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Champions League der Frauen: Ex-DFB-Star warnt vor Missständen in Deutschland

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Bayerns Lina Magull (l.) und Frankfurts Sophia Kleinherne vertreten den deutschen Fußball in der Frauen-Champions-League. Bild: imago images / Ulrich Gamel
Interview

Ex-DFB-Star warnt vor Missständen im Frauen-Fußball

Jahrelang stand Turid Knaak selbst als Profi auf dem Platz. Mittlerweile ist die 32-Jährige Dazn-Expertin und spricht im watson-Interview über die anstehenden Champions League Spiele des FC Bayern und Eintracht Frankfurt. Zudem warnt sie vor Missständen im Frauen-Fußball.
22.11.2023, 11:37
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Watson: Der erste Champions-League-Spieltag der Frauen ist vorbei, der zweite steht am Mittwoch und Donnerstag an. Wie schätzt du die Chancen von Frankfurt und den Bayern ein?

Turid Knaak: Beide Mannschaften sollten schon den Anspruch haben, in ihren Gruppen weiterzukommen. Frankfurt hat mit Barcelona schon DEN Endgegner in der Gruppe, den man klar auf den ersten Platz setzen wird. Der zweite Platz ist für die Eintracht aber realistisch.

Und die Bayern?

Die haben natürlich den Anspruch, die Gruppe zu gewinnen. Mit Paris haben sie aber auch einen sehr starken Gegner. PSG hat zwar gegen Ajax 0:2 verloren, für Bayern kann das aber ganz gut sein, wenn Paris ein paar Punkte liegen lässt. Aber auch vor Rom müssen die Münchnerinnen aufpassen. Die gewinnen gerade jedes Spiel und haben Juventus Turin im vergangenen Jahr abgelöst.

Die Münchnerinnen haben am ersten Spieltag eine 2:0-Führung gegen Rom verspielt.

Es ist schade, dass die Bayern ihre spielerische Dominanz aus dem ersten Spiel nicht in einen Sieg ummünzen konnten. Ich denke, dass die Spielerinnen das schnell abhaken können. Es ging jetzt Schlag auf Schlag, am Wochenende stand das nächste Bundesliga-Spiel an, danach direkt wieder die Champions League. Der Fehler kann jetzt wiedergutgemacht werden.

Frankfurt hat zum Auftakt hingegen bei Rosengard knapp 2:1 gewonnen.

Sie hätten aber viel mehr Tore machen können. Die Dominanz hätte das hergegeben. Das macht mir auch Hoffnung, dass sie den zweiten Platz erreichen können.

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Die Frankfurterinnen tragen ihre Heimspiele im großen Stadion, dem Deutsche-Bank-Park, aus. Was sagt das aus?

Direkt im ersten Champions-League-Jahr alle Heimspiele im großen Stadion auszutragen, ist extrem wertschätzend. Der Verein hat sich großartig entwickelt. Es zeigt aber auch, dass Frankfurt viel in den Frauen-Fußball investiert.

Das Hinspiel bei Rosengard hatte nicht diesen Rahmen.

Das versprühte keine Champions-League-Atmosphäre. In Rosengard waren knapp 1000 Zuschauer und das Stadion war eine bessere Bezirkssportanlage. Das wird in Frankfurt zum Glück anders sein.

Welchen Unterschied macht es für eine Spielerin in einem großen Stadion vor jeder Menge Menschen zu spielen?

Wenn das Spiel läuft, macht es glaube ich nichts mit einer Spielerin. Aber das Drumherum mit dem Flutlicht und einem großen Stadion gehört zur Champions League.

"Es gab Zeiten, in denen die Champions League nicht zu sehen war. Es gab keine Highlights oder Zusammenfassungen."

Seit einigen Jahren hat Dazn die Rechte für die Frauen-Champions-League, zeigt die Spiele auch auf Youtube. Was bedeutet das für die Entwicklung?

Ich finde es sehr gut. Es gab Zeiten, in denen die Champions League nicht zu sehen war. Es gab keine Highlights oder Zusammenfassungen und die Ergebnisse mussten im Internet gesucht werden. Jetzt ist es schön, dass man sich die Top-Klubs an jedem Spieltag anschauen kann.

Auf Youtube wurde das Frankfurt-Spiel mittlerweile 100.000 Mal angeschaut, das Bayern-Spiel in der vergangenen Woche sogar 200.000 Mal. Wie ordnest du diese Zahlen ein?

Gerade die Champions League ist ein enorm attraktiver Wettbewerb. Ähnlich wie bei den Männern spielen dort die absoluten Superstars. Deshalb kann ich verstehen, dass die Zuschauerzahlen steigen. Es ist aber auch gut, weil wir immer davon sprechen, dass wir weibliche Vorbilder wollen. Dafür muss es aber auch die Möglichkeit geben, sie sehen zu können. Durch die Übertragungen ist das jetzt möglich.

Wolfsburg hat es in dieser Saison nicht in die Champions League geschafft. Welche Auswirkungen hat das auf den Deutschen Fußball und die Wolfsburgerinnen?

Den deutschen Fußball trifft es nicht so extrem, weil wir zwei deutsche Vertreter dabeihaben. Es ist eher so, dass Wolfsburg und die Spielerinnen damit jetzt klarkommen müssen. Der Verein hat den Kader auf die Dreifachbelastung ausgerichtet. Das hat zur Folge, dass einzelne Spielerinnen weniger Spielanteile bekommen werden, was besonders für die Nationalspielerinnen nicht gut ist.

Kann die Entwicklung von Spielerinnen durch den fehlenden internationalen Vergleich negativ beeinflusst werden?

Gerade junge Spielerinnen, die sich zur Weltklasse entwickeln sollen, brauchen diese Partien auf höchstem Niveau. Man muss so ehrlich sein: In der Bundesliga ist nochmal ein ganz anderes Niveau als in der Champions League.

Kann man dem Fehlen in der Champions League aber auch irgendetwas Gutes abgewinnen?

Mit der neuen Champions League, der Nations League, die die Nationalspielerinnen spielen, dem Pokal und der Liga wird die Intensität immer höher. Vielleicht tut es manchen Spielerinnen auch mal gut, nicht jede Woche eine Englische Woche zu haben.

"Ich habe die große Sorge, dass die Lücke auseinanderklafft, wenn sich die ausländischen Ligen vollständig professionalisieren."

2020 hast du in einem Interview gesagt, dass du die Gefahr siehst, dass England und Spanien durch eine schnellere Professionalisierung der Bundesliga davoneilen könnte. Wie siehst du das heute?

Gerade in der Breite muss sich die Bundesliga entwickeln. In der Spitze ist die Bundesliga mit Wolfsburg, Bayern und auch Frankfurt auf einem guten Level. Ich habe die große Sorge, dass die Lücke auseinanderklafft, wenn sich die ausländischen Ligen vollständig professionalisieren. In England sind alle zwölf Teams professionell aufgestellt. Bei uns muss sich von Platz sechs bis Platz zwölf noch einiges ändern.

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Im Sommer sind RB Leipzig und der 1. FC Nürnberg aufgestiegen. Es sind Teams mit Lizenz-Herrenmannschaft im Rücken. Ist das gut für die Entwicklung der Bundesliga?

Mit Sicherheit. Sie bieten den Spielerinnen professionelle Bedingungen. Aber auch die SGS Essen versucht professioneller zu werden. Langfristig werden aber wohl Klubs mit Lizenz-Herrenmannschaft das bessere Gesamtpaket für Spielerinnen bieten können.

Welche Probleme hast du noch in der Frauen-Bundesliga ausgemacht?

Es gibt da eine große Diskrepanz zwischen den Vereinen in Bezug auf die Professionalisierung. Während in Bayern, Wolfsburg oder Frankfurt niemand noch arbeitet, sondern alle Spielerinnen professionell trainieren, hast du Vereine wie Duisburg oder Essen, wo die Spielerinnen berufstätig sind, 40 Stunden die Woche arbeiten und am Abend trainieren können.

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