fällt die Jugendarbeit nicht hinten runter.
Nein. Aber die Nachwuchsarbeit kann nur funktionieren, wenn die Franchises vernünftig aufgestellt sind. Die Ausstattung, die Trainer, die Infrastruktur, die Stadien oder die finanziellen Rahmenbedingungen sind alles Themen, die wir parallel bearbeiten. Damit haben wir teilweise schon begonnen und Erfolge erzielt.
Inwiefern?
Es wird weitere Camps und Lehrgänge geben, die Beziehung zur GFL wird immer besser, auch mit internationalen Verbänden sind wir in einem guten Austausch und das führt langfristig zu Kooperationen. Das erste Beispiel dazu erleben wir aktuell in Hamburg.
Wie sieht das aus?
Die Huskies und Sea Devils arbeiten nicht gegeneinander, sondern miteinander. Also haben Kinder, die heute 14 oder 15 sind, eine Vision, wo sie im Erwachsenenbereich spielen können.
Die NFL sieht Deutschland als Wachstumsmarkt Nummer 1. Vergangene Saison waren beim ersten Deutschland-Spiel 75.000 Fans im Stadion. Ist die Begeisterung auf die ELF übergeschwappt?
Natürlich ist es auch super für uns, weil es Signalwirkung hat. Es hat gezeigt, welche Kraft das Spiel entfalten kann und dass es anders als beim Fußball nicht nur über 90 Minuten geht. Es war ein Event von Donnerstag bis Sonntag, das hast du nicht einmal beim DFB-Pokalfinale. Die NFL ist aber nur fünf Tage da, wir die restlichen 360.
Wie bleiben Sie über diese Zeit bei den Fans relevant?
Wir werden in dieser Saison über eine halbe Million Fans im Stadion haben. Nun gilt es, die Liga auszubauen, damit die Leute nicht vom Produkt enttäuscht sind. Am ersten Spieltag hatten wir um 12 Uhr 6000 Menschen in Duisburg vor dem Stadion, obwohl das Spiel erst um 16.30 Uhr startete. Es geht einfach um Familie, Party und das Zusammensein mit unterschiedlichsten Leuten, selbst wenn sie Fan eines anderen Teams sind. Wir sind das exakte Gegenmodell zum Fußball. Ich glaube, dass Familien das Thema peu à peu entdecken werden.
Commissioner Patrick Esume erklärte, dass man vor allem die Lücke nutzen wollte, in der die NFL pausiert. Die ELF-Saison endet fast mit dem NFL-Beginn.
Wir wollen natürlich nicht mit der NFL konkurrieren. Ein bisschen Überlappung zum Ende der Saison ist okay. Zudem kommt bei uns die Stadionverfügbarkeit hinzu. Wir spielen in Fußballstadien und da ist es von Vorteil, wenn die Vereine gerade im Sommerurlaub sind. Zudem spielt das Wetter mit rein: die Leute gehen lieber bei 25 Grad und Sonne ins Stadion.
Fürchten Sie eine Abwanderung der Fans zum Fußball, wenn die Bundesliga beginnt?
Nein. Die Football-Community ist sehr viel stärker als wir alle denken und wir glauben an das, was wir machen. Diese Konkurrenz müssen wir aushalten.
Marcel Dabo spielte ein Jahr in der ELF, wurde dann von den Indianapolis Colts im NFL-Draft ausgewählt. Ist es Wunschdenken oder sollte so eine Geschichte zur Regelmäßigkeit werden?
Das muss unser Anspruch sein. Wenn das Niveau langfristig besser wird, wird es automatisch so sein, dass Jahr für Jahr Spieler in die USA wechseln oder wieder zurückkommen, weil sie ihre Karriere ausklingen lassen, es nicht geschafft oder Heimweh haben.
Ex-NFL-Spieler Kasim Edebali nutzte zum Beispiel diesen Weg und kehrte vergangene Saison zu den Hamburg Sea Devils in die ELF zurück. Nach seinem Karriereende ist er nun Experte bei Pro7 Maxx, die zwei ELF-Spiele pro Wochenende übertragen.
Wir versuchen natürlich, die größten Namen unseres Sports in unserer Welt zu integrieren. Sie machen dadurch den Sport größer und verleihen ihm Ausstrahlung und Kredibilität. Ich freue mich auch, dass mit Moritz Böhringer ein NFL-erfahrener Spieler zu uns in die Liga gekommen ist. Das Ziel muss es sein, dass unsere besten Köpfe in Europa in der ELF spielen. Hinzu kommt nun Joe Thomas, Legende bei den Cleveland Browns, der sich bei den Munich Ravens einbringen will und Super-Bowl-MVP Malcolm Smith, der in Barcelona als Gesellschafter eingestiegen ist.