
Felix Kroos spielte unter anderem für Union Berlin und Werder Bremen, nun ist er RTL-Experteimago images / Fussball-News Saarland
Interview
Felix Kroos begleitet kommende Saison als TV-Experte für RTL und Nitro die 2. Bundesliga. Passend zum Saisonstart, spricht der 33-Jährige im Interview mit watson über das verrückte Aufstiegsrennen, warum kleinere Vereine oft klüger arbeiten als große – und wie er als TV-Experte auftreten will.
02.08.2025, 07:5702.08.2025, 07:57
Seit Jahren wird von der "stärksten zweiten Liga aller Zeiten" gesprochen. Gilt das für die Saison 2025/26?
Felix Kroos: (lacht) Nein, ich weiß auch nicht, ob das jemals mal gestimmt hat. Die ausgeglichenste zweite Liga der Welt ist sie aber in den letzten zehn Jahren gewesen, wenn man sieht, wie eng das immer zuging.
Enger Wettbewerb, Traditionsvereine, volle Stadien. Du begleitest das Ganze bei RTL und Nitro als TV-Experte. Wie sehr hast du dich gefreut, dass es jetzt endlich wieder losgeht?
Extrem. Als Spieler kam mir die Pause immer sehr kurz vor, jetzt als Experte fühlte sie sich ewig an. Ich habe richtig Bock, wieder in den Stadien zu sein und diese Spannung mitzuerleben.
"Wenn mich alle ganz okay finden, ist das eher schlecht für mich."
Wie willst du als Experte auftreten?
Ich will mich nicht verstellen, nur weil eine Kamera läuft. Es geht mir auch nicht darum, jedem zu gefallen. Wenn mich alle ganz okay finden, ist das eher schlecht für mich.
Und wie gehst du mit Kritik um? Sowohl von Fans als auch von Spielern?
Von den Spielern oder Trainern hat sich bisher keiner beschwert – im Gegenteil, auch wenn es mal kritisch von mir wurde, kam meist positives Feedback. Ich kritisiere ja auch rein aus sportlichen Gründen und werde nie jemanden persönlich angreifen.
Wie sieht es mit Fans aus, vor allem auf Social Media?
In den sozialen Medien gehört Kritik einfach dazu – vor allem, wenn man nicht einer von 22 Spielern ist, sondern der eine, der das Spiel bewertet. Vieles kann ich gut einschätzen: Wenn es sachlich ist, gehe ich auch gern in den Austausch. Wenn nicht, hake ich es ab. Als ich im Nations-League-Finale eine kleine Bemerkung zu Cristiano Ronaldo gemacht habe, kamen Beleidigungen ohne Ende. Das ist aber reine Fan-Emotion, die ich einordnen kann.
Du hast die Leistungsdichte in der 2. Bundesliga angespochen. Was bedeutet das sportlich und mental für die Vereine?
In so einer engen Liga können sich die Vereine vor der Saison immer ein Stück weit hinter dieser Unberechenbarkeit verstecken – nach dem Motto: Hier kann sowieso alles passieren. Aber klar ist auch: Es gibt Vereine mit einem gewissen Anspruch. Da gibt es einmal die Bundesliga-Absteiger, die automatisch als Favoriten genannt werden. Trotzdem zeigt die Vergangenheit – egal ob HSV, Schalke oder Hertha – dass diese Teams erstmal wieder in der 2. Liga ankommen müssen. Das dauert oft länger als man denkt.
Wer sind für dich die Favoriten, wenn es um den Aufstieg geht?
Wenn ich einen Favoriten nennen müsste, wäre es für mich Hertha. Dazu kommt Holstein Kiel, die trotz Abstieg ihren Trainer hielten und sehr konstant arbeiten. Was mich wundert ist, wie wenig über Bochum gesprochen wird. Für mich sind sie ein Top-3-Kandidat. Sie kennen die Liga, haben ein starkes Umfeld und einen guten Trainer. Dahinter gibt es dann sechs, sieben Mannschaften, die jederzeit oben reinrutschen können.
Bei Hertha lagen Anspruch und Realität in den letzten Jahren oft weit auseinander. Warum sollte es diesmal anders laufen?
Wenn Hertha den Weg weitergeht, den sie mit Stefan Leitl zum Ende der letzten Saison eingeschlagen haben, und Fabian Reese fit bleibt, haben sie mit ihm den besten Spieler der 2. Liga. Dann können sie definitiv da oben mitspielen. Aber den ganz klaren Favoriten gibt es für mich nicht.
Fällt es dir mit deiner Union-Vergangenheit schwer, Hertha ohne Emotionen zu analysieren?
Ich habe sie ja gerade als Favorit genannt (lacht). Nein, also ich habe zu keinem dieser Zweitligavereine eine emotionale Bindung. Ich kann alles neutral beurteilen und das ist auch wichtig als Experte.
Kommen wir zu einem anderen Giganten der Liga. Schalke hat im Sommer einen Trainer verpflichtet, der noch nie in Deutschland gearbeitet hat. Welche Rolle spielt das?
Klar ist das erstmal eine große Herausforderung. Du kommst in eine neue Liga, kennst die Gegner und die Bedingungen nicht. Aber das muss nicht negativ sein. Gerade Schalke kann es vielleicht sogar helfen, wenn jemand unvoreingenommen reingeht. Der Trainer selbst ist schwer einzuschätzen – ehrlicherweise habe ich nicht viel Plymouth geschaut. Aber das sagt nichts aus: Mein größter sportlicher Erfolg war unter Urs Fischer. Ihn kannte ich auch nicht, bevor er nach Deutschland kam.
Wie schätzt du qualitativ den Kader von Königsblau ein?
Ich sehe sie individuell nicht unter den Top 5. Darum geht es im Endeffekt aber auch nicht immer in der zweiten Liga. Als wir mit Union damals aufgestiegen sind, hatten wir auch nicht die besten Individualspieler. Entscheidend ist, wie du die Jungs zu einem Team formst, dass du sie konstant fit hältst und es schaffst, mit einer positiven Stimmung durch die Saison zu kommen. Wenn du das hinkriegst und vielleicht mal ein, zwei Serien startest, kann da einiges gehen.

Mit Urs Fischer an seiner Seite stieg Felix Kroos 2019 in die Bundesliga auf.Bild: imago images / Matthias Koch
Ein anderer Kader, in dem sich schon viel getan hat, ist der von Hannover. Zudem wurde dort die Trainerposition mit Christian Titz neu besetzt. Viele sehen sie oben mit dabei. Wie viel Anlaufzeit wird Hannover brauchen?
Titz ist die spannendste Neuverpflichtung dort. Er steht für eine sehr klare, risikobereite Spielidee. Wenn du so Fußball spielen willst, brauchst du auch die passenden Spieler. Deswegen gibt es ja diesen riesigen Umbruch. Klar, sowas braucht ein bisschen Zeit. Auch in den ersten Pflichtspielen wird man noch sehen, dass sich vieles entwickeln muss. Wichtig ist, die ersten Spiele einigermaßen unfallfrei durchzukommen, Punkte mitzunehmen und dann ab dem achten oder neunten Spieltag da zu sein, wo man sein will.
Kaiserslautern wird ebenfalls in vielen Prognosen zu den Aufstiegskandidaten gezählt. Teilst du diese Einschätzung?
Nein. Sie haben mit Thorsten Lieberknecht zwar einen Trainer, der weiß, wie Aufstieg geht und auch mit erfahrenen Spielern umgehen kann, aber von der reinen Qualität sehe ich sie nicht in den Top 3. Ich schätze sie irgendwo im Mittelfeld ein, aber lasse mich auch gerne überraschen.
Welche Mannschaften werden überraschen?
Ohne sie unter Druck setzen zu wollen, fällt mir Bielefeld ein. Der Kader ist konkurrenzfähig und sie haben einen sehr ambitionierten Trainer, der keine Angst hat seinen Spielstil vor größeren Gegner durchzusetzen. Das hat der Pokal zuletzt gezeigt.
Was heißt das konkret?
Wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass Aufsteiger direkt durchmarschiert sind. Natürlich müssen sie erstmal in der Liga ankommen. Ich glaube, dass sie definitiv die Klasse halten werden. Ob mehr möglich ist, wird man im Laufe der Saison sehen.
"Es macht deutlich, dass gute Arbeit langfristig belohnt wird – und schlechte eben auch."
Viele Vereine, über die wir gerade gesprochen haben, sind große Traditionsklubs. Gleichzeitig sieht man immer öfter kleinere Vereine in der Bundesliga. Was sagt das aus?
Es macht deutlich, dass gute Arbeit langfristig belohnt wird – und schlechte eben auch. Im Normalfall dürfte es nicht passieren, dass Vereine wie Heidenheim oder Kiel anstatt HSV oder Köln Bundesliga spielen. Bei einigen großen Vereinen hat man in letzten Jahren schlicht nicht gut genug gearbeitet.
Hast du dafür einen Erklärungsansatz?
Das liegt für mich vor allem an der Qualität auf den entscheidenden Positionen. Damit meine ich nicht nur auf dem Platz, sondern vor allem daneben. Bei großen Vereinen wie Hertha, Schalke oder dem HSV gab es in der Vergangenheit oft zu viele, die mitreden wollten. Bei kleineren Vereinen herrscht häufig mehr Ruhe, Entscheidungen werden klarer getroffen.
Zum Abschluss würden wir noch gerne wissen, auf welche Stadien du dich am meisten freust …
Klingt langweilig – aber fast alle. Ich habe in jedem Stadion schon selbst gespielt und freue mich, wieder hinzukommen. Da kommen dann sofort Erinnerungen hoch – an Spiele, Kabinen oder kleine Details drumherum.