
Valentina Maceri entschied sich bewusst gegen den Profifußball und für den Job als Sportmoderatorin. Bild: imago images / BOBO
Interview
Valentina Maceri ist das Gesicht der Champions-League-Sendungen beim Schweizer TV-Sender Blue. Im watson-Interview spricht die Deutsch-Italienerin über Sexismus im Fußball und den aktuellen Feminismus.
21.01.2025, 07:0621.01.2025, 11:46
watson: Valentina, du hast mit 18 Jahren in der Champions League gespielt und warst Nachwuchs-Nationalspielerin. Aber du hast deine Karriere 2010 beendet, um Sportmoderatorin zu werden. Eine Zeit, in der Frauen in TV-Übertragungen noch nicht so präsent waren: Wahnsinn oder klarer Plan?
Valentina Maceri: In der Sport-Berichterstattung waren Frauen zu dieser Zeit noch ein Novum und unüblich, das stimmt. Ich fand die Vorstellung reizvoll, wenn es eine Frau in der Sport-Berichterstattung gäbe, von der die Leute sagen: "Die hat Ahnung." Und die genau aus diesem Grund akzeptiert und respektiert wird.
Im Gegensatz zu den männlichen Kollegen werden Fußball-Moderatorinnen häufig nur auf ihr Äußeres reduziert.
Ich fühle mich ehrlich gesagt nicht nur auf mein Äußeres reduziert, auch wenn mir das viele einreden wollen. Ich verstehe auch dieses Gejammere darüber nicht. Fernsehen ist ein visuelles Medium, da spielt das optische Erscheinungsbild eben auch eine Rolle. Darauf darfst du dich jedoch nicht ausruhen. Du musst hart dafür arbeiten und auch die extra Meile gehen, die andere nicht gehen. Und im besten Fall siehst du dabei auch noch gut aus.
Wie reagierst du auf Komplimente im Fußball-Business?
Ich freue mich, wenn Leute sagen, dass ich gut aussehe. Wenn mir einer sagt: "Du hast ein tolles Kleid an", fühle ich mich nicht sexistisch angegriffen. Ich denke mir: "Danke für das Kompliment, aber können wir jetzt über Fußball reden?"
"Wir brauchen weibliche Vorbilder in allen Branchen, die nicht aufgrund einer Quote oder weil sie laut jammern auf ihrem Posten sind."
Valentina Maceri über Frauen
Es gibt nicht viele Moderatorinnen, die das so sehen und die einen ähnlichen Werdegang vorweisen können, wie du.
Das stimmt. Aber die können ihren Job trotzdem gut machen. Es gibt auch einen Unterschied zwischen der Rolle der Moderatorin und der Expertin. Als Moderatorin geht es in allererster Linie darum, dass du weißt, wie du ein Gespräch führst, wie du deinem Interviewpartner ein gutes Gefühl gibst, damit er gerne mit dir spricht. Wie du die richtigen Fragen stellst. Das ist die Königsdisziplin. Das ist als Moderatorin genauso wichtig, wenn nicht wichtiger als die Expertise per se. Als Expertin musst du Ahnung und eine starke Meinung haben. Sonst gehst du unter.
War es am Anfang schwer, dich in Sachen Fußball-Expertise zurückzunehmen?
Ja, teilweise schon. Ich habe irgendwie beide Rollen miteinander vermischt. Ich gebe gerne überall meinen Senf dazu (lacht). Spaß beiseite: Ich glaube, ich habe mittlerweile eine gute Mischung gefunden, wie ich meine Expertise nutzen kann, um den Experten ein Leckerli hinzuwerfen, damit sie ins Reden kommen. So bekomme ich genau die Antworten, die ich will, ohne eine Frage zu stellen. Außerdem ist es vorteilhaft, wenn dein Gegenüber dich auf Augenhöhe wahrnimmt.
Erklärst du Männern gern Fußball?
Nein, ich erkläre Männern nicht gerne Fußball. Warum sollte ich? Ich spreche aber gerne mit ihnen darüber. Aber nur in meinem Job. (lacht)
Wem dann?
Leuten, die Vorurteile haben. Ich zeige ihnen, dass man diese nicht haben sollte. Das mache ich tatsächlich ganz gern. Vor allem, wenn sie meinen, sie wüssten es besser.
Mario Basler soll dich als Moderatorin erst ernst genommen haben, als du ihm gezeigt hast, dass du den Ball jonglieren kannst.
Genau. Bei unserem ersten gemeinsamen Auftritt dachte er wohl, dass Sport1 ein junges, süßes italienisches Mädchen als Accessoire geholt hatte. Als Fußballerin war ich sehr talentiert und kam vor allem über meine Technik. Als er dann sah, wie ich mit dem Ball umgehen kann, waren wir auf einer Ebene. Das hat einen Schalter bei ihm umgelegt. Vom Accessoire wurde ich dann zu seiner geschätzten Kollegin – trotz meines jungen Alters und Geschlechts.
Wie häufig kam das zu Beginn vor?
Zu Beginn meiner Karriere musste ich bei jedem diesen Schalter umlegen, aber ich denke, mittlerweile haben die meisten Menschen meinen Weg verstanden und kommen mir nicht mehr mit Vorurteilen entgegen. Fast schon schade (lacht).
Wieso?
Mittlerweile mag ich es sogar, mit Klischees zu spielen. Ich mache mir einen Spaß draus. Nach einem Champions-League-Spiel habe ich mich kürzlich bei meinen Kollegen in der Mixed Zone beschwert und gesagt: "Man, jetzt muss ich auch noch intelligente Fragen stellen. Ich bin doch eigentlich nur hier, um gut auszusehen." Sie verstehen meinen Humor.
Hattest du schon immer diese Einstellung?
Am Anfang habe ich mich schon gefragt, ob ich mich anders verhalten, kleiden oder schminken muss, um ernst genommen zu werden. Teilweise wurde das sogar von mir verlangt. Das hat mich verunsichert. Aber je mehr ich mich von meinem Naturell distanzierte, desto unwohler habe ich mich gefühlt und desto unnatürlicher war meine Performance. Ich kann nur abliefern, wenn ich zu 100 Prozent ich selbst bin. Als Frau musst du ohnehin immer abliefern. Ansonsten zerreißen sie dich sofort.
Du hast Esther Sedlaczek als dein Vorbild bezeichnet.
Vorbild ist vielleicht das falsche Wort.
Als was dann?
Ich habe mir immer ein Beispiel an ihr genommen. Sie steht für mich für maximale Kompetenz in ihrem Job und führt die Übertragungen mit Bastian Schweinsteiger mit sehr viel Charme und Witz.
Siehst du dich selbst als Vorbild?
Ich versuche, ein Beispiel zu sein und freue mich, wenn ich junge Frauen inspirieren kann, ihren eigenen Weg zu gehen.
Wie?
Wir brauchen weibliche Vorbilder in allen Branchen, die nicht aufgrund einer Quote oder weil sie laut jammern auf ihrem Posten sind. Sondern Frauen, die wirklich vorangehen, den Mut haben, gegen Vorurteile anzukämpfen und dann mit Leidenschaft und Erfolg ihren Beruf ausüben. Ohne großes Gerede – sondern nur durch ihren Werdegang. Damit junge Frauen sagen können, "wenn sie das kann, kann ich das auch." Das soll das Ziel sein.
Du lehnst eine Frauenquote ab.
Ich lehne einiges ab, was aktuell unter dem Begriff Feminismus verkauft wird.
Warum?
Es ist kontraproduktiv. Wenn wir zwanghaft überall Frauen reindrücken, auf Führungsposten oder in Expertenrollen stecken, nur um zu zeigen, dass man Frauen unterstützt, man aber genau merkt, dass sie keine Ahnung haben oder dem Job nicht gewachsen sind, tut man ihnen und uns allen keinen Gefallen.
"Viele Senderchefs kommen aus den 90er-Jahren und machen Fernsehen wie zu dieser Zeit."
Valentina Maceri über deutsche Fußballübertragungen
Was stört dich?
In seiner aktuellen Form schafft der Feminismus nur Feindbilder: Mann gegen Frau oder Frau gegen Mann wurde durch female-only-Bewegungen oder Frauenquoten nur verstärkt. Das ist nicht der Sinn der Sache.
Sondern?
Wir müssen es schaffen, dass das auf natürliche Art und Weise passiert. Dass man zusammen etwas bewegt, und den Blick auf Frauen in der Berufswelt verändert. Das schaffst du nur durch gute Beispiele, ein gesundes Miteinander und nicht durch eine Quote.
Dennoch bist du als Frau in Fußballtalkrunden eine Ausnahmeerscheinung. Könnte eine Quote dort nicht helfen?
Ich verstehe diesen Ansatz. Ich gebe zu, ich stelle mir manchmal die Frage: Gibt es wirklich keine Frau, die das könnte oder haben sie sie einfach nur vergessen, weil sie es nicht gewohnt sind? Aber dann muss diese Quote sehr bedacht eingesetzt werden. Ansonsten bin ich ein Freund des Leistungsprinzips und das ist dann die wahre Gleichberechtigung: Wenn ein Mann besser ist als ich, dann soll er den Job machen. Ganz einfach.
Nehmen wir Fußball zu ernst?
Absolut. Wir sprechen am Ende über 22 Mann, die ab Minute Null gegen einen Ball treten und versuchen, diesen ins Tor zu schießen. Natürlich ist es Leistungssport und mittlerweile ein Milliardengeschäft. Aber es ist trotzdem am Ende ein Unterhaltungsprodukt. Es geht nicht um Leben und Tod. Das vergessen wir manchmal. Unsere Aufgabe ist es, dieses Unterhaltungsprodukt bestmöglich zu verkaufen und den Zuschauer zu informieren. Nicht mehr und nicht weniger. Keine Raketenwissenschaft.
Deutsche Fußballübertragungen wirken im internationalen Vergleich immer noch sehr steif.
Ja, sehr spießig sogar. Viele Senderchefs kommen aus den 90er-Jahren und machen Fernsehen wie zu dieser Zeit. Ich vermute, sie denken, sie müssen an diesem Bild festhalten, denn dann kommt der Erfolg aus den 90er-Jahren auch zurück. Aber die Zielgruppe und der Zeitgeist verändern sich. Du musst dich auf Dauer für Veränderungen öffnen – und den Stock ein wenig lockern (lacht).