"Was für Belgien steht? Es ist irgendwie egal", sagte eine Kollegin mir, als ich erfahren wollte, was sie denn über ihr Nachbarland wisse. Ich, aufgewachsen im "egal"-Land, kenne diese Ignoranz des großen Nachbarns natürlich nur zu gut.
Damit ich mir diese unnötigen Fragen nicht mehr anhören muss, hier einige Fakten, die euch das Land im Herzen von Europa näher bringen. (Abseits von Terror-Zellen, der EU, Regierungsproblemen und Marc Dutroux...)
"Sag mal was auf Belgisch", fragen immer wieder Leute. ES GIBT KEIN BELGISCH!
In Belgien gibt es drei Amtssprachen (was Belgien unter anderem auch so kompliziert macht). Von den über 11 Millionen Einwohnern sprechen um die 60 Prozent Flämisch (Belgisches Niederländisch). Die Wallonen, die französischsprachigen Belgier, umfassen etwas weniger als 40 Prozent. Und es gibt eine Minderheit, die Deutsch spricht.
Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens zählt knapp 75.000 deutschsprachige Belgier, die ganz im Osten des Landes wohnen.
Einige deutschsprachige Belgien-Fans besuchen natürlich auch die WM-Stadien in Rot gekleidet. So ziemlich jeder Bundesligaverein hat außerdem einen Fanclub aus Ostbelgien.
"French fries" heißen sie im nordamerikanischen Englisch. Das liegt wohl auch daran, dass französische Historiker behaupten, die Franzosen hätten im Jahr nach der Revolution 1789 nicht nur die Bastille gestürmt, sondern auch unter den Brücken der Seine die "pommes frites" erfunden. Das stimmt laut den stolzen Belgiern nicht.
Im Jahr 1781 schrieb Joseph Gérard, Sekretär der österreichischen Kaiserin Maria-Theresia: "Die Einwohner von Namur, Huy und Dinant haben die Gewohnheit, in der Maas zu fischen, diesen Fang dann zu frittieren, um ihren Speisezettel zu erweitern. Wenn die Gewässer zugefroren sind und das Angeln nur schwer möglich ist, schneiden die Einwohner Kartoffeln in Fischform und frittieren diese dann." Aus dem ehemaligen Arme-Leute-Essen in der Wallonie wurde belgischer Nationalstolz. ("BRF")
Ach ja: Es heißt Fritten und nicht Pommes.
Sorry, liebe Bayern. Ich habe vier Jahre lang bei euch gelebt und finde euer Bier echt lecker. Aber das belgische Bier ist euch noch einen Tick voraus. Warum? Es ist so vielfältig, wie die belgische Fußballmannschaft. Von Kirschbier über Blanche bis hin zu elfprozentigem Trappistenbier gibt es so ziemlich alles, was dir auch ein Vorrunden-Aus versüßen kann.
Kleiner Pro-Tipp, den nicht nur Deutsche aus dem Raum Aachen wissen: Belgier erkennt man meistens daran, dass sie zwei Bier in der Hand halten.
Naaa, habt ihr nach Fritten und Bier noch immer Wasser im Mund? Dann gönnt euch den Nachtisch: Belgische Schokolade.
Vor beinahe 100 Jahren gelang es dem Schweizer Jean Neuhaus in Brüssel mit Butter und Sahne gefüllten Schokoladenkonfekt herzustellen. Neuhaus wurde damit zum Erfinder der Praline. Seitdem zählen Pralinen und Schokolade zur Lebenskultur der Belgier, es gibt Hunderte Chocolatiers im Land.
Schokolade wird verschenkt, wie in anderen Ländern Blumen. Laut Statistik der Internationalen Kakao-Organisation (ICCO) in London nascht jeder Belgier pro Jahr 5,5 Kilogramm Schokolade. ("Merkur")
Noch nicht genug vom Essen? Die Brüsseler und die Lütticher Waffeln sind ebenfalls eine belgische Spezialität und werden im ganzen land angeboten. Yummy.
Das "Saxophon" wurde von dem Belgier Adolphe Sax (eigentlich Antoine Joseph Sax) im Jahr 1840 erfunden... und am 21. März 1846 unter der Nummer 3226 in Frankreich patentiert. Bedankt euch also bei den Belgiern, dass seit fünf Jahren kein elektronischer Sommerbeat mehr ohne Saxophon-Gebläse auskommt. 😉
Belgien ist das Land der Comics. Einige Belgier sind sicherlich Helden deiner Kindheit:
"Gaston" von André Franquin gab es von Februar 1957 bis zu dessen Tod im Jahr 1997.
Die Schlümpfe (im belgischen Original: "Les Schtroumpfs") entstanden 1958 und sind ebenfalls Belgier.
Lucky Luke, Rantanplan, die Daltons und Jolly Jumper. Kennst du noch, oder? Sie sind alle Teil der belgischen Comic-Serie des Zeichners Morris. Und Lucky Luke ist mit mehr als 30 Millionen verkauften Alben in Deutschland die erfolgreichste Comic-Serie im Alben-Sektor nach Asterix.
Tim und Struppi (im Original "Les aventures de Tintin") wurden vom Belgier Hergé geschaffen – und Tintin hat einen Zwillingsbruder in der Nationalmannschaft.
"Kommt der nicht aus Frankreich?", fragt mein Kollege. Nein. Stromae kommt aus der Nähe von Brüssel und ist spätestens seit 2010 auch halb Europa ein Begriff als er mit seinem Song "Alors on danse" in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien und Frankreich auf Platz eins der Charts einstieg.
Audrey Hepburn wurde in Belgien geboren und auch Jacques Brel kommt aus dem Königreich (Ja, und nicht aus Frankreich!!). Das ist ja ganz nett, aber Export-Meister der Herzen ist Jean-Claude Van Damme.
Der Karate-Kämpfer aus Brüssel stieg nach Filmen wie Bloodsport oder Universial Soldier bis hinzu Street Fighter zum weltweiten Action Star auf.
The Muscles from Brussels ist wie Belgien. Auch nach Eskapaden (von Kokain, Alkohol, Scheidungen bis zu einigen Filmflops) prügelt er sich immer noch über die Leinwände und ist nie klein zu kriegen.
Und ist natürlich glühender Anhänger der Red Devils:
Wenn man sich Europa bei Nacht auf Satellitenbildern anschaut, ist Belgien wegen seiner einzigartigen Autobahnbeleuchtung besonders gut zu erkennen.
Den Luxus der Illumination leistet sich außer Belgien kaum ein Land der Welt. Mindestens 335.000 Lampen auf 150.000 Masten sollen es sein, die die Autobahnen und andere Schnellstraßen des Königreiches erhellen.
Das Elektro-Festival wurde 2005 in der belgischen Stadt Boom geschaffen. Es ist eines der einflussreichsten und bekanntesten Musikfestivals der Welt. 2018 soll es unter anderem Live-Übertragungen in Abu Dhabi, Beirut, Barcelona, Mexiko-Stadt und Taipeh geben.