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Interview

Weiße Hosen bei DFB-Frauen: Turnerin Alexa Hoock sieht im Sport Probleme

Shooting mit Alexa am 01.04.23 in Petershausen
Alexa Hoock gibt auf Tiktok Einblicke in ihren Alltag als Turnerin.bild: Christian Habel
Interview

"Sex sells": Turn-Influencerin sieht Probleme mit Kleidungsvorschriften

21.09.2024, 08:5821.09.2024, 08:58
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Ärger um die Outfits von Sportlerinnen gibt es seit Jahren immer wieder. Im Frühjahr etwa präsentierte Nike die Olympia-Kleidung des US-Teams, die Frauen wurden dabei in knappen Höschen inszeniert, die Männer deutlich bedeckter. Auch bei den Wettkämpfen fragten sich Zuschauer:innen regelmäßig: Warum tragen Männer und Frauen teilweise nicht die gleichen Outfits?

Mit kleidungsbezogenen Vorschriften setzt sich Turninfluencerin Alexa Hoock auseinander. Auf Tiktok, wo sie als "_alestics_" unterwegs ist, gibt sie Einblicke in problematische Vorgaben.

Im Gespräch mit watson erklärt sie, was sich in den vergangenen Jahren gebessert hat, warum es an einigen Stellen noch hapert und was sich für die DFB-Frauen ändern könnte.

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watson: Sind Kleidungsvorschriften im Sport grundsätzlich unsinnig?

Alexa Hoock: Je nach Sportart ist eine spezifische Ausrüstung notwendig, dazu zähle ich auch Kleidung. Vorschriften müssen heutzutage aber nicht mehr sein, stattdessen wären Empfehlungen sinnvoller. Beim Turnen etwa muss es keine weite Kleidung sein, weil man sich damit schwerer tut oder sogar Unfälle passieren können, wenn man sich mit dem Gerät verheddert.

"Aus meiner Sicht ist es nicht mehr notwendig, bei der Kleidung nach Geschlechtern zu unterscheiden."

Sind unterschiedliche Vorgaben für Frauen und Männer sinnvoll?

Das ist nicht nötig. Beim Turnen tragen beide Anzüge, die Männer teilweise auch eine Hose, lang oder kurz. Die kurzen Hosen wiederum sind bei Frauen außerhalb vom Breitensport verboten. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Mir fällt keine Sportart ein, bei der Männer und Frauen sich grundsätzlich unterschiedlich bewegen – folglich ist es heutzutage aus meiner Sicht nicht mehr notwendig, bei der Kleidung nach Geschlechtern zu unterscheiden.

Einzelne Protestaktionen haben in unterschiedlichen Sportarten zu Regelanpassungen geführt. Können Frauen im Sport heute also tragen, was sie wollen?

Bedingt ist es möglich. Im Turnsport muss es die ganze Mannschaft tragen und auch der Verband muss dahinterstehen. Der trägt die Kosten für die Kleidung. Ich weiß, dass es in Deutschland unterstützt wird – da wird geschaut, dass sich keiner unwohl fühlt.

"Oben im Verband sitzt die Generation, die sagt: 'Das haben wir schon immer so gemacht.'"

Und außerhalb von Deutschland?

Weltweit ist es weniger so. In anderen Sportarten geht es hingegen, da können Frauen tragen, was sie möchten. Es gibt zwar noch ein paar Sportarten und Szenarien, in denen es unrund ist, aber es ist nicht mehr so schlimm wie früher.

Braucht es noch mehr gemeinsame Proteste von Athlet:innen, vielleicht auch sportartenübergreifend?

Da stehen wir noch am Anfang. Eine Person kann viel bewirken, aber es hat eine größere Wirkung, wenn sich mehrere Leute zusammenschließen. Gerade international ist eine Änderung nicht so einfach zu bewirken. Eine Welle, die sportartenübergreifend los schwappt, wäre wichtig, um den Verbänden richtig Druck zu machen.

Die Vorschriften stammen teilweise aus dem vergangenen Jahrhundert. Warum haben einige noch heute Bestand?

Im Turnen kann das Regelwerk alle vier Jahre angepasst werden, immer nach den Olympischen Spielen. Oben im Verband sitzt die Generation, die sagt: 'Das haben wir schon immer so gemacht.' Vielleicht ist der Gegenprotest aber auch noch nicht groß genug. Änderungen vorzunehmen, ist inconvenient, das bedeutet Arbeit und Aufwand.

"Gerade im Bereich der Social-Media-Algorithmen greift 'Sex sells', leider Gottes."

Nicht mehr zeitgemäß erscheint es auch, dass die DFB-Frauen regelmäßig in weißen Hosen auflaufen. Sollten weiße Hosen in Mannschaftssportarten generell gestrichen werden?

Ich kann nachvollziehen, wenn sich jemand damit unwohl fühlt, dennoch tut das nicht jeder. Bei uns ist es im Normalfall gut unterfüttert. Wenn der Stoff aber dünner ist und man beispielsweise draußen im Regen spielt, ist das etwas anderes. Man kann daher im Sinne der Allgemeinheit auf jeden Fall über ein Verbot sprechen.

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Die DFB-Frauen haben bei Olympia etwa im Spiel um den dritten Platz weiße Hosen getragen.Bild: dpa / Marcus Brandt

Laut Sportwissenschaftlerin Gitta Axmann geht es Verbänden und Sponsoren um Gewinnmaximierung. Greift da tatsächlich das aus der Werbung bekannte "Sex sells"?

"Sex sells" finde ich als Satz immer schwierig, aber an der einen oder anderen Stelle ist es nicht falsch verortet. Gerade im Bereich der Social-Media-Algorithmen greift "Sex sells", leider Gottes. In Randsportarten ist es sicherlich auch wichtig, dass die TV-Quote gut ist, wenn es denn mal übertragen wird. Auszuschließen ist es also nicht, auch wenn man das ungern eingesteht.

Du sprichst in deinen Videos auf TikTok an, dass das Richten der Kleidung während eines Durchlaufs verboten ist. Wenn bei dir etwas verrutscht: Was geht dir dann durch den Kopf?

Das ist ein schwieriges Thema, denn es gibt Abzug, wenn man etwas richtet. Das kann auch Ärger mit dem Trainerteam geben. Deshalb macht man es meistens nicht. Jeder kennt den Gedanken, man wird davon abgelenkt. Bei uns sind zudem Kameras, da wird teilweise sehr nah herangezoomt – durch Sprünge mit Spreizwinkel auch auf den Schritt. Das ist sehr unangenehm.

Überwiegt dann in dir das Streben nach der höchstmöglichen Punktzahl oder doch eher der Wunsch, dich in dem Moment in deinem Outfit möglichst wohlzufühlen?

Der Gedanke ist dann: 'Greif nicht hin, mach es nicht. Zieh es einfach durch.' Aber das ist eigentlich der falsche Ansatz, weil man sich dann nicht mehr auf die eigentlichen Elemente konzentriert. Das kann gerade auf dem Schwebebalken sehr gefährlich sein. Das hat also eine hemmende und hindernde Wirkung.

Eine englische Studie hat ergeben, dass Kleidungsvorschriften "die am meisten unterschätzte Ursache für die geringe Anzahl von Frauen im Sport" ist. Hast du mal darüber nachgedacht, mit dem Turnen aufzuhören?

Ich selbst nicht, aber ich kenne viele in meinem Umfeld. Die fühlen sich unwohl und lassen es daher. Es gibt auch Regeln, die einfach weniger bekannt sind. Dass man im Turnen etwa auch lange Kleidung tragen darf. Deshalb ist mir Aufklärungsarbeit sehr wichtig. Sport, in dem Fall das Turnen, ist eine Leidenschaft, die einem richtig viel geben kann.

Hast du deine Videoarbeit mit dem Ziel begonnen, Menschen aufzuklären?

Es hat sich über die Zeit entwickelt. Anfangs habe ich alles rund ums Turnen gemacht: Training in der Halle, Tutorials, Trends, aber auch Tipps und Tricks. Da haben sich unter den Videos Fragen gehäuft, weshalb ich mich auf Aufklärungsvideos fokussiert habe. Da gibt es schöne Rückmeldungen, dass Menschen mit dem Turnen anfangen oder weitermachen, weil sie sich so wohler fühlen. Ich möchte, dass Menschen den Sport, den sie lieben, weiter ausführen, anstatt wegen einzelner Regeln aufzuhören.

Hast du inzwischen Verbesserungen wahrgenommen?

In Deutschland ist es besser geworden, es hat in den letzten ein, zwei Jahren Änderungen gegeben, die für alle sehr gut sind. Dass nun etwa zumindest im Breitensport, bei dem der nationale Verband die Regel macht, Einzelpersonen, die Mannschaft und auch einzelne Personen innerhalb einer Mannschaft kurze Hosen tragen dürfen. Das wird flächendeckend angenommen und umgesetzt.

"Es braucht Rahmenbedingungen, aber mit viel mehr Optionen, um ein Wohlfühlen aller Beteiligten sicherzustellen."

Im nächsten Schritt müsste es also auf die internationale Bühne gehoben werden.

Genau. Wir haben den ersten Schritt gemacht, vielleicht ziehen nun andere Nationen nach. Wenn man eine kritische Masse hat, kann man auch international etwas bewegen.

Was sollte die Prämisse bei der Kleiderwahl, unabhängig von der Sportart, in einer idealen Welt sein?

Bei subjektiven Sportarten, bei denen nicht etwa an Zeit gemessen wird, sollte es eine Vergleichbarkeit geben. Es braucht Rahmenbedingungen, aber mit viel mehr Optionen, um ein Wohlfühlen aller Beteiligten sicherzustellen.

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