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Klub-WM: Kritik an "laienhaften" Bedingungen bei Bayern und Dortmund

Michael Olise FC Bayern Muenchen, 17, Joshua Kimmich FC Bayern Muenchen, 6, Thomas M
Klub-WM statt Sommerpause: Die Profis des FC Bayern haben kaum Zeit zum Durchschnaufen.Bild: IMAGO images / HMB-Media
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Dauerbelastung durch Klub-WM: Mentalcoach kritisiert Strukturen im Fußball

Slatco Sterzenbach wurde vom "Unsportler", wie er selbst sagt, zum 17-fachen Finisher beim Ironman. Heute ist er Mentalcoach, hält Vorträge und unterstützt Unternehmer:innen. Tipps hat er auch für die Welt des Fußballs, die im Anblick der Klub-WM über zu viele Spiele klagt.
05.07.2025, 09:2405.07.2025, 09:24
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Watson: Sind Profifußballer zu wehleidig?

Slatco Sterzenbach: Es gibt ein Video, das Rennradfahrer mit blutigen Hosen und gesprengten Helmen zeigt – und dann sind plötzlich Fußballer zu sehen, die nach leichtem Kontakt fallen. (lacht) Wehleidigkeit ist trotzdem subjektiv, einer Generalisierung stimme ich daher nicht zu.

Trainer und Spieler ärgern sich seit Jahren über zu viele Spiele – mit der Klub-WM kommen nun wirklich mehr Spiele dazu. "Wer das Turnier gewinnt, ist der ärmste Gewinner aller Zeiten, denn er muss den ganzen Sommer durchspielen", sagt etwa Jürgen Klopp.

Da greift ein schöner Satz: Love it, leave it or change it. Liebe das, was du tust, wenn du es nicht ändern kannst. Wenn du die Möglichkeit hast, verlass es – also wechsle die Sportart oder geh zu einem kleineren Verein mit weniger Spielen. Oder verändere das System, das ist für einen Einzelspieler aber kaum möglich.

Slatco Sterzenbach hält regelmäßig Vorträge über mentale Leistung.
Slatco Sterzenbach hält regelmäßig Vorträge über mentale Leistung.bild: Slatco sterzenbach
"Wenn du den Fußball wegen des Geldes spielst, wirst du nicht die gleiche mentale Stärke haben wie jemand, der aus Liebe spielt."

Wirklich realistisch erscheint für die Spieler selbst nur die erste Option.

Stress beginnt immer im Kopf – und wenn ich dem Ganzen mit einer negativen Attitude begegne, verursacht das Stress. Man muss es als Chance sehen. Wie kann ich meinen Körper noch gezielter zur Performance bringen?

Die Klubbosse der WM-Teilnehmer sehen es vor allem als Chance, dank der Prämien viel Geld zu verdienen.

Wenn du den Fußball wegen des Geldes spielst, wirst du nicht die gleiche mentale Stärke haben wie jemand, der aus Liebe spielt. Der will sich nämlich immer beweisen.

Du sagst: "Nicht der Körper bricht zuerst, sondern der Kopf." Wie stählt man den?

Grundsätzlich geht es um Energiemanagement – und die Energie ist von drei Faktoren abhängig: Von der Physiologie, also der rein körperliche Part, vom Fokus und davon, wie man bewertet, was man gerade erlebt. Sagt man sich 'Oh Gott' oder doch eher 'Cool, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe'?

Was genau steckt in dem Zusammenhang hinter dem Konzept Fokus?

Das ist der mentale Aspekt. Wenn ich alle Spiele der kommenden Woche vor meinem inneren Auge durchlaufen lasse, belastet mich das. Wenn ich mich aber auf das Hier und Jetzt fokussiere, ist die Bedeutung eine andere. Im Tennis wurde dazu eine spannende Untersuchung durchgeführt.

Was wurde dabei festgestellt?

Bei Spitzenleuten wie Roger Federer wurde erkannt, dass sie nach Fehlern sehr schnell wieder in den lösungsorientierten Zustand gegangen sind. Der Ball ist abgehakt. Nächster Ball, nächste Chance.

Einige Stars werden von Saisonbeginn 2023/24 bis zum Saisonende 2026/27 nur mit kurzen Unterbrechungen durchspielen, weil in jedem Sommer irgendein Turnier ansteht. Kann man den Kopf vier Jahre auf Dauerspannung halten?

Auf mentaler Ebene ist das sehr komplex, da spielen viele Faktoren rein. Zum Verständnis hilft das Eisbergmodell, das sich all den Sinneseindrücken und unserer Wahrnehmung widmet. Es unterscheidet zwischen bewusster und unbewusster Wahrnehmung, wobei wir nur 0,1 bis fünf Prozent wirklich wahrnehmen.

"Dann muss man doch lieber sieben Tage je ein Spiel als sieben Tage Training haben wollen."

Wie lässt es sich in dem Fall auf den Fußball übertragen?

Die meisten Sportler, mit denen ich gearbeitet habe, haben für sich keine konkreten, messbaren Ziele definiert. Sie wissen nicht, wo sie in ein oder fünf Jahren sein wollen. Ein anderer Aspekt ist der negative Glaubenssatz: Wenn du das liebst, was du tust, warum solltest du dann weniger davon haben wollen? Dann muss man doch lieber sieben Tage je ein Spiel als sieben Tage Training haben wollen.

Dann überschreitet die physische Belastung aber auch deutlich ein gesundes Maß.

Es ist sinnvoll, einen systematischen Wechsel zwischen Spannung und Entspannung zu haben. Viele Sportler fangen zu früh wieder an, obwohl das zentrale Nervensystem noch nicht erholt ist.

Julian Brandt hat kürzlich selbst die mentale Belastung hervorgehoben, viel Zeit zum Abschalten bleibt den Profis diesen Sommer nicht. Kann der Kopf so ganz ohne Pause?

Jeder Leistungssportler braucht Auszeiten aus physiologischen Gründen – aber auch aus mentalen Gründen. Damit man wieder in den Zustand kommt, den Sport zu vermissen. Damit der Hunger, die absolute Passion zurückkommt.

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Julian Brandt ist mit dem BVB bei der Klub-WM im Einsatz.Bild: IMAGO images / ABACAPRESS

Pausen im Sommer sind ein möglicher Aspekt, wie aber kann der Kopf während des laufenden Spielbetriebs trainiert werden?

Im Fußball gibt es noch reichlich ungenutzte Potenziale. Ich habe in meinem Team einen ehemaligen Fitnesstrainer der Nationalmannschaft, daher kenne ich einige Hintergründe. Das Fitnesstraining war teilweise laienhaft, als er dort hingekommen ist. Von der Ernährung, einer gezielten Supplementierung oder einer Blutanalyse will ich noch gar nicht sprechen.

"Die Formel 1 ist eine andere Liga, da wird sehr professionell gearbeitet."

Was kann man also konkret besser machen?

Das größte Potenzial für Leistungssportler liegt in den mentalen Regenerationsmaßnahmen. Dazu zählt Breathwork – das ist ein riesiger Turbo für die Regeneration. Man kann auch mit Visualisierungstechniken oder Meditation arbeiten.

Enorme Belastung ist kein fußballspezifisches Phänomen. Wird die mentale Leistungsfähigkeit der Profis in anderen Sportarten besser vorbereitet?

Die Formel 1 ist eine andere Liga, da wird sehr professionell gearbeitet. Es gibt eigene Kraftmaschinen, um die G-Kräfte zu simulieren. Im Abfahrtsport fahren die Sportler die Strecke mental vorher ab. Untersuchungen zeigen, dass die Muskelkontraktion dabei identisch ist wie beim eigentlichen Rennen, nur mit anderer Amplitude.

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