Philipp Sander ist in der vergangenen Saison gleich im doppelten Sinne aufgestiegen. Holstein Kiel führte er als Leistungsträger in die Bundesliga, den Verein aber verließ er nach insgesamt neun gemeinsamen Jahren. Er wechselte zu Borussia Mönchengladbach.
Im Gespräch mit watson erklärt er nun, wie ihm Tim Kleindienst bei der Ankunft geholfen hat, was bei der Verwendung des Begriffs Mentalität zu beachten ist und wie er als Profifußballer Nachhaltigkeit in seinen Alltag zu implementieren versucht.
Watson: Philipp, hat es etwas mit Disziplin zu tun, dass Gladbach seit zweieinhalb Jahren keine zwei Spiele hintereinander mehr gewonnen hat?
Philipp Sander: Das fragst du jemanden, der erst seit Juni hier ist. Über einen Großteil der Zeit kann ich mir gar kein Urteil erlauben. Was ich sagen kann: Seit Juli bin ich Teil einer Mannschaft, die sehr diszipliniert und strukturiert ist. Von daher ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir zwei Spiele in Folge gewinnen. Wir sind auf einem guten Weg.
In der Liga seid ihr immerhin seit fünf Spielen ungeschlagen.
Gerade so ein Auswärtsspiel in Leipzig beim Tabellenzweiten ist ein Erfolg, da ohne Gegentor zu bleiben und einen Punkt mitzunehmen. Natürlich hätten wir lieber gewonnen, das ist immer der Anspruch an uns selbst. Aber man muss das richtig einordnen. Da zu sagen, 'wir sind total unzufrieden', weil wir zwei Spiele am Stück nicht gewonnen haben, wäre vermessen. Es gilt, Sachen zu verbessern und Dinge zu kritisieren. Aber wir können auch eine Menge positive Aspekte mitnehmen. Ebenso aus dem jüngsten Heimsieg gegen St. Pauli.
Ist diese Statistik denn ein großes Thema in der Kabine? Rocco Reitz meinte mal, dass er gerne endlich zwei Spiele am Stück gewinnen wollen würde.
Jeder in der Mannschaft hat von der Statistik mitbekommen. Bei jedem ist eine Unzufriedenheit vorhanden, dass wir keine zwei Spiele am Stück gewinnen. Es wäre auch schlimm, wenn dem nicht so wäre. Wir alle wollen diese Statistik in Vergessenheit geraten lassen. Wir lassen uns von ihr aber auch nicht aus der Ruhe bringen.
Gibt es eine allgemeingültige Formel, der man folgen kann, um eine Serie zu starten?
Für den Erfolg sind sehr viele Dinge entscheidend. Man schafft eine sehr gute Basis, indem man sich immer wieder hinterfragt und fleißig ist. Langfristig bringt das Erfolg, davon bin ich überzeugt. Eine einfache Erfolgsformel aber gibt es nicht, sonst würde die jeder anwenden.
Mit Fleiß wird auch Mentalität konnotiert – ein Begriff, mit dem im Fußball gerne um sich geschmissen wird.
In den letzten Jahren wurde sicherlich inflationär diskutiert, ob jemand ein Mentalitätsspieler ist oder nicht. Da gibt es große Unterschiede, auch in der normalen Arbeitswelt gibt es unterschiedliche Charaktere. Jeder gibt sein Bestes und hat seine Art und Weise. Da kann man nicht diese eine Definition von Mentalität wie eine Schablone auf jeden draufpacken und dann sagen: 'Das passt' oder 'das passt nicht'.
Wie definierst du Mentalität für dich?
Ich verstehe unter Mentalität, sich selbst sowie andere kritisch zu hinterfragen und die Lust, sich permanent weiterzuentwickeln. Ein anderer lebt es mit denselben Ansichten aber vielleicht anders aus. Von daher muss man auch aufpassen, dass man jemandem wegen einer vermeintlich nicht so guten Körpersprache nicht gleich abspricht, ein Mentalitätsspieler zu sein. Da wurde meiner Meinung nach schon ganz vielen Spielern von Seiten der Medien Unrecht getan. Man muss aufpassen, wie oft man diesen Begriff benutzt und wie viel Bedeutung man ihm zurechnet.
Wie hilfst du deiner Mannschaft, in puncto Mentalität besser zu werden?
Ich versuche, einen sehr bewussten Lebensstil zu führen, mich gesund zu ernähren, viel Schlaf zu bekommen und im Training immer besser zu werden. Ich gebe auf dem Trainingsplatz jedes Mal Gas und sage nicht, dass ich mir mal eine Pause gönne, wenn es zum Beispiel zu windig ist. Ich verlange immer 100 Prozent von mir und meinen Teamkollegen. Das ist das Mindeste, was ich von mir selbst erwarten kann, ansonsten wäre ich nicht hier.
Wind kennst du als Kind der Küste nur zu gut. Vermisst du die Ostsee nach all den Jahren in Rostock und Kiel schon?
Der Rhein hat auch seine Vorzüge, aber mit dem Meer vor der Tür ist es natürlich auch ganz schön. Das Wetter ist hier bisher allerdings auch nicht viel besser als in Kiel (lacht). In Rostock habe ich meine Familie, in Kiel viele Freunde – es sind also vor allem Menschen, die ich vermisse. Ich fühle mich hier in Gladbach aber trotzdem sehr wohl.
Wer hat dir bei deiner Ankunft in Gladbach besonders geholfen?
Wenn man neu in eine Mannschaft kommt, hat man vor allem mit den anderen Neuen erstmal die Gemeinsamkeit, dass man viele Teamkollegen noch nicht kennt. Im Trainingslager habe ich mir das Zimmer mit Tim Kleindienst geteilt, wir haben uns viel unterhalten, hatten dieselbe Situation. Wir verstehen uns in der Kabine und auf dem Platz sehr gut. Daher ist Tim eine Bezugsperson, auf die ich gerne zurückgreife.
Du fährst nach eigenen Angaben kein großes Auto, unterstützt ein Baumpflanzprojekt deines Ex-Kollegen Maël Corboz finanziell. Wie wichtig ist dir Nachhaltigkeit?
Das ist ein großes Thema für mich. Ich habe mich damit schon immer gerne beschäftigt und versuche, mich stetig in meinem Verhalten zu verbessern. Ich sehe das Thema als zentrale Problematik der heutigen Gesellschaft – ob nun in Europa oder weltweit. Daher unterstütze ich gerne solche Projekte. Es sind aber auch viele Kleinigkeiten im Alltag.
Wie versuchst du das Thema noch in deinen Alltag einzubinden?
Ich esse wenig Fleisch, zum Großteil aus gesundheitlichen Gründen. Damit geht es mir besser. Ich mache es aber auch aus Gründen der Nachhaltigkeit. Wenn es möglich ist, versuche ich, im Inland nicht zu fliegen. Berufsbedingt ist das nicht immer möglich, aber private Reisen trete ich eher mit dem Zug an, auch wenn es vielleicht mal länger dauert. Da gibt es noch viel Verbesserungspotenzial, ich will mir selbst keinen Heiligenschein aufsetzen. Aber ich beschäftige mich damit sehr gerne, weil die Bedeutung aus meiner Sicht enorm ist.
Wie groß ist der Impact, den du als einzelner Profi haben kannst?
Es wäre vermessen zu sagen, dass meine Mitspieler aus Nachhaltigkeitsgründen jetzt alle weniger Fleisch essen sollten. Das muss am Ende des Tages jeder selbst entscheiden. Ich belehre niemanden, mache das für mich selbst.
Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit in Gladbach aus?
Hier wird beim Essen etwa immer eine fleischlose Alternative aufgetischt, das ist keine große Besonderheit mehr. Da muss ich auf niemanden zugehen. Und wenn doch etwas wäre, haben wir Ansprechpartner.
Ist die Nachhaltigkeit auch ein Thema in der Kabine?
Manche Teamkollegen haben mit diesem Thema mehr Berührungspunkte als andere, das ist ja ganz normal. Aktuell ist es aber kein großes allgemeines Thema in der Kabine.