Holger Badstuber wurde mit dem FC Bayern sechsmal die deutsche Meisterschaft und 2013 die Champions League. Bild: www.imago-images.de / ActionPictures
Interview
Im Gespräch mit watson spricht der langjährige Verteidiger des FC Bayern über die Abwehrprobleme des Rekordmeisters, die Einstellung der Spieler und wie sich der Titelkampf in der Bundesliga entwickeln wird.
watson: Herr Badstuber, die Defensive des FC Bayern hat sich im Laufe der Saison immer wieder anfällig gezeigt. Gegen Paris Saint-Germain stand hingegen zweimal die Null. Kann die Mannschaft also doch gut verteidigen?
Holger Badstuber: Sie können verteidigen, aber eben einfach nicht konstant. Besonders in der Bundesliga gab es in der Vergangenheit zu viele Spiele, in denen sie dem Gegner gute Chancen ermöglicht haben und unnötig brenzlige Situationen kreiert haben, die zu Gegentoren führten.
Aktuell sind es in der Bundesliga 22 Gegentreffer nach 23 Spielen.
Im Hinblick auf die Ausgaben, die man in diesem Bereich in den vergangenen Jahren getätigt hat, ist das in meinen Augen zu viel. Andererseits sehe ich das ganze Konstrukt und ich finde es zu einfach, immer nur die Abwehr in den Fokus zu nehmen.
Sondern es betrifft das ganze Team?
Genau. Man muss im Verbund verteidigen und jeder Spieler muss auch in der Bundesliga dafür zu 100 Prozent bereit sein. Es ist einfach eine mentale Sache, wie groß die Ernsthaftigkeit bei allen Spielen ist. Die Kunst ist es nun, den Switch aus der Champions League in die Liga zu schaffen und diese Abwehrleistung dauerhaft zu zeigen.
Im Sommer wurde die Defensive mit Matthijs de Ligt verstärkt, der für 67 Millionen Euro von Juventus Turin kam. Gegen PSG begeisterte er mit einer Rettungstat auf der Linie und bekam ein Sonderlob von Trainer Julian Nagelsmann. Ist er der neue Abwehrboss?
Diese Aktion hat er super gerettet, aber es ist nur eine Szene in 95 Minuten. Ich tue mich schwer damit, ihn als neuen Abwehrboss zu bezeichnen, dafür ist es die ganze Saison bisher zu unstabil.
Matthijs de Ligt feierte seine Rettungsaktion gegen Paris Saint-Germain wie einen eigenen Treffer. Bild: MatthiasKoch / imago images
Hat er das erste halbe Jahr einfach gebraucht, um sich anzupassen?
Wenn man so einen Mann holt, ist es für mich immer schwer zu sagen, dass er Zeit braucht und sich erst anpassen muss. Er äußert sich dahingehend, dass er der Boss sein will, aber das sehe ich nicht. Mit 23 muss er nicht mehr im Profifußball ankommen und bei Juventus herrschte sicherlich auch ein gewisser Druck.
Warum blüht er aktuell dennoch so auf?
Er profitiert vom aktuellen System. Sie spielen bei gegnerischem Ballbesitz aktuell wieder mit einer Fünferkette. Aus meiner Sicht als Verteidiger ist es da einfacher zu verteidigen, weil die Räume enger sind als bei einer Viererkette.
Während er am Mittwoch noch Messi und Mbappé verteidigen musste, ist am Samstagnachmittag Liga-Alltag gegen den FC Augsburg angesagt. Gibt es einen größeren Kontrast?
Das ist nichts Neues für den FC Bayern. Aber die große Kunst ist nun, Stabilität in der Bundesliga zu zeigen. Dort stehen sie unter Zugzwang, weil sie keinen Vorsprung haben. Die Qualifikation für das Champions-League-Viertelfinale ist super, aber am Samstag muss gewonnen werden.
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Wie schwierig ist diese Belastung mental?
Das ist das tägliche Brot. Es sind zwei Heimspiele und keine großen Reisestrapazen, daher hast du genug Zeit, um zu regenerieren. Da du sowieso immer gewinnen musst, ist es keine große Sache, diese Spannung zu halten.
Könnte das Paris-Spiel aber so etwas wie ein Knackpunkt in der Saison sein und die Bayern kommen nun richtig ins Rollen?
An sich ja, aber ich weiß nicht, ob das bei Bayern der Fall sein wird. In der Champions League spielen sie bisher eine perfekte Saison, aber in der Bundesliga hapert es.
Dort steht man nur aufgrund des besseren Torverhältnisses punktgleich mit dem BVB auf Platz 1.
Das ist für mich unglaublich, dass Dortmund mit sechs Niederlagen nach 23 Spieltagen punktgleich mit dem FC Bayern ist.
Trotz Sieg im Hinspiel schied Borussia Dortmund im Achtelfinale der Champions League gegen Chelsea aus.Bild: AP / Alastair Grant
Der BVB hat den Rückstand von neun Punkten mit zehn Siegen in Folge aufgeholt. In der Champions League scheiterten sie jedoch am Dienstag gegen Chelsea. Kann das einen Einfluss auf den Titelkampf haben?
Bayern hat ihnen die Chance gegeben wieder heranzukommen und sie können dem FC Bayern wehtun. Dortmund ist schwer einschätzbar, aber sie haben jetzt die Möglichkeit, sich mental voll auf die Liga einzustellen und wittern sicherlich eine Chance.
Vor dem direkten Duell am 1. April in München ist eine Länderspielpause. Ist das ein Fluch oder ein Segen?
Das wird sich in den kommenden Wochen zeigen, ob beide Teams im Flow bleiben und wie die aktuelle Form ist.
Und wer wird am Ende der Saison an der Tabellenspitze stehen?
Ich denke, dass Bayern am Ende der Saison Deutscher Meister wird, wenn sie von nun an mit der gewissen Ernsthaftigkeit in die Spiele gehen.
Nicals Füllkrug kann schon seit Längerem nicht und Marc-André ter Stegen wird für längere Zeit nicht können. Jamal Musiala kann mit Hüftproblemen auch nicht. Kai Havertz muss mit Knieproblemenen absagen. Und auch Robin Koch hindern Hüftprobleme an einer Reise zur Deutschen Nationalmannschaft. Der eigentliche Plan von Julian Nagelsmann wurde damit komplett über den Haufen geworfen.